Adriana: "Ich bin die Stimme Gerardos, weil sie ihn zum Schweigen brachten"

Deisy Francis Mexidor, Zeitung "Juventud Rebelde"

(veröffentlicht auch auf www.antiterroristas.cu am 05.06., 2004)

Die Nachricht im Spiegel

Deisy Francis Mexidor

Sie hat nie vergessen, seinen Geburtstag mit frischen und parfümierten Betttüchern zu beginnen, weil sie noch weiß, wie sehr er diesen Duft mochte. Es war ihre Art, ihm Komplimente zu machen.

Heute ist er nicht da, doch sie wird die Laken trotzdem wechseln, denn sie ist sich sicher, dass der Duft nach Lompoc/Kalifornien gelangen wird, wo ihn die Ungerechtigkeiten dieser Welt wegen seines Kampfes gegen den Terrorismus gefangen halten, während die wahren Terroristen weiter ihre Anschläge verüben.
Heute wird sie auch der Platiceryum-Pflanze reichlich Wasser geben, die sie beide in einem September vor mittlerweile 13 Jahren gepflanzt hatten. "Das Söhnchen brachte ihn von Topes de Collantes mit und legte ihn mir auf die Handfläche.", erinnert sie sich, während ihre Augen die Pflanze mustern, die jetzt kräftig und stark geworden ist, vielleicht würde sie sich an diese Einzelheit nicht mehr erinnern, wenn er zurückgekehrt wäre. "Für uns ist es etwas ganz Besonderes, genauso wie eine Orchideenpflanze, die wir haben," sagt sie, den Faden ihres Gedankens weiter verfolgend.
"Sie keimte nicht und er riet mir, sie woanders hinzustellen, aber sie schenkte mir erst eine Blüte, als Gerardo und ich uns zum ersten Mal wieder unterhalten konnten, nachdem er in Gefangenschaft geraten war."
Adriana Pérez spricht mit Juventud Rebelde. Ihre Stimme ist ruhig, ihr Blick weich und ihr Lächeln erhellt ein Gesicht, das über den Widrigkeiten steht.
Sie spricht von "ihrer großen Liebe", zu der sie sich mit einer Bescheidenheit bekennt, die nicht den Vergleich mit den großen, berühmten Lieben beansprucht, denn "ich ziehe es vor, dass die Leute uns als zwei gewöhnliche und normale Wesen ansehen, die ihr Leben mit einander verbunden haben, mit der schönen Herausforderung, immer für einander da zu sein".

"Wie würdest Du Dir den Ablauf seines Geburtstages wünschen?"

"Es gibt nichts Besonderes, unser Leben war einfach so schon etwas Besonderes für uns. Im Allgemeinen trafen wir uns mit den engsten Freunden, und das war genug, um uns glücklich zu machen. Wir versuchten, uns etwas zu schenken, das uns fehlte oder was wir uns beide weiterhin begleiten könnte. Trotzdem pflegte ich ihm Hemden zu schenken, Bücher auszutauschen, solche Sachen...
Für Gerardo gab es nie Dinge, die einmalig für ihn wären. Man kann nicht sagen, dass er bestimmte Vorlieben hätte. Ich denke, wenn er für irgendetwas eine Vorliebe hat, ist es das Ballspiel oder wenn man ihn fragt, sagt er, dass er verrückt nach mir ist und mich leidenschaftlich begehrt.
Eine Eigenart von Gerardo ist, dass er immer versucht, in den Dingen ihren Nutzen zu sehen und dass er ihnen ihren genauen Wert für den jeweiligen Moment abgewinnen will. Erwarte niemals das Gleiche von ihm, weder die gleiche Manier noch Dinge aus Gewohnheit, es ist sehr schwierig, und das ist es, was wir uns bewahrt haben, keiner von uns beiden ist Freund von Routine."

"Handelt Ihr so, um diese schmerzliche Situation zu ertragen?"

"Nicht nur, um es ertragen zu können, vielmehr können wir auf diese Weise bei jeder Entscheidung, in jedem Augenblick wachsam bleiben. Andererseits können wir so die Entfernung zu verkürzen. Gegenwärtig haben wir es erreicht, unser beider Leben so einzurichten, als würden wir es gemeinsam verbringen."

"Seit wie vielen Jahren können sich Adriana und Gerardo nicht sehen?"

"Seit sechs Jahren. Eine Zeit, in der man weiter reift, sich neuen Situationen stellt, in der Arbeit wie im persönlichen Leben, und du fühlst, dass du es brauchst, das alles mit dem Menschen zu teilen, den du magst, etwas, was wir immer so gehalten haben. Wir haben nie damit aufgehört, uns über Entscheidungen und Kriterien auszutauschen, und noch heute, unter diesen Bedingungen für unsere Ehe, halten wir es so, per Brief oder per Telefon; es ist schwierig, aber wir machen es."

"Sechs Jahre, ohne einander zu sehen und immer wiederholt sich die Geschichte, dass man Dir das Visum verweigert, um ihn besuchen zu können."

"Es ist das vierte Mal, dass sie es mir verweigern. In diesem Jahr, 2004, habe ich keine Möglichkeit mehr, ein neues zu beantragen. Olga und ich sind diejenigen, die daran gehindert werden zu fahren, wir haben bereits den entsprechenden Antrag gestellt, die Formalitäten erfüllt, die man uns wie irgend einem anderen Bürger auferlegte."

"Aber wurdet Ihr wirklich wie irgendein anderer Bürger behandelt, der in die Vereinigten Staaten reisen möchte?"

"Also, diese Entscheidung inbezug auf Olga und mich wurde im Dezember 2003 getroffen. Wir haben seit Anfang diesen Jahres mit den Formalitäten begonnen und wir haben uns genauso benommen wie alle anderen: wir beantragten das Visum per Telefon, stellten uns dort in die Schlange, beim Büro der US-amerikanischen Interessenvertretung, nahmen an der Befragung teil ...
Nichtsdestotrotz - und jetzt kommt das große Paradoxon -, während andere Bürger gleich bei ihrer Befragung erfahren, ob sie zugelassen werden oder nicht, zögerten sie die Antwort bei uns um zwei Monate hinaus, um dann uns gegenüber das Nein mit denselben falschen Argumenten der vorherigen Male zu wiederholen.
Wir hielten uns daran, uns als ‚normale’ Personen darzustellen, aber es gab einen Unterschied in der Behandlung uns gegenüber."

"Wie kommt jemand darauf, zu denken, dass Du eine Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten sein kannst?"

"Die Personen, die uns heute das Recht verweigern, einander zu treffen, ignorieren das Bedürfnis, das Gerardo und ich haben, uns zu sehen und uns zu berühren.
Ich könnte niemals eine Gefahr sein, weder für die Sicherheit der Vereinigten Staaten noch für irgendeinen anderen Ort; weil das einzige, was mich je motiviert hat, liebevolle Gefühle sind, und das gilt erst recht für die Dinge, die mit Gerardo zu tun haben.
Es wäre unlogisch und schwer zu glauben, wenn man mir erlaubte, in dieses Land zu reisen und meinen Mann zu besuchen, dass meine Absicht dabei nicht humanitär wäre, so etwas passt nur in die Köpfe derer, die darauf bestehen, uns zu bestrafen.
Gerardo hat durch die ungerechte Strafe, die sie ihm am 12. Dezember 2001 auferlegten, zweimal lebenslänglich erhalten, aber sie verurteilten uns zu einer weiteren lebenslangen Strafe, als sie damit anfingen, mir die Möglichkeit zu verweigern, ihn zu sehen.
Als ich 2002 in Houston über elf Stunden festgehalten wurde und er mich für den nächsten Tag erwartete, Du magst es Dir nicht vorstellen, wie ich mich fühlte, das war auch eine Strafe. Es war, als ob sie ihm ins Gesicht schleudern würden: ‚Wir haben sie hier, wir können mit ihr machen, was wir wollen, und am Ende wirst Du sie nicht sehen.’
Aber mich verurteilten sie, obwohl ich nicht einmal irgendwelche, in ihre Bundeszuständigkeit fallende Anklagepunkte aufweise, mich, gegen die nicht ein einziger Prozess in den Vereinigten Staaten eröffnet wurde.
Ich glaube, dass die größte Angst der nordamerikanischen Regierung die Liebe war, zu der Gerardo und ich uns bekennen. Selbstverständlich heißt das für sie auch, von solchen Gefühlen bewegte Menschen zerstören alle Grenzen und überwinden alle Hindernisse.
Aber ich bin Teil auch dieses Problems, ich bin die Stimme, die sie bei ihm zum Schweigen gebracht haben. Darin besteht ja der Kampf, die Werbung für Gerechtigkeit an jeden Ort der Welt zu tragen, einschließlich der Vereinigten Staaten. Deswegen haben sie keine andere Alternative, als Olga und mich zu beschuldigen, ‚Terroristen’ zu sein, und eine ‚Gefahr’ für die nationale Sicherheit."

"Nun zu der neuen Anzeige für die Fünf und zu der Mauer des Schweigens."

"Der Regierung der USA gefällt es nicht, dass man die Wahrheit über diese Männer verbreitet, über die heute inhaftierten Kämpfer gegen den Terrorismus, weil das der ganzen Kampagne widerspricht, die diese Regierung selber führt. Seit drei Jahren kämpfen wir darum, diese Wahrheit innerhalb des nordamerikanischen Volkes bekannt zu machen, das manipuliert wird und sehr schlecht informiert ist.
Es kostete viel Arbeit, die erste Anzeige in der New York Times zu veröffentlichen; ich denke, dass es in der Diario La Prensa ein wenig leichter geht. Die Anzeige ist sehr wichtig, um das Bewusstsein zu mobilisieren."
"Hattest Du in letzter Zeit die Möglichkeit, mit Gerardo zu sprechen?"
"Die Verständigung zwischen uns ist sehr beschränkt, aber diese kleinen Momente nutzen wir. Der Mut steigt weiterhin. Er versucht, sich bei guter Gesundheit zu halten, aber es gibt etwas, was ihm Sorgen macht, und das sind die Briefe.
Es schmerzt ihn, nicht mit den hundert und aber hunderten von Menschen Briefe wechseln zu können, die ihm schreiben und nicht nur ihm, sondern auch Antonio, Ramón, Fernando und René. Sie bitten darum, dass Ihr Geduld habt, und möchten, dass alle, die ihnen schreiben, wissen, dass sie ein Plätzchen im Herzen der Fünf haben, dass jeder empfangene Brief ein Anlass zum Durchatmen, eine Unterstützung unter den schwierigen Bedingungen des Gefängnisses ist.
Ich denke, dass diese positive Energie in diesem Kampf für ihre Befreiung siegen muss. Die Fünf gehören schon dem gesamten Volk von Cuba. Das wissen sie und das hilft ihnen, und sie fühlen gegenüber allen Kubanern, die sie verehren, eine Dankesverpflichtung, die sie nicht enttäuschen wollen.
Sie bitten darum, dass Du sie entschuldigst, wenn sie einen Brief nicht unmittelbar beantworten, aber es wird eine Antwort geben, so wie sie dazu in der Lage sind und mit der Tatkraft, die sie aufrechterhalten.

"Was wirst Du diesen verblendeten Personen sagen, die verhindern, dass sich Adriana und Gerardo treffen?"

"Dass sie unsere Liebe steigern werden. Alles, was sie getan haben, hat bewirkt, dass diese gegenseitige Liebe stärker geworden ist, vielleicht haben sie das Gegenteil erreicht von dem, was sie erwarteten. Es bestand darin, den Mann, die Frau, das Paar zu schwächen, ihnen ihre Kraft zu nehmen, und es hat zum Gegenteil geführt. Und nicht, weil wir es uns vorgenommen hatten, sondern weil das Bedürfnis, uns zu treffen, unsere Träume intensivierte und uns darin bestärkte, weiterhin auf unsere Begegnung zu hoffen."

"Gehen wir einige Jahre zurück, zu der jüngeren Adriana, die auf einen Bus wartet, als sich ihr ein Junge nähert und ihr ein Gedicht schenkt. Bereust Du es, Gerardo kennen gelernt zu haben?"

"Das niemals. Niemals werde ich bereuen, ihn kennen gelernt, geheiratet und ihm all diese Jahre gewidmet zu haben. Die gegenseitige Hingabe ist die Frucht einer großen Liebe; ohne Zweifel hätten wir ohne diesen Stützpfeiler so einer Entfernung, solcher Trennung, solchen Beschränkungen und Repressionen nicht trotzen können.
Heute konnte ich ihn nicht physisch sehen, aber ich habe ihn bei mir jeden Tag meines Lebens, er bewegt sich um mich herum, wie er duscht, isst, schläft, ein Problem mit mir diskutiert, wie er mir Komplimente macht, eine Pflanze berührt ...
Ich bin an irgend einen Ort gegangen und habe an seine Arme gedacht, und ich bin an einer Haltestelle in irgendeiner Straße stehen geblieben, um mich an die Küsse zu erinnern, die er mir gab.
Unsere Liebe wird täglich genährt, sie nährt sich von Einzelheiten. In der Zeit, die wir zusammen verbrachten, schenkte er mir zum Beispiel Blumen, und ich schenkte ihm ein gutes Essen, er schenkte mir ein Gedicht, und ich übermittelte ihm eine Nachricht über den Spiegel ..."

"Welche Nachricht möchtest Du ihm heute über den Spiegel vermitteln?"
"Eine, die von hier ausgeht" (und sie deutet auf die Stelle ihres Herzens).

Deutsch: ˇBasta Ya!

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