Counter Punch, "Bastille-Tag" [Tag des Sturms auf die Bastille] Wochenendausgabe, 14. Juli 2006

Übergang zur Oligarchie

Plan zur Rekolonisation Kubas

Von Tom Crumpacker

Die "Commission for Assistance to a Free Cuba" [Kommission zur Unterstützung eines freien Kuba] der Bush-Administration unter dem gemeinsamen Vorsitz des Außen- und Handelsministeriums hat unserem Präsidenten in dieser Woche ein neues Dokument vorgelegt, Kopien davon gibt es im Internet. Es ist ein langatmiger und umfassender Plan, der alle Schritte ausführt, die die US-Regierung und andere dafür "wesentliche Akteure" unternehmen werden, um Kuba in die Familie der offenkundigen US-Kolonien zurückzuführen, zu denen einige pazifische Inseln, Puerto Rico, Haiti, Kabul und die Grüne Zone in Bagdad gehören.
Man hatte die Administration entschieden dafür kritisiert, dass es einen solchen Plan nicht für den Irak nach dessen Eroberung gegeben habe. Einige beklagten sogar, dies sei der Grund für den Fehlschlag der Besatzung. Ein Zweck dieses Plans mag sein, solcher Kritik im Falle Kubas zuvorzukommen.
Dennoch gleicht dieser Plan in vieler Hinsicht dem für den Irak (der zuvor nicht öffentlich ausgesprochen wurde). Die Privatisierung, wie sie öffentlich dargestellt zu werden pflegt, wird Kuba in eine moderne, zivilisierte Welt überführen, indem man ein kapitalistisches Utopia schafft, wo private Unternehmer der "internationalen Gemeinschaft" (hauptsächlich US-Konzerne) und die "kubanische Gemeinschaft in Übersee" (hauptsächlich US-Bürger) ungehindert von gesellschaftlichen Zwängen ihre ganze kreative Kraft entfesseln können, um die seit langem leidende kubanische Bevölkerung aus der andauernden Armut und Tyrannei zu erretten, indem sie übrigens gleichzeitig selber davon profitieren.
Die Empfehlung, dass die jetzt laufenden Destabilisierungsmaßnahmen auf Kuba fortgeführt werden oder noch überall verstärkt werden sollen, insbesondere die Funk- und Fernsehprojekte, die den Kubanern illegal über US-Flugzeuge aufgezwungen werden, während Kuba gleichzeitig durch die Verschärfung der Blockade Einnahmen in harter Währung verweigert werden, d.h.: ausländische Banken, die mit Kuba handeln, werden mit Geldstrafen belegt, Bestrafung und Belohnung für ausländische Regierungen, die den Handel mit Kuba verstärken oder reduzieren, und Anziehen und Verstärkung der Handelsbeschränkungen. Die Kosten dafür machen inzwischen das Dreifache der Ausgaben aus, die wir aufwenden, um die Al Quaida aufzuspüren.
Die Finanzierung alles dessen geht über einen neuen US-Schmiergeldfond von 80 Millionen Dollar, der pro Jahr um 20 Millionen aufgestockt wurde, dazu kommt all das dreckige Destabilisierungsgeld (nicht bekannte jährliche Multimillionen), die jetzt über AID, NED, die so genannten Noggins in Florida, und über die US-Interessenvertretung in Havanna, fließt.
Nach dem Plan werden die gesamte kubanische Kommunikation, das Transportwesen, der Bergbau, die Industrie, Landwirtschaft, medizinische und andere Produktionen in der Zukunft privatisiert, und die wesentlichen Akteure (USA und ihre Unternehmer) werden für Kuba ein Wasser- und sanitäres Anlagensystem, Gesundheitsvorsorgesystem, Bildungssystem, Transportsystem und Kommunikationssystem, ein Unterkunftssystem (Wohnungen für alle), ein Nahrungsversorgungssystem (ein Hühnchen in jedem Topf) erbauen und schaffen. Alles das gleicht vermutlich dem, was wir für die irakische Bevölkerung tun oder ihr antun. In der Tat ist es viel mehr als wir für die Bevölkerung von New Orleans bereit sind zu tun.
Unsere Großzügigkeit gegenüber den Kubanern hängt jedoch von deren Bereitschaft zu einer neuen politischen Wirtschaft ab, die der unseren gleicht. Der Plan sagt sehr wenig darüber, was es in Kuba schon gibt, und nichts über die Auswirkungen unserer Blockade und die des Terrorismusses gegen Kuba. Es ist so, als ob die Einrichtungen, die Infrastruktur und die Fähigkeiten, sich zu schützen, die innerhalb von 45 Jahren der Unabhängigkeit geschaffen worden sind, so unbedeutend seien, dass sie es nicht wert wären, überhaupt erwähnt zu werden.
So überrascht es auch nicht, dass dieser Plan voll der üblichen Schlagworte ist, die diese Administration gebraucht, um die öffentliche Meinung zu manipulieren, wie "Demokratie" (kommerzielle Oligarchie), "Freiheit" (die des großen Fisches, die kleinen zu fressen), "Dissidenten" (die paar hundert Kubaner, nämlich von den USA bezahlte Söldner auf der Insel). Der Plan steckt auch voller Behauptungen darüber, welche Änderungen die Menschen auf Kuba möchten (ohne Beweise dafür zu liefern), sagt aber sehr wenig dazu, welche Rolle sie dabei spielen dürfen, um ihre angeblichen Wünsche zu erfüllen. Tatsächlich werden sie insgesamt als Objekte, nicht als Subjekte einer Umgestaltung behandelt, die von anderen ausgeführt wird. Sie werden für hilflos und unwissend gehalten, in verzweifelter Bildungs- und Ausbildungsnot und dem Verlangen nach Ausbildung in der Komplexität einer modernen Konsumgesellschaft. In gewisser Weise ist dies die gleiche Tonart, wie die des französischen Gedankens im 19. Jahrhundert "Noblesse oblige" (Adel verpflichtet) oder der von Kiplings Vorstellung von der "Bürde des weißen Mannes", nur viel ausgeprägter.
Der Plan sieht vor, die kubanische Nation von Grund auf wieder neu aufzubauen, vom Krater zu einer kapitalistischen Neokolonie, vergleichbar mit denen, die es jetzt in Zentralamerika und der Karibik gibt. Es wird jedoch nichts darüber gesagt, wie wir von der gegenwärtigen Realität zum "Krater" kommen. Die ersten sechs Monate seien entscheidend, wird gesagt. Das ist die Zeit, in der die kubanische Übergangsregierung (CTG) eingerichtet werden soll. Natürlich ist damit eine Marionettenregierung gemeint, wie sie für Afghanistan und für den Irak geschaffen wurden. Das meiste für den Aufbau der Nation wird nach Wunsch dieser Marionetten geschehen. Die Finanzierung wird aus einem aufgezwungenen Strukturangleichungs-Darlehen des IMF bestehen und aus anderen internationalen Krediten, internationalen Investitionsmaßnahmen, insbesondere von der "Cuban community abroad" [Kubanische Gemeinschaft in Übersee, Anm. d. Ü.] und einigen US-Steuerzahlern, da wo ihre Hilfe angemessen erscheint.

2. Die kubanische Verfassung

Viel Aufmerksamkeit schenkt der Plan Fidel Castros "Strategie" für seine Nachfolge. Kuba besitzt eine Verfassung, aber sie wird mit keinem Wort im Plan erwähnt. Anscheinend soll auch keine geschrieben werden, wie in Afghanistan und Irak auch. Anscheinend werden Verfassungen nicht mehr für nötig gehalten. Der Plan besagt, Castros Strategie sei es, dass sein Bruder Präsident wird, wenn er sein Amt verlässt, was die wesentlichen Akteure (die USA und ihre Unternehmer) nicht erlauben werden.
Die kubanische Verfassung wurde in den frühen 1970ern auf lokaler und provinzialer Ebene entwickelt und 1976 von 97% der wahlberechtigten Kubaner verabschiedet. Nach der Periode der "Korrektur" in den späten 1980ern wurde sie 1992 mit dem gleichen Verfahren und der notwendigen Zweidrittelmehrheit im kubanischen Parlament in wesentlichen Teilen geändert. 2002 wurde sie als Antwort auf das "Varela Project" mit den Stimmen von über 8 Millionen Kubanern, 95% der erwachsenen Bevölkerung, nochmals bestätigt.
Diese Verfassung etabliert ein überparteiliches patizipativ-repräsentatives Wahlsystem, das unserem zwar nicht ähnelt, aber in einigen Beziehungen rechenschaftspflichtiger und demokratischer ist. Auf örtlicher und provinzialer Ebene müssen zwei oder mehr Kandidaten für ein Amt antreten, auf nationaler Ebene handelt es sich um eine Art parlamentarisches System, bei dem jeder Kandidat für die 619 Sitze der für 5 Jahre eingesetzten Nationalversammlung mindestens 50% der Stimmen auf sich vereinigen muss, um einen Sitz zu erlangen. Die Exekutive (der Staatsrat, vergleichbar unserem Präsidenten und dem Kabinett) besteht aus 24 Mitgliedern der Nationalversammlung, angeführt von einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten, zurzeit die rechtsstaatlich gewählten Castro-Brüder.
Die Verfassung besagt, dass, wenn der Präsident nicht in der Lage ist, sein Amt fortzuführen, oder aus irgend einem Grund zurücktritt, der Vizepräsident seinen Platz einnimmt bis die Nationalversammlung einen neuen Präsidenten wählt. Die Nationalversammlung und die Castro-Brüder haben mehrfach erklärt, dass die Nachfolge in Einklang mit der Verfassung geregelt wird. Die einzige Möglichkeit das aufzuhalten oder zu ändern, wäre eine US-Militärinvasion. Das bedeutet, dass dieser Plan, wenn er denn angewendet wird, eine Kriegserklärung darstellt, wie es der Präsident von Kubas Nationalversammlung Ricardo Alarcón ausdrückte. Er [der Plan] ist eine Kombination von nicht gestützten, vagen Gemeinplätzen, massiven Übertreibungen, Verunglimpfungen, Scheinheiligkeit und unverblümten Lügen. Er ist ein mit Tunnelblick erstelltes Ultimatum, das keinen Raum lässt für andere Sichtweisen und Perspektiven Kuba betreffend. Er beseitigt die Möglichkeit einer öffentlichen Diskussion darüber, bevor das Militär angewiesen wird, die Angelegenheit zu erledigen. Er steht in keinem Zusammenhang mit der Realität Kubas und des anderthalb Jahrhunderte dauernden Kampfes dieses Volkes für seine Autonomie. Er ist ein weiterer Ausbruch der unerbitterlichen Kuba-Propaganda-Kampagne, die unsere Regierung seit Jahren verfolgt.
Viele Amerikaner merken langsam, wie unglaubwürdig unsere Medien sind und wie wir durch sie von unserer Regierung manipuliert werden. Schließlich gilt für die meisten von uns, dass alles, was wir über fremde Länder wissen, aus unseren Medien kommt. Historisch, wenn wir unser verfassungsmäßiges Recht in Anspruch nähmen, in andere, mit uns in Frieden lebende Länder zu reisen, wären wir in der Lage, die Wahrheit selbst zu sehen und zu erfahren, oder durch Berichte ehrlicher Menschen. Im Fall von Kuba allerdings wird die Wirkung der falschen Propaganda durch das Reiseverbot auch noch exponentiell gesteigert. Unsere Regierung weiß, dass, wenn wir in der Lage wären, die Realität in Kuba zu erfahren, ihre komplette Rekolonisationspolitik sofort der Lächerlichkeit preisgegeben wäre.

3. Der Plan in seinem weiteren Kontext

Es ist unüblich, den Plan, eine souveräne Nation unterwerfen zu wollen, schon im Voraus öffentlich bekannt zu machen. Das letzte historische Beispiel, das mir dazu einfällt, ist die Veröffentlichung von Adolf Hitlers "Mein Kampf" im Jahre 1924, in dem die vorgeschlagenen Schritte nach der Übernahme Deutschlands durch die Nazi-Partei umrissen werden. Unglücklicher Weise hat das niemand in Europa ernst genommen. Die Amerikaner sollten sich fragen, weshalb unsere Regierung einen solchen Plan zu dieser Zeit bekannt macht.
Sicher, Begünstigung ist ein wichtiger Faktor. Die Geschäftswelt von Florida, die aus Leuten mit allen möglichen Wurzeln, Amerikaner, Latinos, Kubaner, besteht; betrachtet Kuba als Mitbewerber in der wichtigsten Industrie, dem Tourismus. Sie finanziert die meisten Anti-Kuba-Politiker landesweit und in Florida und bekommt dafür eine brutale Blockade, eine bösartige Kuba-Politik und sogar mehr Steuergelder.
Viele dieser Leute sehen in der derzeitigen Administration ihre letzte Chance, in Kuba die Macht wieder zu übernehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht der überladene Immobilienmarkt von Südflorida aus wie eine Bleikugel [lead balloon - soll heißen: er fällt mit der Geschwindigkeit einer Bleikugel, Anm. d. Ü.] und die Dinge im Bauwesen, Pfandrecht, Bankwesen, Tourismus, Aktienmarkt und anderen Feldern werden etwas unsicher. Wie in dem Plan vorgeschlagen, werden in Miami häufige Geschäftskonferenzen abgehalten, und sie verteilen bereits die Beute. Das Bild gleicht einem von geifernden Hunden, die nach Süden über die Straße von Florida blicken, wo es eine Insel mit 11 Millionen Arbeitern und Konsumenten gibt, die es auszubeuten gilt.
Der Plan behauptet, dass Kuba und Venezuela sich in die inneren Angelegenheiten anderer lateinamerikanischer Länder "einmischten", etwas, was die USA nie tun würden. Kein lateinamerikanisches Land hat sich darüber beschwert, und es gibt auch keinen Hinweis, der diese Anschuldigung rechtfertigt. Es ist wahr, dass Kuba Ärzte, Krankenschwestern und Lehrer schickt, um armen Menschen in Lateinamerika, der Karibik und Afrika zu helfen, aber nur auf Wunsch der jeweiligen Regierung. Die Wahrheit ist, dass einige Staaten in Südamerika nach einem Jahrhundert der Ausbeutung durch US-Konzerne unabhängige Länder werden. Die Kubanische Revolution steht als leuchtendes Beispiel dafür, dass man so etwas machen kann.
Der Plan besagt, er sei von über 100 Experten verschiedener Regierungsagenturen geschrieben und zusammengestellt worden, aber die CIA ist nicht dabei. Es gibt eine Menge guter Gründe zu glauben, dass die CIA, zumindest die Agenten, die etwas von Kuba verstehen, mit früheren Untersuchungen des Pentagons über kubanische Militäreinrichtungen übereinstimmen, wonach Kuba keine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt. Trotzdem wird ein Teil des Plans aus Gründen der nationalen Sicherheit geheim gehalten.
Wir wissen jetzt, dass die Regierung anti-kubanischen Terrorgruppen wie Alpha 66 zumindest erlaubt hat, mit leichten Waffen in und in der Nähe des Everglades-Nationalparks und anderswo Übungsstunden abzuhalten. In den vergangenen Monaten haben die Behörden von Ft. Lauderdale und Los Angeles große Lager mit Waffen gefunden, die für eine erneute Invasion Kubas vorgesehen waren. Unter den Waffen befanden sich Raketenwerfer, Bazukas, Uzis [Maschinengewehre] und alle möglichen Granaten und Maschinenpistolen. Die Besitzer wurden verhaftet, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie jemals öffentlich vor Gericht gestellt werden. Im Fall von Los Angeles kann sich das Mitglied von Alpha 66, das über 1500 Kriegswaffen besaß, damit verteidigen, dass die Waffen von der Regierung zur Verfügung gestellt worden waren.
Es gibt mehrere verschiedene Szenarien, die man dazu nutzen kann, eine weitere militärische Intervention in Kuba öffentlich zu rechtfertigen. Einer der unzutreffendsten, schädlichsten und gefährlichsten Aspekte der US-Propagandakampagne ist die Behauptung, die Kubanische Revolution sei das Werk eines einzelnen Mannes ("des Tyrannen") und das Volk auf der Insel sei versessen darauf, zur Herrschaft der Konzerne zurückzukehren. Vor einigen Jahren ergab eine Umfrage, dass 25% der aus Kuba stammenden Bevölkerung Miamis im Falle eines Führungswechsels nach Kuba zurückkehren würden.
Wenn das passiert, gibt es eindeutig die Möglichkeit eines Bootsexodus von Südflorida nach Kuba, vielleicht von Zehn oder Hundert Tausenden von Menschen. Während der Clinton-Ära hatte man in Washington, Florida und Miami Notfallpläne, um das zu verhindern, und zwar durch Einsatz der Coast Guard und anderer Agenturen. Das wird nirgends in dem Plan erwähnt, aber man kann annehmen, dass solche Notfallpläne nicht mehr existieren oder nicht angewendet werden. Die meisten dieser Boatpeople werden gesetzestreu sein, aber einige werden US-Bürger sein, die in Kuba Ärger machen und dann Hilfe durch eine Intervention der US-Regierung suchen.
Die Amerikaner wären gut beraten, wenn sie in eigenem Interesse Einfluss auf diese Administration nähmen, bevor sie nach diesem Plan handelt. Jede Invasion in Kuba führe zu einem brutalen Krieg und einem blutigen Aufstand, der erst endet, wenn sich die Amerikaner komplett zurückziehen und das US-Imperium aufhört zu existieren.

Tom Crumpacker ist Jurist, der mit der Miami Coalition to End the US Embargo to Cuba [Koalition zur Beendigung des US-Embargos gegen Kuba in Miami] zusammenarbeitet. Erreicht werden kann er unter Crump8@aol.com

Deutsch: ¡Basta Ya!

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