Brief von Antonios Schwester Maruchy

Liebe Freunde der Solidarität:

Wieder einmal waren wir Zeugen des Risikos, dem unsere fünf unrechtmäßig in den Vereinigten Staaten gefangen gehaltenen Brüder ausgesetzt sind.
Maruchy=
Maruchy, Dezember 2006
Foto: Brüning
Meine Mutter und ich kamen am 28. April von unserem 21-tägigen Aufenthalt in Colorado zurück. Wir hatten geplant, Tony freitags, samstags und sonntags, an den Besuchstagen der Strafanstalt in Florence, in der er inhaftiert ist, insgesamt neun Mal zu besuchen.
Leider konnten wir die geplanten Besuche nicht machen, weil es während unseres Besuches am Sonntag, dem 20. April, etwa um 12:30, einen schweren Zwischenfall gab, der unseren Besuch unterbrach und in einem "Lockdown" [Zelleneinschluss, Anm. d. Ü.) endete. Während wir im Besucherraum saßen, konnten wir eine schnelle Abfolge von Schüssen und auch Geschrei hören. Meine Mutter war währenddessen gerade auf der Toilette, und mein Bruder bat mich, ihr nicht zu erzählen, dass wir Schüsse gehört hatten. Die Wachen erhielten einen Anruf und verkündeten, dass die Besuche wegen eines Zwischenfalls im Gefängnis beendet wären. Meine Mutter kam zurück, und wir erzählten ihr die Neuigkeit, doch im selben Moment konnte man erneut mehrere Schüsse hören. Sie hielten uns dann dazu an, uns nicht zu bewegen. - Es war fast 3:00 nachmittags, als 10 Wachmänner hereinkamen und uns befahlen zu gehen, drei von ihnen begleiteten die Besucher aus den Familien hinaus.
Vor der Tür, außerhalb des Raumes mussten wir uns an die Wand drücken, um die Wachen mit den Tragen passieren zu lassen. Wir erkannten, dass es sich um eine sehr ernste Lage handelte.
Nach dem Verlassen des Gebäudes sahen wir draußen eine Ambulanz, Notfallkrankenwagen und viele Fahrzeuge.
Es gab dort wohl über 60 Beamte, die auf den Notruf reagiert hatten.
Wir waren kaum dazu in der Lage, Tony auf Wiedersehen zu sagen, während er gefasst blieb und uns bat, ruhig zu bleiben. Er sagte uns, dass ein "Lockdown" sicher sei und wir die Kommunikation mit ihm verlieren könnten. Und das geschah dann auch.
Am Montag gab der Fernsehsender "Univision"- die Meldung heraus, dass sich ein schwerer Vorfall in der Strafanstalt von U.S.-Florence ereignet habe, dass zwei Gefangene getötet und etliche andere durch die Schüsse der Wachhabenden verwundet worden seien. Am Dienstag veröffentlichte die Zeitung "Gazette" von Colorado die Nachricht auf der Titelseite: Über 200 Gefangene seien in einer gewaltsamen Auseinandersetzung verwickelt gewesen, unter ihnen eine Gruppe, die den Geburtstag Adolf Hitlers feierten und andere rassistische Gruppen, so erläuterte die Zeitung. Zwei Gefangene seien getötet, fünf verwundet und über das Gefängnis sei für unbestimmte Zeit der "Lockdown" verhängt worden.
Das einzige, was uns tröstet, ist, dass wir wissen, dass mein Bruder zur Zeit des Zwischenfalls gemeinsam mit uns im Besuchsraum war, aber wir wissen jetzt auch, wie sehr unsere Brüder jeden Tag ihr Leben riskieren.
Sie sitzen in diesen Gefängnissen Strafen ab, ohne je jemandem Schaden zugefügt zu haben, nach ungerechten Urteilen zu Anklagen, die nie bewiesen wurden, in einem Verfahren, das von der cubano-amerikanischen Mafia manipuliert wurde, die ihrerseits wieder von der US-Regierung unterstützt wird.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich im letzten Januar im Bundesgefängnis von Beaumont, in dem Ramón einsitzt. Seine älteste Tochter Aili war dort hin gereist, um ihn zu besuchen. Nur wenige Tage bevor sie ankam, gab es einen Kampf, der den Tod von zwei Gefangenen verursachte.
Aili blieb dreißig Tage in der Stadt, die Zeit, die ihr auf ihrem US-Visum bewilligt worden war. Sie musste zurückkehren, ohne ihren Vater wegen des aufgrund des schweren Zwischenfalls verlängerten Lockdowns besuchen zu können. Sie war nie in der Lage, Kontakt zu ihm aufzunehmen.
Zehn Jahre Gefängnis und wir warten immer noch auf eine Entscheidung des 11th Circuit Court of Atlanta über die dritte Berufung in dem Fall. Trotzdem bleiben unsere Brüder mutig, optimistisch und voller Würde, indem sie die Zeit für andere nützliche Sachen nutzen. Sie malen, lesen, beantworten die Briefe all' ihrer Freunde in verschiedenen Teilen der Welt, versichern ihren Müttern, Kindern, Frauen und anderen Familienmitgliedern ihrer Liebe und sind der Überzeugung, eine gerechte Sache zu verteidigen, um Terrorismus und Tod zu verhindern und eine Welt des Friedens zu garantieren.
So schwer es für meine Mutter auch sein mag, solche Augenblicke zu erleben, so ist sie doch auch würdevoll und mutig aufgrund des Trostes und der Hoffnung, die ihr Sohn ihr gibt. Aber sie ist in Sorge wegen ihres Alters von 76 Jahren, weil sie gegen die Zeit kämpft und versucht, gesund zu bleiben, damit sie es noch erlebt, wenn ihr tapferer und liebender Sohn zurück kommt.
Freunde der Solidarität, es sind bereits zehn lange Jahre vergangen, ihr seid unsere Hoffnung, sicher zu stellen, dass die Fünf nach Hause zurück kommen.

Mit all' unserer Zuneigung und Dankbarkeit, eine Umarmung der Familien der Cuban Five

Maruchy, Schwester von Antonio Guerrero

Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb, db)

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