Antonio
Antonio

 

Lehren und lernen

14. März 2012

Liebe Freunde,

heute kehren meine Lieben von ihrem Besuch in Marianna, was für sie sehr viel näher ist als das weit entfernte Florence, nach Kuba zurück.
Mit ihnen war der Regen gekommen, das Grün wurde grüner und der Frühling kam früh mit ungewöhnlicher Pracht.
Wenn ich über den Gefängnishof gehe, sehe ich jetzt winzig kleine violette und weiße Blumen im frischen Gras.
Hier und da verstreut wächst eine kanariengelbe Blume. Welch' überwältigende Schönheit. Es sind diese perfekt abgestimmten Kontrastfarben, die deine Augen auf sich ziehen und deine Seele erfreuen. Welch brilliantes Meisterwerk der Natur! Ich frage mich: "Wie oft René seine Augen auf diese Details gerichtet hat?" Unser Bruder René, dem erst vor wenigen Tagen das Recht verweigert wurde, für nur wenige Tage bei Roberto zu sein. Warum so viel Grausamkeit gegenüber der Rechtschaffenheit und Lauterkeit eines Mannes, der niemandem, noch irgend etwas geschadet hat?

Ich bin sicher, dass viele von Euch auf die Ergebnisse der Durchsicht der Aufsätze meiner Schüler gewartet haben. Am Montag war unser letzter Besuchstag und erst gestern, am Dienstag, konnte ich dieser Aufgabe zusammen mit meinen Schülern nachgehen. Das Thema war, wie ich Euch schon sagte: "Was ich lehren kann." Wie zu erwarten war, hatte es jeder auf unterschiedliche Weise gehandhabt.
Während einige etwas Praktisches lehren konnten, wie über die Arbeit eines Lastwagenfahrers und über Reifenreparatur, sprachen andere eher über geistige Dinge wie Liebe oder das Wort Gottes. Zwei von ihnen schrieben über Kunst, das heißt darüber, wie man zeichnet und malt. Und am Ende beschlossen wir, gemeinsam an der Tafel einen Aufsatz zu entwickeln, der damit begann: Was kann ich über Geschichte lehren?
Nach der Korrektur der jeweiligen Darbietung, doch ohne grundsätzliche Veränderungen an den Texten zu unternehmen, schrieb ich den Aufsatz von jedem noch einmal an die Tafel. Alles schien gut zu sein. Es gab jedoch noch ein entscheidendes Problem: Der Aufsatz enthielt nur 105 Wörter, und für das Examen sind ein Minimum von 250 Wörtern erforderlich.
So kam es, dass es für mich notwendig wurde, zum Thema dieses Aufsatzes weiter auszuholen, und ich begann, über konkrete Dinge der Geschichte unseres Amerikas zu sprechen.
Der Unterricht sollte um 9:00 Uhr zuende sein, aber es gab einen Zelleneinschluss für eine Zählung, und wir konnten bis 10:30 Uhr, als die Schicht beendet wurde, nicht hinaus. Sie baten mich, mehr über die Entdeckung Amerikas zu erzählen. Ich entwarf eine Weltkarte und erzählte von den Reisen Columbus' und der Eroberung, von der Ausrottung der Indianer in der Karibik und der Ankunft von Diego Velázquez, der gemeinsam mit Hernán Cortés mit der Eroberung Mexikos begann.
Dann kamen wir wegen der Besonderheit, dass 1840 alle Völker Amerikas außer Kuba und Puerto Rico, die weiterhin spanische Kolonien blieben, ihre Unabhängigkeit erreicht hatten, auf Kuba zu sprechen. Und das führte dazu, dass Fragen zu dem komplexen Thema der kubanischen Realität aufkamen.
Ich wollte nicht weiter über Kuba sprechen. Ich mag es nie, vor einer Schulklasse über die kubanische Realität zu sprechen. An einem gewissen Punkt hatte ich keine andere Wahl, als über die Veränderungen, die die Kubanische Revolution für das Leben des Volkes gebracht hatte, zu sprechen, darunter kostenlose Ausbildung und Gesundheitsfürsorge. Und ein Schüler, der mich weiter unter Druck setzte sagte: "Aber ich ziehe es vor, in Freiheit zu leben." Sein Kommentar hatte keinen Einfluss auf meinen Vortrag. Stattdessen lieferte ich konkrete Beispiele: Die lateinamerikanische Schule für Medizin, die Ärzte und Techniker, die in aller Welt ihre Dienste anbieten, die Bestimmungen zu Reisen nach Kuba, einschließlich des Cuban-Adjustment-Acts und anderer. Diese Dinge sind unbestreitbar. Ironischerweise war es der selbe Schüler, der damit endete, dass er fragte, ob sein heranwachsender Sohn in Kuba studieren könne.
Gut, so endeten wir. Es war kein Unterricht mehr, sondern eine Unterhaltung, die so endete wie sie begann, mit viel Respekt und Verständnis für alle Meinungen. Ich hoffe ihr habt das Beispiel klar erkannt, wie ein Aufsatz von 250 Wörtern oder mehr möglich ist, wenn man ein Thema wählt, über das man leicht sprechen kann.

Ich glaube, ich habe mich jetzt genug ausgelassen.

Fünf Umarmungen

Venceremos!

Tony Guerrero Rodríguez
14. März, 2012
FCI Marianna

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: www.freethefive.org vom 15. März 2012)

 

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