Rede von Lucius Walker auf der Tribüne vor der Interessenvertretung der Vereinigten Staaten während des II. Welttreffens der Freundschaft und Solidarität mit Kuba
(10. - 14.11.2000)

Herzliche Grüße an Euch alle, besonders an den Kommandanten Fidel Castro, Sergio Corriei und den ganzen Stab vom ICAP, der dieses wundervolle Ereignis organisierte, an alle Delegierten auf der Konferenz und an die wunderbaren Menschen von Kuba.
Daß ich heute auf diesem Platz stehe, bewegt mich tief. Es ruft Erinnerungen an 1993 in mir wach, als 14 US-Bürger in Laredo, Texas, ihre Solidarität mit Kuba durch einen Hungerstreik zum Ausdruck brachten.
Dieser Hungerstreik war eine unmittelbare Antwort auf die Beschlagnahmung eines kleinen gelben Schulbusses durch die US-Regierung, den wir nach Kuba liefern wollten. Dieser Hungerstreik dauerte 21 Tage. Aber am 10. Tag kamen Brüder und Schwestern in Kuba auf genau diesem Platz hier zusammen und begannen einen Hungerstreik aus Sympathie mit uns in Laredo, Texas.- Auf dieser Seite dauerte das Sympathiefasten 11 Tage. Im Geiste ehre ich diesen Ort als geheiligten Boden. Hier wurde ein Beispiel gegeben. Es vereinigten sich die feste Entschlossenheit der Kubaner und die der Nordamerikaner, um der US-Blockade zu trotzen.
Heute seht Ihr hier einen aus Stahl und Steinen errichteten Pavillon. Aber ich schaue 7 Jahre zurück, und ich sehe die verletzlichen Körper und die kühne Geisteshaltung von 14 US-Bürgern und die Hoffnungen kubanischer Bürger, die der kühne Widerstand gegen den US-Imperialismus mit einander verbindet. Ich sehe Raul Suarez, Juan Ramon de la Paz, Sergio Arce, Clarita Rodes und andere. Und ich sehe, wie Fidel Castro unter ihnen auf und ab geht, als ein lebendiges Zeugnis ihrer Leiden, um ihr Ziel zu unterstützen, die Ungerechtigkeit der Vereinigten Staaten zu beenden.
Heute seht Ihr mich vor der Interessenvertretung der USA stehen, die ein Symbol für Arroganz, Ignoranz, Unverschämtheit und Isolation ist. Ich betrachte mich selbst als Repräsentanten jener kühnen Schwestern und Brüder in Kuba und in den USA, die sich in einem wundervollen Akt der Solidarität 1993 auf diesem Platz zusammenschlossen: Peggy Valdez, Abe Galo Rone, Hilda Roberts, Milton Reid, Lisa Valanti und andere. Ich stehe hier auch als Repräsentant für Millionen Nordamerikaner, die sich damals anschlossen und sich jetzt zusammengeschlossen haben zu einer zukunftsweisenden Herausforderung an den unmoralischen Machtmißbrauch der Vereinigten Staaten, der nicht nur gegen Kuba gerichtet ist, sondern rund um die Welt angewendet wird.
Dieser Hungerstreik 1993 war auf seine Weise ein antiimperialistisches Tribunal. Und wir befanden die Vereinigten Staaten für schuldig wegen des Versuchs, die Sehnsüchte beider Seiten zu zerstören, die der kubanischen Leute und die seiner eigenen Bürger, die einfach nur das biblische Mandat zu erfüllen suchten, nämlich "nicht nur in Worten zu lieben, sondern auch in Taten und in Wahrheit."
Wir befanden die Vereinigten Staaten für schuldig, nicht nur den kleinen gelben Schulbus zu stehlen, sondern auch dafür schuldig, ein Jahr zuvor das Torricelli-Gesetz verabschiedet zu haben.
Wir befanden sie für schuldig, 1.700 Flüge der "Brothers to the Rescue" über kubanischem Hoheitsgebiet erlaubt zu haben. Wir befanden die Vereinigten Staaten für schuldig, Hunderttausende ihrer eigenen Bürger hungrig und obdachlos sein zu lassen und gleichzeitig andere Nationen wegen deren Hunger und Obdachlosigkeit zu kritisieren.
Damals, 1993, befanden wir die Vereinigten Staaten für schuldig, fast 40 % ihrer eigenen Bürger ohne Krankenversicherung sein zu lassen und gleichzeitig zu versuchen, Kuba zu zerstören, das ein kostenloses Gesundheitsversorgungssystem für alle bereitstellt. (Applaus)
Wir befanden die Vereinigten Staaten für schuldig und zwar der rassistischen Aggression zuhause und des Exports von Rassismus in die ganze Welt.
Und damals befanden wir die Vereinigten Staaten für schuldig, in Columbus, Georgia, eine amerikanische Schule zu betreiben, in der Folterknechte, Mörder und Meuchelmörder ausgebildet werden, um die Schwestern und Brüder in Zentral- und Südamerika umzubringen, die einfach nur Freiheit und Demokratie zu erlangen versuchen und eine Befreiung von der Diktatur, die die Vereinigten Staaten dort an die Macht gebracht hat. (Applaus)
Damals befanden wir die Vereinigten Staaten für schuldig, ihre eigene schwarze Jugend einer solchen Gefahr auszuliefern, eine grundsätzlich gefährdete Spezies zu sein. Wir befanden die Vereinigten Staaten für schuldig, Mumia Abu Jamal fälschlicherweise inhaftiert zu haben und zu versuchen, ihn zu töten, ohne ihm eine faire Verhandlung zu gewährleisten.(Applaus)
Wir befanden die Vereinigten Staaten für schuldig, mehr als 300 politische Gefangene in ihrem System inhaftiert zu halten. Damals befanden wir die Vereinigten Staaten für schuldig, mehr als 2 % ihrer gesamten Bevölkerung in Gefängnissen festzuhalten.
Und heute, sieben Jahre später, kommen wir zu einem erneuten Tribunal zusammen: Und die Vereinigten Staaten sind IMMER NOCH schuldig! (Applaus) Schuldig wegen grober Verletzungen der Menschenrechte in ihrem eigenen Land und in den Ländern rund um diesen Globus.
Wir stellen heute fest, daß mehr als zwei Prozent der US-Bürger in den Gefängnissen sind, eine Zunahme nach 1993.
Es mag seltsam erscheinen, aber vielleicht auch nicht so seltsam, daß 85 % von denen, die in US-Gefängnissen sind, ganz zufälligerweise Schwarze, Latinos oder Indianer sind. Deswegen befinden wir die Vereinigten Staaten für schuldig! (Applaus, Rufe:"Schuldig, schuldig!)
Und im Jahr 2000 sind wir traurig, berichten zu müssen, daß Mumia Abu-Jamal immer noch im Todestrakt sitzt, ihm eine neue Gerichtsverhandlung verweigert wurde, die ihm zusteht, angesichts der sich anhäufenden Beweise dafür, daß er ungerechterweise verhaftet und beschuldigt wurde. Und aus diesem Grunde befindet dieses Tribunal die Vereinigten Staaten für schuldig. (Applaus) Schwarze junge Männer sind in den Vereinigten Staaten nicht nur eine gefährdete Spezies, sondern sind heute Opfer von Rassismus und Mord durch die Polizei. Und deswegen sprechen wir die Vereinigten Staaten schuldig.
Während sie die US-Bevölkerung und die Weltöffentlichkeit belügen und behaupten, es gäbe kein Wahlsystem in Kuba, können die Vereinigten Staaten nicht einmal eine faire Wahl für ihren eigenen Präsidenten bestreiten. Und deswegen halten wir sie für schuldig. (Applaus) Eine frühe Stimmenauszählung während der Wahlen in Florida hat die massive Korruption und den Diebstahl von Stimmen entlarvt. Das ist es, was die Vereinigten Staaten Demokratie nennen. Während die meisten US-Kongressabgeordneten behaupten, das kubanische Wahlsystem nicht zu kennen, wurden bei einer Nachzählung in einem Bezirk der West Palm Beach 1900 neue Stimmen für Gore gefunden (bzw. "entdeckt", wie Columbus Amerika "entdeckte"). Ich nehme an, daß, wenn sich einer vornimmt, die Präsidentschaftswahl in Florida zu gewinnen, würde es ihm helfen, wenn sein eigener Bruder der Gouverneur des Staates wäre. Wegen dieser massiv korrupten Schweinerei, die wir Wahlen nennen, sollte dieses Tribunal die USA für schuldig erklären, dafür, daß sie kein demokratisches Wahlsystem hat. (Applaus, Rufe: Schuldig, schuldig!") Dies sollte der Anfang einer Kampagne sein, die Farce zu beenden, die wir Electoral College (Wahl-Kollegium) nennen. Wir sagen der US-Regierung: "Laßt ein System von direkter Stimmabgabe zu. Laßt in den Vereinigten Staaten die Stimme jeder Person zählen, so, wie es in Kuba geht. (Applaus) Ich habe einen Vorschlag: Ich schlage vor, daß Kuba seine Kinder zur Überwachung der Eintragungen in die Wahllisten schickt. Und dann schlage ich vor, daß Kuba ein Expertenteam für demokratische Wahlen in die USA entsendet, um den Vereinigten Staaten dabei zu helfen, neue Wahlgesetze zu schreiben. (Applaus)
Es ist Zeit für einen Wandel. Es ist Zeit, daß die USA dem kubanischen Beispiel folgen, von Fall zu Fall. Ich nehme an, daß einige unserer Nachbarn im Westen zuhören (zeigt zur Interessenvertretung). Ich hoffe, sie hören, was ich als nächstes sage. Wäre es nicht wunderbar, wenn die Vereinigten Staaten die School of the Americas schließen (Applaus) und die SOA in ein medizinisches College umwandeln müßte, wo eine kostenlose Schulzeit für Schwarze, Latinos und amerikanische Ureinwohner angeboten würde und für Studenten aus der Dritten Welt? (Applaus, Rufe: "Ja!") Was wäre, wenn die USA, statt Geschäftsleute in andere Länder zu schicken, mehr noch, statt Soldaten und militärische Unterstützung für Diktatoren und undemokratische Regierungen rund um den Erdball, sich entschließen würden, seine reichlichen Ressourcen zu nutzen, so, wie es Kuba tut, um Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, wenn sie Fachleute, wie Ingenieure, Ärzte, Techniker und Architekten in die 3. Welt schickten? Wäre es nicht wundervoll, wenn die USA das ganze Geld nähmen, das sie dafür brauchen, Kuba zu destabilisieren, dafür nutzten, Harlem aufzuräumen, die Slums von Washington D.C., um eine angemessene Erziehung für die armen Kinder der USA zu gewährleisten?
Gut, wir müssen fragen, warum ist die USA so krankhaft davon besessen, Kuba zu zerstören? Ich denke, die Antwort darauf ist einfach. Vor allem ist Kuba ein gutes Beispiel, das der Kapitalismus nicht tolerieren kann. Was passierte, wenn das kubanische Modell für Entwicklung, Gesundheitsvorsorge, für Erziehung und Bildung und die bevorzugte Nutzung seiner Ressourcen für die eigene Bevölkerung, statt für die Rückzahlung hoher, unbezahlbarer Schulden an die Weltbank und das IWF, was wäre, wenn das kubanische Modell nachgeahmt würde, modifiziert und angepaßt auf Haiti, auf Jamaica, über die Karibik hinaus auf Zentralamerika, Südamerika, bis über Afrika und Asien ausgeweitet würde? (Applaus) Oh, wenn Bill Gates und andere Multimillionäre der USA, wenn Bankbesitzer und Verbände diesem Tribunal zuhörten, ich könnte mir vorstellen, daß ihnen die Knie schlotterten! Denn die Wandlung dahin, seine Ressourcen auf die Art zu nutzen, wie es Kuba tut, wäre wahrhaftig revolutionär.
Es gibt mehrere Antworten auf meine Frage: Warum sind die USA so krankhaft davon besessen, Kuba zu zerstören? Denn, als Afrika rief, antwortete Kuba. Als die Mächte der Apartheid ganz Südafrika in ihre Gewalt bringen wollten, wer antwortete? Wer schlug die Truppen der Apartheid? Es war Kuba. Laßt uns Kuba die Hand reichen für das, was es getan hat, um die Welt vor der Apartheid zu retten. (Applaus, Rufe: "Kuba, Kuba!")
Jene von uns in den Vereinigten Staaten empfinden eine besondere Wertschätzung für Kuba. Als einige unserer afroamerikanischen Freiheitskämpfer eine Zuflucht vor dem Rassismus des ungerechten Systems der USA brauchten, - Kuba gab ihnen diese Zuflucht. Kein anderes Land hat dem Monster im Norden so erfolgreich widerstanden. Kuba steht für eine fortschrittliche Stimme der 3. Welt, gegen neoliberale Globalisierung, gegen Privatisierung. In den Vereinten Nationen ist Kubas Stimme diejenige, die am geschicktesten und wirksamsten nach Schuldenerlass für die 3. Welt ruft. Kein Wunder, daß die Banker Kuba nicht mögen. (Applaus)
Wir sollten es zu würdigen wissen, daß Kuba uns den Weg wies. Und was sollten wir als solidarische Gemeinschaft tun? - Es ist wunderbar, zu einer Solidaritätskonferenz zu kommen, aber wäre es nicht noch viel großartiger, wenn wir unter uns Konferenzabgeordneten beschlössen, unsere Solidaritätsbemühungen zu VERDOPPELN? (Applaus) Kuba ist eine Verpflichtung eingegangen. Kuba erfüllt seine Verpflichtungen. Und die Vereinigten Staaten, manipuliert vom rechten Flügel der kubanischen Amerikaner im US-Kongress, die um die Isolierung der Vereinigten Staaten fürchten und die sich durch die schönen, wunderbaren Erfolge der kubanischen Revolution bedroht fühlen, ringen um ihren letzten Atem. Sie kämpfen wie sterbende Männer und Frauen um ihr Leben. Sie haben den demokratischen Fortschritt im US-Kongress untergraben. So machten sie es, als es um den letzten Verbesserungsantrag für Nahrung und Medizin ging. Das war kein Fortschritt, keine Vorwärtsbewegung in Richtung auf ein Ende der Blockade, wie es uns die US-Administration glauben machen wollte. Es war ein Rückschritt. Aber sie fechten gerade die letzten Grabenkämpfe aus. Was müssen wir tun?
Wie ich schon sagte, wir müssen unsere Bemühungen verdoppeln. Wir müssen kühner widerstehen. Ich sage, besonders zu den US-Abgeordneten dieser Konferenz, wir haben eine Verantwortung, mit der Unterstützung einer doppelbödigen Politik der US-Regierung aufzuhören, deren traditionelles Ziel es ist, Kuba zu destabilisieren. Ich sage zu denen von uns, die aus den USA kommen, wir sollten uns weigern, das Monster um Erlaubnis zu bitten, nach Kuba kommen zu dürfen. (Applaus) Wir sollten aus einer tief im Herzen empfundenen Solidarität nach Kuba kommen, ohne gesetzliche Genehmigung, ohne Erlaubnis, denn es ist richtig so. Denn es geht um eine revolutionäre Sache! Wir können uns nicht Revolutionäre nennen und gleichzeitig mit Kubas größtem Feind kooperieren. Ich rufe uns alle dazu auf, kühner gerade zu stehen, sich zukunftsträchtiger im Kampf gegen die US-Blockade zu engagieren. Ich rufe alle dazu auf, die sich der Karawane von Pastors for Peace anschließen wollen, zu einer kühnen Herausforderung der US-Blockade im Juli des Jahres 2001.
Wir müssen kämpfen. Es wird nicht leicht sein. Die US-Regierung wird versuchen, uns aufzuhalten, aber wir sollten uns daran erinnern, daß noch nie irgendeine soziale Verbesserung gewonnen wurde wegen einer plötzlichen menschlichen Rührung der Banker, der Privateigentümer, der Kapitalisten oder der Kongressmitglieder. Jeder Schritt, den wir vorwärts machten, wurde im Kampf gegen die Macht gegangen.
Abschließend möchte ich Euch die Worte eines der größten Afroamerikaner hinterlassen, des wirklich größten Amerikaners des 19. Jahrhunderts, die von Frederick Douglass:
"Die ganze Geschichte des Fortschritts in Richtung Befreiung der Menschheit zeigt, daß alle Zugeständnisse, die ihren herausragenden Forderungen schon gemacht wurden, aus ernsten Kämpfen geboren wurden... Ohne Kampf gibt es keinen Fortschritt. Jene, die dozieren, die Freiheit zu bevorzugen und noch die Agitation mißbilligen, sind Menschen, die ernten wollen, ohne vorher den Boden zu pflügen, sie wünschen sich Regen, ohne Donner und Blitz. Sie möchten den Ozean, ohne das schreckliche Brausen der Wassermengen.
Dieser Kampf mag ein moralischer oder ein physischer sein, und er kann auch beides sein, aber es muß ein Kampf sein. Macht ist ohne Anfechtung zu keinem Zugeständnis bereit. Sie war es nie und wird es nie sein. Finde heraus, was sich, welche Leute auch immer, ruhig gefallen lassen, und du findest das genaue Quantum an Ungerechtigkeit und Falschheit, das ihnen auferlegt werden wird, und das wird solange fortgesetzt, bis sie sich zur Wehr gesetzt haben, entweder mit Worten, Schlägen oder beidem. Die Grenzen der Tyrannen werden von der Duldsamkeit derer gesteckt, die sie unterdrücken."
Lang lebe der Kampf der Kubaner! (Applaus und "Viva"-Rufe) Lang lebe das schöpferische Beispiel der kubanischen Revolution! Lang lebe die Weisheit und die von Herzen kommende Sorge um die Armen dieser Welt Fidel Castro's! (Applaus und "Viva Fidel"-Rufe") Lang lebe die Schönheit, die wir in den Gesichtern kubanischer Kinder sehen. Sie sind die Revolution. Lang lebe die Solidarität. Möge sie aus allen Teilen der Welt klingen. Laßt sie sich verdoppeln, und mögen wir die Früchte dieser Revolutionsblume in einer Nation nach der anderen zu sehen bekommen, bis das Königreich und die imperialistischen Herrscher dieser Welt den Weg freigeben für die Revolution der Hoffnungen und Sehnsüchte der Armen dieser Welt. Gott segne Euch. (Standing ovation, Applaus)

Autorisierte Übersetzung: Josie Michel-Brüning)

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