antiterroristas.cu, 13. November 2003

"Es gibt in den USA nur einen Ort, wo die ‘Cuban Five’ keine Gerechtigkeit erfahren können: Miami"

Rosa Miriam Elizaldo

Ein jüngster Besuch des US-Anwalts, Leonard Weinglass, der Antonio Guerrero im Fall der Fünf Kubaner vertritt, in Havanna, bot der Arbeitsgruppe von Antiterroristas die Gelegenheit, mit ihm über das laufende Berufungsverfahren am Eleventh Circuit Court [Elften Bezirksgericht] in Atlanta, Georgia, zu sprechen. Weinglass erklärte einer Reihe von kubanischen Anwälten, die ihn in dem Fall begleitet haben: Am 17. November wird die Verteidigung auf die kürzlich von der US-Staatsanwaltschaft zu dem Fall vorgebrachten Argumente antworten. Der Gerichtshof wird einen Termin für die mündliche Anhörung beider Seiten gewährleisten.

[Antiterrorist Working Group]: Was machen die Verteidiger im Moment genau?

[Leonard Weinglass]: Sie arbeiten sehr hart auf die ‘Deadline’ des 17. Novembers hin, an dem sie auf die Argumente der US-Regierung vor dem Berufungsgericht antworten müssen. Es gibt eine enorme Menge von Dokumenten zu analysieren - über 100 Seiten der Transkription. Es bedarf einer ziemlichen Anstrengung, den Eindruck, den die Regierung mit ihren Argumenten geschaffen hat, zu korrigieren.
Ein großer Teil der Argumentation der Regierung besteht aus der Übertreibung eines kleinen Teilbereichs, der der absoluten Wahrheit entspricht. Daher durchforsten die Anwälte die Dokumente, um für das Gericht historische Nachweise zu erstellen, die beweisen, dass die Regierung zu manipulieren versucht und die Aufmerksamkeit des Gerichtes ablenken will.

[AWG]: Was sind die schwächsten Punkte in der Argumentation der Regierung?

[LW]: Ihre schwächsten Punkte basieren auf der Tatsache, dass sie die Atmosphäre von Miami nicht verteidigen können. Sie können sie nicht verteidigen, ohne gegen die elementarsten Prinzipien der US-Rechtsprechung zu verstoßen - zum Beispiel, das Recht auf eine faire Verhandlung vor einem unparteiischen Gericht. Es ist offensichtlich, dass es sie in diesem Fall nicht gab, und die Regierung hat es schwer, das, was in Miami geschah, zu rechtfertigen. Sie haben ein ausführliches Dokument von 86 Seiten vorgelegt, aber kein Wort davon kann die Entscheidung rechtfertigen, die Verhandlung in Miami abzuhalten.

[AWG]: Was geschieht nach dem 17. November?

[LW]: Nachdem wir dem Gericht unsere Antwort präsentiert haben, wird das Gericht uns von dem Termin in Kenntnis setzen, wann wir unsere Argumente vortragen und wieviel Zeit wir dafür beanspruchen können. Wir wissen nicht wann und wo das sein wird. Wir können nur raten, dass es irgendwann im Februar sein wird. Es kann ein bisschen später sein, aber ich denke, nicht eher.

[AWG] Und es wird eine öffentliche Anhörung geben?

[LW]: In Fällen von dieser Komplexität und Bedeutung bietet das Gericht immer eine mündliche Anhörung. Es wäre überraschend, wenn sie es nicht täten.

[AWG]: Welches Ergebnis sehen Sie in diesem Fall voraus, wenn die Richter fair und unparteiisch sind und das US-Gesetz anwenden.

[LW] Ein pragmatischer Richter wird klar sehen, dass dem Recht in Miami nicht genüge getan wurde. Dieses Berufungsgericht in Atlanta kennt Miami. Es war dieser Gerichtshof, der in Miami für seine Rechtsprechung zugunsten des Kindes, Elián González, heftig kritisiert wurde. Sie kennen Miami, und ich sehe nicht, wie sie ignorieren können, was jedermann in den Vereinigten Staaten weiß: dass, wenn es Kuba betrifft, sich Miami von allen anderen Örtlichkeiten in den USA unterscheidet. Es gibt nur einen Ort in den USA, an dem kein Recht gewährt werden kann, und das ist Miami. Sogar in Fort Lauderdale, nur 80 Kilometer von Miami entfernt, hätte eine faire Verhandlung stattfinden können.

[AWG]: Kürzlich sagte Noam Chomsky hier in Havanna, dass das, was den Fünf Kubanern passiert ist, unglaublich sei und wies gleichzeitig auf das Schweigen der Mainstream-Presse in den Vereinigten Staaten hin. Wie schädlich war dieses Schweigekomplott für den Berufungsprozess in Atlanta?

[LW] Chomskys Stimme wird unter den US-Intellektuellen und Fortschrittlichen inbezug auf Außenpolitik und Rechtsangelegenheiten gern gehört. Wir sind für seine Kommentare sehr dankbar. Das Schweigen der US-Presse in diesem Fall und die derzeitige Atmosphäre ist nicht überraschend. Um über diesen Fall sprechen zu können, muss man das über 40-jährige Verhältnis zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten in Betracht ziehen - eine Geschichtslektion, die die US-Regierung verhindern möchte und die Presse verhält sich willfährig. Sie wissen, wenn die Fünf Kubaner erwähnt werden, dann wird die Frage auf der Hand liegen: Warum wurden sie nach hier geschickt? Die Antwort darauf ist eine, die die US-Regierung und die Presse nicht zu hören wünschen - besonders nicht mitten im Kampf gegen Terrorismus. Die Vereinigten Staaten haben Position gegen Terrorismus bezogen. Wenn man die Frage damit beantwortet, warum die Fünf in die USA gingen, dann muss man auf die Tatsache eingehen, dass sie dort hingingen, weil die Vereinigten Staaten Terrorismus unterstützen. Das machte es für sie momentan unbequem, in eine solche Diskussion einzusteigen.

[AWG]: Kann die Präsidentschaftskampagne 2004 einen negativen Effekt auf die Berufung der Fünf haben?

[LW] Jeder - sogar die Staatsanwaltschaft - erkennt, dass dieser Fall einen politischen Hintergrund hat. Für einen politischen Fall wie diesen, mitten in der Präsidentschaftskampagne, für die Florida wichtig sein könnte - besonders die Stimmen aus Miami - ist es wahrscheinlich der schlechtmöglichste Zeitpunkt, um eine Gerichtsentscheidung herbeiführen zu lassen.

[AWG]: Neulich haben verschiedene Kommissionen des Europäischen Parlaments die Situation der Familien von René González und Gerardo Hernández und die Menschenrechtsbedingungen der Fünf kritisiert. Sind diese Verletzungen in der Berufung mit inbegriffen?

[LW]: Oberhalb und jenseits der rechtlichen Schwierigkeiten dieses Falles kann nun die Frage der Verletzung der Menschenrechte der Gefangenen hinzugefügt werden und die ihrer Familien. Amnesty International hat sich deswegen an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gewandt. Amnesty berief sich darauf, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten das Recht der Familie auf Zusammengehörigkeit schützt. Die Verfassung schützt die Familien von René und Gerardo, denen es erlaubt sein sollte, ihre Beziehung zu ihren Ehefrauen und Kindern aufrechtzuerhalten. Die Gesetze der US-Gefängnisbehörde schützt auch speziell diese Familienbeziehung - das Besuchsrecht.

Auf diese Weise kann die Trennung dieser beiden Familien nicht mit den gegenwärtigen Gesetzen gerechtfertigt werden, weder mit der US-Verfassung, noch mit der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung. Dies ist eine so eklatante Verletzung, dass ich nicht verstehe, wie sogar US-Kirchen zu lassen können, das so etwas passiert. Du kannst ein Kind nicht von seinem Vater trennen, Du kannst eine Ehefrau nicht von ihrem Ehemann trennen. Dies ist nach keinem moralischen oder gesetzlichem Recht hinnehmbar.

Deutsch: ˇBasta Ya!

*) Tatsächlich waren die Verschwörer von Puerto Rico aus gestartet, um Fidel Castro während des Iberoamerikanischen Gipfels auf der venezolanischen Insel Isla Margarita zu ermorden. Die vier Männer wurden Ende 1999 von einem Gericht in Miami freigesprochen. [Anm. d. Üb.]

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