Brief von Irmita Gonzáles Salanueva, der Tochter von René González Sehwerert,
an den kubanischen Musiker Tony Avila

Juni 2014

Ich habe gerade einen Teil des Fernsehprogramms [auf dem Kanal 41 aus Miami] gesehen, in dem man dich beschuldigte, die "Damen in Weiß" zu beleidigen, und ich kann nicht vermeiden, mich der Angriffe zu erinnern, denen meine Familie im September 1998 ausgesetzt war, als sie meinen Vater festnahmen.
Jene Ereignisse hinterließen in mir eine so schmerzhafte Spur, dass ich nur wenig darüber spreche. Trotzdem, als ich deinen mich beeindruckenden Gesichtausdruck sah, überrascht von einem unerwarteten Angriff aus Beleidigungen und Lügen, konnte ich es nicht verhindern, noch einmal den Hass zu durchleben, dessen Opfer wir schon einmal waren.

Deshalb schreibe ich dir diese Zeilen.

Ich war etwa 14 Jahre alt, als Ninoska Perez, die dich in den jetzigen Momenten mit Schmähungen überschüttete, die man besser nicht wiederholt, meine Mutter anrief, um sie zu beleidigen. Das FBI hatte praktisch gerade die Festnahme meines Vaters vollzogen, und wir beide waren mit meiner Schwester im Alter von 4 Monaten allein mit einem Angstgefühl, das immer unerträglicher wurde, als das Telefon klingelte und die Stimme jener Frau fragte: "Wie fühlt man sich als Frau eines Spions?"
Dann malten sie Sichel und Hammer an unsere Tür, und die selben Fernsehkanäle, die dich heute anklagen, machten alle glauben, dass wir die Urheber dessen waren. Zur gleichen Zeit versuchte man, mit einem Drohanruf, den Chef meiner Mutter zu überzeugen, dass er ihr kündigen solle, ohne zu bedenken, dass dies der einzige Lebensunterhalt für sie und ihre beiden Töchter war.
Die Zeitspanne, in der wir auf dem Parkplatz des Gerichtshofes von Miami-Downtown waren, wo die erste gerichtliche Anhörung im Falle meines Vaters stattfinden sollte, war einer der für mich angespanntesten und längsten Momente meines Lebens, weil uns die Presse kaum weitergehen ließ, uns bedrängte und uns mit jeder Art von Fragen belästigte, während wir einfach nur erfahren wollten, ob es meinem Vater gut ginge.

Wenn es keine Gewalt ist, dass man sich leichtsinnig und rücksichtslos in das Leben einer Frau und zweier Mädchen drängt, die mitansehen mussten, wie man eines ihrer geliebten Wesen gewaltsam festnahm, ohne dass deren Leiden berücksichtigt würden, was ist es dann?

Wenn es keine Gewalt ist, dass man einen Verhafteten unmittelbar diffamiert, dessen Jury zu den Personen gehören könnten, die die Sendung hören, in der sein Name in Verbindung mit Spionage gebracht wird und wenn die Verletzlichkeit seiner Angehörigen missbraucht wird, was ist es dann?

Wenn es keine Verletzung der Menschenrechte ist, Informationen zu manipulieren und Erpressung einzusetzen, um ein offensichtlich herzloses Ergebnis zu erreichen, was ist es dann?

Das "Gericht" des Programms "Arrebatado" [mitge-, fort- oder entrissen, auch aufgebracht, wutentbrannt (?)] - ich erinnere mich an jene Staatsanwälte, die meinen Vater und seine Brüder aburteilten, nie brauchten sie Beweise, um sie zu bestrafen. Es reichten der Hass und die Macht für sie aus. Jene Herren, die versuchten, dich ebenso zu behandeln, wollten ihre Lügen mit Vulgarität und Verbreitung von Vorurteilen kompensieren. Du tatest gut daran zu gehen, man kann gegenüber Personen nicht argumentieren, die sich so arrogant aufführen und die glauben, dass sie nichts zu begründen brauchten. Und solche Leute nennen sich Verteidiger der Meinungsfreiheit! Ich habe nicht wahrgenommen, dass sie dir eine Pause ließen, die lang genug gewesen wäre, damit du deine Argumente hättest ausführen können.

Heute traf es dich, Ziel von Verleumdungen und Manipulationen zu sein, aber ich bin sicher, dass dein guter Mut und überwiegender Humanismus keinen Schaden nimmt, weil - wie mein Vater zu sagen pflegt: "Scheiße keine Spur hinterlässt."

Mein Fall ist anders, jene Aggressionshandlungen hinterließen eine unauslöschliche Markierung, aber ich war damals gerade ein Mädchen, und zum Glück machten Millionen solidarische und noble Aktionen aus mir eine fröhliche und optimistische Person. Heute weiß ich, dass es in genau derselben Stadt, in der es Personen voller Wut gibt, auch viele Personen voller Liebe und Gerechtigkeit leben. Ich bedaure nur, dass du jenen nicht deine Musik schenken konntest. Ich bin sicher, dass du sie erobert hättest. Leider haben diejenigen, die dich umzingeln wollten, ihnen dieses Privileg vorenthalten. Aber es ist logisch: Wenn man ein so versteinertes Herz hat, kann man den spirituellen Wert eines Werkes mit so viel Licht nicht anerkennen, das Wesentliche bleibt unsichtbar.
Sie fragten dich nach den Balseros [Menschen, die Kuba insbesonder in der Hochzeit der Sonderperiode oft auf selbst gebauten Flößen illegal verließen, Anm. d.Ü.]. Was sie damit beabsichtigten, ist klar: deine Verse zu manipulieren, um sie zu verteufeln. Ich frage sie: Warum baten sie dich nicht, [das Lied-d.Ü.] "Mutter" zu singen? Wenn sie ehrlich wären, wäre die Antwort, dass, wer ein so über alles erhabenes Thema besingt, der kann keine Frau verletzen wollen.

Kehre hoch erhobenen Hauptes nach Kuba zurück. Dein Publikum hier ist so unterschiedlich, es kommt von da und dort, es lebt in allen Landesteilen, es weiß, dass all das, womit man dich benennt, eine Farce ist.

Singe für diejenigen weiter, die dir mit Integrität und Schlichtheit in dem folgen, was dich charakterisiert und nimm es als deren persönliche Angelegenheit, denn dieser Kleinkrieg, den sie dir antaten, hat schon viele würdige Männer hervorgebracht.

Das wird nur zeigen, dass du einer von ihnen bist.

Eine Umarmung

Irma González Salanueva

Deutsch: ¡Basta Ya! (jg)

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