Counter Punch, 2. - 4. Juli 2005

Der Terrorist und die Operation 40 der CIA

Wer hat was im Zusammenhang mit Luis Posada Carriles zu verbergen?

Von Tom Crumpacker

Die Anhörung zu Luis Posadas Einwanderungsfall ist nun von dem Richter der Behörde für Innere Sicherheit für den 29. August in Texas angesetzt worden. Am 21. Mai deutete Außenministerin Rice an, dass die Verhandlung des Falles für die Innere Sicherheit über viele Monate weitergehen könnte und dass seine [Posadas] Auslieferung nach ihrem Abschluss entschieden werden würde. Mit Gesuchen, Berufungen und bezahlten Anwälten könnten das Jahre bedeuten. Eine Verordnung für die Auslieferungsverhandlung an Venezuela besagt, dass der inhaftierende Staat den mutmaßlichen Kriminellen so lange behalten kann, bis seine eigenen Verhandlungen über die dort begangenen Verbrechen abgeschlossen sind.
Aber sicher kommen dafür geringere "Verbrechen", wie ein fehlender Fahrschein oder die Unterlassung, die Behörde für Innere Sicherheit von der Einreise benachrichtigt zu haben, nicht in Betracht. Und selbst, wenn Posada die Richter für Innere Sicherheit irgendwie von der Stichhaltigkeit seines unberechtigten Aufenthalts und seines Anspruchs auf Asyl überzeugen kann (dass er ein US-Bewohner ist, obwohl er 30 Jahre lang im Ausland gelebt hat, dass er hier ein Asylrecht hat, obwohl er Hunderte unschuldiger Menschen ermordet hat), sollte er jetzt noch an Venezuela ausgeliefert werden, weil sein Einwanderungsstatus (ob Einwohner oder Asylant) nichts mit der Auslieferung an ein Gericht wegen seiner mutmaßlichen Verbrechen zu tun hat, der Ermordung von 73 Menschen 1976.
Posada ist durch Einbürgerung venezolanischer und durch Geburt ein kubanischer Bürger. Als ein Kubaner hat er Rechte nach dem Cuban Adjustment Act und dessen Politik des "nassen oder trockenen Fußes", der Vorrang gegenüber allgemeingültigeren Gesetzen einnimmt. Indem er seinen Fuß in die USA setzt, ob legal oder illegal, kann jeder Kubaner hier bleiben und nach einem Jahr einen Aufenthaltsantrag stellen. Mit anderen Worten: Die anhängigen Einwanderungsfälle gegen Posada sind eine Farce, eine Möglichkeit, den Eindruck zu erwecken, dass es so etwas wie einen Grund dafür gibt, ihn nicht auszuliefern.
Also, warum ihn nicht einfach an den Auslieferungsrichter schicken und Schluss? Was ist der Grund, ihn hier zu behalten? Verzögerung um der Verzögerung willen? Um die venezolanische Regierung zu verärgern? Um den US-Anspruch zu schwächen, in seinem "Krieg gegen Terrorismus" führend in der Welt zu sein? Keines von diesen Motiven scheint sogar für diese Administration überzeugend zu sein. Nach den kürzlich freigegebenen CIA-Berichten (National Security Archives, Book 153) drohte Agent Posada, der am 6. Oktober 1976 wegen des Bombenattentats auf das kubanische Zivilflugzeug, Flug 455, verhaftet wurde, der CIA, dass, falls er gezwungen würde zu reden, die venezolanische Regierung damit "ins Fernsehen ginge" und es einen weiteren "Watergate-Skandal" gäbe.
George Bush sen., CIA-Direktor zurzeit des Bombenattentats auf die "Cubana", hatte Ted Shackley zuvor zum Direktor für Sonderoperationen ernannt. Seit der Schweinebuchtinvasion hatte Shackley für die "JM/Wave-Station" der CIA in Miami gearbeitet, die Anti-Castro-Extremisten für die mögliche Invasion ausbildete, danach für Sprengungen (Posada leitete diese Schule), biologische Kriegsführung und mörderische Überfälle auf Kuba. Bush und Shackley drängten etliche gewalttätige Anti-Castro-Gruppen in den USA dazu, sich unter Schirmherrschaft der CORU genannten Organisation zusammenzuschließen. Sie wurde von Orlando Bosch geleitet und trug die Verantwortung für die Ermordung Leteliers im September in Washington.
Bush sen. hat gesagt, dass er nicht bei der CIA war, bevor er Anfang 1976 von Präsident Ford zu deren Direktor ernannt wurde. Aber es gibt eine Kurzmitteilung von FBI-Direktor, J. Edgar Hoover, an das Außenministerium vom 28. November 1963, die etwas anderes andeutet. Es betrifft Informationen, die vom Büro des FBIs in Miami über Gruppen erstellt wurden, die der kubanischen Regierung den Mord an JFK anhängen wollten, und sie besagt, dass die Information am 23. November mündlich an "George Bush vom CIA" überbracht wurde. Bush war damals in Dallas, wie auch ein anderer CIA-Beamter, Chauncey Holt (jetzt verstorben), der Posada zurzeit des Mordes als auf dem Dealey Plaza anwesend identifizierte.
Andere Quellen, unter ihnen die der CIA-Agentin Marita Lorenz, gaben an, dass Orlando Bosch und Guillermo Novo dort waren. Da stellt sich die Frage, ob deren Anwesenheit dort als zufälliges Zusammentreffen betrachtet werden kann. Überhaupt wurde Bosch, Posadas Komplize bei der Flugzeugsprengung der Cubana Airline von Präsident Bush sen. 1990 gegen den heftigen Einspruch seines eigenen Justizministeriums begnadigt, das Bosch mit über 70 Terroranschlägen in Verbindung brachte. Und Guillermo Novo und Posada wurden gerade letztes Jahr nach einer Anklage wegen eines anderen Bombenattentats begnadigt und von der US-freundlichen scheidenden Präsidentin von Panama freigelassen. Noch ein anderer Anti-Castro-Extremist, Felix Rodríguez, der Ernesto Guevara tötete und mit Posada bei dem Iran-Contra-Versorgungsnetzwerk zusammen arbeitete, war ein langjähriger Freund von Bush sen..
Die offizielle Version von Watergate und dem JFK-Mord macht wenig Sinn, wenn man die Motivation der mutmaßlichen Akteure bedenkt. Es liegt nun offen, dass Nixon 1972 den Einbruch in die "Democratic National Headquarters" anordnete. Aber wonach suchte er bei dem riskanten Unternehmen? In dem Buch seines Stabschefs, H. R. Haldeman, über Watergate, heißt es, als Nixon an verschiedenen Orten über das Risiko auf Band sprach, dass die Watergate-Untersuchung "die ganze Sache der Schweinbucht auffliegen lassen" könnte, bezog er sich eigentlich auf den JFK-Mord, nicht auf die Invasion Kubas. Als Vize-Präsident im Jahre 1960 (ein politischer Schützling von Senator Prescott Bush) hatte Nixon die Aufsicht über die Vorbereitung der Invasion. Es erscheint als merkwürdig, wenn er diese Ereignisse bestreiten wollte, falls sie ohne Zusammenhang miteinander stünden. Außerdem, was könnte "auffliegen" über die Schweinebucht, was nicht schon bekannt gewesen wäre?
Und warum tötete Lee Harvey Oswald JFK? Die Warren-Kommission und die nachfolgenden Kongress-Komitees konnten kein dafür Motiv finden. Bei den Bemühungen jener Zeit, den Mord der kubanischen Regierung anzulasten, wurde in den US-Zeitungen ein Foto von Oswald verbreitet, das ihn zeigte, wie er auf einer Straße in New Orleans ein Schild mit der Aufschrift, "Fair Play for Cuba" hochhielt. Aber warum gab es darauf keine anderen Mitglieder des "Fair Play for Cuba"-Komitees? Warum gab Oswald die Adresse dieses Komitees mit "544 Camp St." an, was der Seiteneingang für das Büro von Sergio Arcacha Smith und Guy Banister war, beide tollwütige Anti-Castro-Extremisten? Warum wurden diese Büros von Kubanern aufgesucht? Warum verbrachte Oswald dort so viel Zeit? Warum war Allen Dulles, der CIA-Direktor, der die Invasion in die Schweinebucht plante und danach von JFK gefeuert wurde, in der Warren-Kommission eingesetzt worden? Warum ließ die CIA die Kommission über so viele Schlüsselbeweismaterialien im Dunkeln? Die offiziellen Antworten auf diese Fragen scheinen in "alle Winde zerstreut" zu sein. Es ist wie bei einem Laubsägenpuzzle, bei dem die Hälfte der Teile fehlt.
Im Herbst 1963 traute JFK den CIA-Diensten oder - Meinungen, ob sie nun Vietnam oder Kuba betrafen, nicht mehr. Es bahnten sich Verhandlungen zwischen den USA und Kuba über eine mögliche Normalisierung der Beziehungen an. JFKs Bedingungen dafür waren, dass Kuba sich von der Sowjetunion distanzierte und damit aufhörte, revolutionäre Bewegungen in Lateinamerika zu unterstützen, wofür Castro empfänglich zu sein schien. Bei einem privaten Treffen, etliche Monate nach der Schweinebuchtinvasion, hatte General Douglas MacArthur JFK gewarnt: "Die Hühner sind auf ihrem Weg zum Grill, und Sie leben im Hühnerstall."
Ein Kernstück von Allen Dulles' Schweinebucht-Plan war "Operation 40". Es waren vierzig CIA-Agenten, hauptsächlich Schützen, deren Aufgabe es war, die führenden Mitglieder der kubanischen Regierung zu töten. Einige, wie Posada, hatten zuvor im Vollzug des Batista-Regimes gearbeitet. Vor der Invasion warteten sie in der Dominikanischen Republik. Ihr Schiff stach nach Kuba in See, wendete aber, als sie über das Scheitern der Invasion informiert wurden. Sie kehrten in die USA zurück, und die Operation wurde ohne JFKs Wissen fortgesetzt. Über Jahre und Jahrzehnte mit einigen Änderungen, was Namen und Personen betrifft.
Viele der ursprünglichen Namen erschienen weiter in Verbindung mit nachfolgenden verdeckten, gewalttätigen CIA-Projekten, wie die Operation Mongoose, Operation Phoenix, der JFK-Mord, die Regimewechsel in der Dominikanischen Republik, Chile, El Salvador, Nicaragua, die Watergate-Affäre, die Sprengung der Cubana Fluglinie 455, den Iran-Contra-Krieg, Operation Condor, die viele südamerikanische Progressive ausrottete, die Bombenanschläge auf Hotels in Havanna. Namen wie Luis Posada, Orlando Bosch, Felix Rodríguez, E. Howard Hunte, Frank Sturgis, Antonio Veciana Guillermo Novo, Eugenio Martínez, Ricardo Morales, David Sanchez Morales, David Phillips - alle ursprünglich Mitglieder der Vierzig.
In einer Oligarchie, in der die wichtigen Entscheidungen von einer Machtelite im Geheimen getroffen werden, in der die Massenmedien eher zur Manipulation als zur Information genutzt werden, ist es für die Öffentlichkeit oft schwierig, aktuelle von künstlicher Realität zu unterscheiden. Es ist ersichtlich, dass Posada viele fehlende Puzzleteile zum Puzzle der letzten 45 Jahre beisteuern könnte. Er hat Freunde in Miami, und sie haben ihn hierhergebracht, um ihn nach 30 Jahren wieder auftauchen zu lassen. Wenn er Geld brauchte oder einen Ort, an dem er sich bequem verstecken könnte, könnten sie ihn damit leicht in einem anderen Land versorgen. Was wir über seine Vergangenheit wissen, reicht, um zu sagen, dass er und seine Freunde sein Wissen über CIA-Operationen gerade als Spielgeld für Drohung und Erpressung einsetzen könnten, vielleicht um die zukünftige US-Politik in bezug auf Kuba zu beeinflussen. Dies würde erklären, warum seine legal beantragte Auslieferung verzögert wird.
Tom Crumpacker ist Jurist, der mit der "Miami Coalition to End the US-Embargo of Cuba" zusammenarbeitet. Er kann wie folgt erreicht werden: Crump8@aol.com

(Deutsch: ¡Basta Ya!)

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