Zu Besuch bei Antonio im Marianna-Gefängnis

Von Margaret L. Becker

23. Juni 2014

Antonio hatte es so ähnlich schon selbst benannt, und ich empfand es wieder so, dieses Phänomen des Entschwindens, ja sogar der Auslöschung der Zeit des Getrenntseins zwischen Menschen mit einer bestimmten Verbindung von Herz und Verstand (einige würden "Seele" sagen), die die Zeit überwindet, wenn sie sich wiedersehen.
Es war vor vier Jahren, als ich Tony zuletzt im Hochsicherheitsgefängnis in Colorado gesehen hatte. So viel Lebenszeit war inzwischen wie im Flug vergangen, einschließlich meines Umzugs nach St. Petersburg, Florida, und Antonios Umzug in ein Gefängnis mittlerer Sicherheitsstufe nach Marianna, Florida, infolge der Anwendung weniger drakonischer Strafrichtlinien durch die Strafmilderung.
Für mich war der frühere Besuch ein Solo-Treck von den Florida Keys über Atlanta und Colorado Springs nach Palmer Lake gewesen (wo mich Freunde der Fünf freundlicherweise aufnahmen) und dann schließlich in den felsigen Wüsten-Außenposten des Florence-Gefängnisses Metropolis. Und so war es bei diesem Besuch in Marianna wieder, das Gefühl, als sei keine Zeit vergangen. Dieses Mal wurde ich von meiner Schwester Joan, ihrem Ehemann Lou und unserem Bruder Richard begleitet, die von Seattle, Washington, und Oakland, Kalifornien, angereist waren. Es mag am zweiten Tag gewesen sein, als Antonio sagte, dass er das Gefühl habe, Rich, Joan und Lou schon besser zu kennen, als die mit ihnen verbrachte Zeit es vermuten ließe. Die Zeit verflog. An jedem dieser Tage waren wir geschockt, wenn die für den Besuch zugebilligten sechs Stunden um waren.
Das Erste, das jeder bemerkte, war, wie gut er aussah (Lou verglich diese jetzige Begegnung mit den vielen Fotos, von denen er über die Jahre in Antonios Freizeitbriefen Kopien bekommen hatte). Wenn schon nicht die vollkommenste Gesundheit (da die Verheerungen so belastender Feuerproben notwendigerweise ihre Spuren hinterlassen) strahlt Antonio eine Art von Gesundheit aus, die mehr aus eigener Kraft kommt, auch wenn 16 Gefängnisjahre ihr Gewicht haben. Wir sind in erster Linie deshalb gesund, weil wir glauben, dass wir es sind und entsprechend handeln. Die Energie, die Tony auf uns in seiner aufmunternden, großzügigen Art übertrug, wie er uns von den erheblichen Bedrohungen seiner Reise mitteilte, war eine Freude mitanzusehen und zu hören. Als er zu uns sprach, schienen durch seine Gesten und seinen Humor seine jugendliche Persönlichkeit hindurch, und er schien mehr er selbst zu sein, noch entspannter und friedvoller als bei früheren Besuchen, obwohl er immer eine positive und starke Haltung bei klarem Verstand eingenommen hatte.
Er begann mit den Einzelheiten seiner Verhaftung am 12. September 1998 und untermauerte sie mit denen aus seinem Leben zuvor in Miami, um dann zu den Keys zu kommen und den ersten Tagen in den Keys, welche Chancen oder gleichzeitigen Ereignisse und Freundschaften miteinander verschmolzen und zu den verschiedenen Jobs führten, die er aufnahm. Mit jedem Schritt, sogar durch Schrecken und Isolationsstress, grausamer Behandlung und nackter Ungerechtigkeit, bleibt Toni wahrhaftig, treu seiner Sache und sich selbst. Ich sehe in seiner Reise die Reise eines Helden im klassischen Sinne des Wortes (dem wir alle zu unseren Lebzeiten begegnen könnten). Er ist für mich der friedliche Krieger (auf span. Guerrero) tapfer und herzenstreu, zielbewusst und idealistisch, der gegen den Drachen kämpft, welcher letztendlich die eigene Furcht ist. Am Ende ist das Ziel (bleibend), zu heilen, uns und die Welt vollkommen (und schöner) zu machen.
Antonio beschrieb die Bedingungen der SHU (?), des Verfahrens und der Verurteilung, die Berufung, Leonard Weinglass und die Verteidiger, die ihm folgten, den Transfer über Oklahoma, die lähmende schwarze Kiste, die die Handschellen während des Transports umschloss, die frühen Tage in Florence, die Anhörung zur Neubemessung der Strafen. Wir sprachen über Politik und den Fall, wie es jetzt um ihn steht, von René, Gerardo, Ramón und Fernando und vom derzeitigen Kuba. Tony unterbreitet seine Philosophie über Politik und das Leben. Wir fragen ihn nach seiner Ansicht über die Lage in der Ukraine und hören Neuigkeiten von Manuel und anderen Freunden und Familienmitgliedern.
Um auf andere Gedanken zu kommen, spielen wir Karten, die das einzige verfügbare Spiel in der Rezeption zu sein scheinen. Wir machen alle bei einem lebhaften Match "Casino" mit, das mein Bruder der "Kartenfuchs" Rich und ich in unserer Jugend von unserem Großvater Elias gelernt haben. Und an einem anderen Tag, spielten wir "Herzen", das uns Rich vor Ort beibrachte. Wir hören von dem Projekt eines Buches über Schach im Gefängnis und die vielen Verbindungen mit studentischen Schachenthusiasten und ihren Lehrern.
Da es zufällig im Automaten keinen Käsekuchen gab, feiern wir den Geburtstag meines Bruders am Montag, den 9. Juni, mit fünf Näpfen von Reeses Erdnussbutter mit Salzstangen als Kerzen. Vorher, in der Wartehalle der Besucher, sangen eine Mutter und ihre zwei Kinder ein Geburtstagslied für ihn in Cherokee, und ein älterer Mann eines Paares aus Kalifornien gab eine Darbietung eines Geburtstagslieds in Englisch. Wir gehen zu Antonio und singen "Cumpleanos Feliz".
Und dann spricht Antonio von Kunst. Es ist eine Freude, den Künstler zu sehen, zu dem Antonio sich von Natur aus entwickelt hat, mit so vielen ineinanderfließenden Elementen, vor allem seine Liebe und Hingabe. Ich kenne seine Zeichnungen und Kalligrafien, die zu kolorierten Bleistiftzeichnungen führten, dann Pastelle, dann Aquarelle, dann Öl, wie seine Gedichte wurden sie angefertigt, um anderen von sich so viel zu geben wie er kann, als auch um zu überleben, sogar zu gedeihen. Er sprach über seine Entscheidung in den frühen Tagen, seine Kunst nicht zu Geld zu machen, als er geübter in der Anfertigung von Portraits wurde, eine Entscheidung, die zu seiner treuen Natur passt. Nach unserem letzten Besuch am Montag fuhren wir zu dem nahegelegenen, modernen Gebäude des "Jackson County Health Department" und betrachteten Tonys Bild des Mannes, der sich hinunterbeugt, um die Hand eines kleinen Mädchens zu halten, das ihre Arme um sein Bein schlingt. Es hängt im Konferenzraum neben dem Büro des Direktors.
Für uns alle war es ein wichtiger und inspirierender Besuch bei Antonio und sicher das Highlight der Reise meiner Familie "hinaus in den Osten".

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Bebilderte Quelle: www.freethefive.org vom 23. Juni 2014). Dort finden Sie u.a. auch das oben beschriebene Bild mit dem Mann und dem kleinen Mädchen.)

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