Ein Imperium gegen ein Kind: Die Geschichte von Ivette González Salanueva

von Rafael Rodríguez Cruz
September 2004

Ivette González Salanueva wurde am 24. April, 1998 in Miami, Florida geboren. Sie verbrachte ihre ersten 4 Monate ohne größere Schwierigkeiten. Ihre Mutter, Olga Salanueva Arango, eine vor kurzem eingewanderte Kubanerin verrichtete einfache Arbeit. Sie betreute ältere Menschen und verkaufte Gräber auf dem Regionalfriedhof. Ihr Vater, René González Sehwerert, übte auch einen schlichten Beruf als Fluglehrer aus. Das junge Paar hatte auch noch eine Tochter im Teenageralter, Irmita, die gerade erst 14 geworden war.
Am 12. September, 1998 änderte sich Ivettes Leben und das ihrer Familie dramatisch und auf grausame Weise. An diesem Schicksalstag verhaftete das FBI René gewaltsam - wie vom FBI nicht anders zu erwarten - und beschuldigte ihn als nichtregistrierten Agenten der kubanischen Regierung. Natürlich erhielt René nicht einmal die Möglichkeit, seiner Familie ‚lebe wohl' zu sagen.
Im Oktober 1998 klagte eine Bundesjury in Miami René der Verschwörung und der Operation als nichtregistrierter Agent in den USA an. Er wurde sofort in Miamis Spezialgefängnis in Isolationshaft verbracht, wo er 17 Monate lang auf die Gerichtsverhandlung warten musste. Olga war jetzt in Miami allein mit ihren zwei Töchtern.
Im Interesse ihrer Familie beantragte Olga die Erlaubnis, René mit ihren beiden Töchtern im Spezialgefängnis besuchen zu dürfen. Ihr Antrag wurde einfach, angeblich wegen Strafrechtssicherheitsrisiken, abgelehnt. Aber Olga wusste, dass René aus einem schmalen Fenster im 12. Stock den Bürgersteig vor dem Gebäude sehen konnte und entschloss sich, mit Ivette im Arm um das Gebäude herumzugehen. Unglücklicherweise konnte René wegen der Entfernung nur Olga erkennen, die etwas auf dem Arm trug, was ihm von da oben wie ein dunkler Lockenkopf erschien.
Natürlich verschlechterte sich Olgas finanzielle Situation während der Monate, die auf Renés Verhaftung folgten, rapide. Sie bemühte sich, regelmäßige Arbeit zu finden. Das führte dazu, dass sie Ivette in die Obhut ihrer Urgroßmutter väterlicherseits geben musste, einer älteren Frau, die in Sarasota lebte. Olga war gezwungen, merkwürdige Jobs zu unregelmäßigen Zeiten anzunehmen.
Acht Monate nach Renés Verhaftung erhielt Olga so etwas, was zunächst den Anschein von einer guten Nachricht erweckte. Sie konnte den Vater ihrer Kinder endlich zusammen mit Ivette und Irmita besuchen. Aber es erwies sich nicht als das, was Olga erwartet hatte. Es dauerte nur wenige Minuten und René wurde während des Besuchs an einen Stuhl gekettet. Sie durften ihn nur sprechen, nicht berühren oder umarmen. Beim Anblick ihres an den Metallstuhl angeketteten Vaters, fing Ivette, die erst etwas über ein Jahr alt war, an, wie ein Hund zu bellen. Ivette sollte ihren Vater erst nach fünf weiteren Monaten, im Oktober 2000, wiedersehen.
In krasser Missachtung der Bundesgesetzgebung wurde René 17 Monate lang in Isolationshaft gehalten. Es war im Februar 2000, als er wieder zu den regulären Gefangenen kam und ihm normales Besuchsrecht gewährt wurde. René konnte seine Familie jetzt, wenigstens theoretisch, wöchentlich einmal sehen. Olga und Irmita besuchten ihn wöchentlich, aber Ivette konnte es nicht, weil sie bei ihrer Urgroßmutter in Sarasota lebte und darauf angewiesen war, von ihr zu den Besuchen gebracht zu werden. Sie konnte René dreimal besuchen.
Am 3. August, 2000, erhielt René einen Brief von der Staatsanwaltwaltschaft, in dem ihm Strafmilderung angeboten wurde, wenn er als Kronzeuge aufträte und gegen die vier Mitangeklagten, Ramón Labañino Salazar, Gerardo Hernández Nordelo, Antonio Guerrero Rodríguez und Fernando González Llort aussagte. Der Brief warnte auch davor, dass Olgas Einwanderungsstatus in Gefahr geriete, wenn er die Kooperation versage, da sie ja keine amerikanische Bürgerin war. René wies diesen offensichtlichen Erpressungsversuch zurück, und Olga wurde bald darauf von INS-Agenten verhaftet.

Obwohl Olga in das Untersuchungsgefängnis des INS in Miami hätte eingewiesen werden müssen, wurde sie willkürlich nach Fort Lauderdale geschickt und weilte dort in einem Gefängnis für gewöhnliche Kriminelle und unter Mitgefangenen mit Verhaltensproblemen. Sie verbrachte dort nach ihrer Verhaftung am 16. August 2000 einen Zeitraum von drei Monaten. Ivette blieb inzwischen weiterhin unter der Obhut ihrer Urgroßmutter. Olga durfte keinen Kontakt mit ihren Töchtern aufnehmen, sondern sie nur durch ein Glasfenster sehen. Sie beschloss, Ivette das Trauma eines Besuchs ohne Kontakt zu ersparen und bat, sie nach dem ersten Besuch nicht mehr ins Gefängnis zu bringen. Am 22. November, 2000, reiste Ivette mit ihrer Großmutter, Irma Sehwerert, nach Kuba. Olga wurde am nächsten Tag nach Kuba ausgewiesen, wo sie seitdem mit ihren beiden Töchtern lebt.
Trotz der langen Trennung und der deutlich großen geographischen Entfernung hat René weiterhin aus verschiedenen Gründen eine starke Präsenz in Ivettes Leben. Erstens war Ivette mit René während ihrer ersten vier Lebensmonate zusammen. Unter menschlichen Voraussetzungen gab es eine emotionale und psychologische Bindung zwischen Tochter und Vater. Zweitens nimmt René heute eine lebenswichtige Rolle in seiner Familie ein, wenn auch nur über seine Briefe, Telefonanrufe und Besuche anderer Familienmitglieder bei ihm. Drittens wird René in Kuba als Held betrachtet; sein Bild ist auf Plakaten im ganzen Land; sein Name wird ständig in den kubanischen Medien erwähnt. So ist er als Vaterfigur immer präsent und gleichzeitig doch abwesend in Ivettes Leben.
Was hat Ivette in den letzten vier Jahren daran gehindert, ihren Vater zu sehen, wo sie doch offensichtlich eine US-amerikanische Staatsbürgerin ist? Die Antwort auf diese Frage hat überraschenderweise mehr mit der US-Außenpolitik zu tun als mit Kinderpsychologie und hat ihre Wurzeln, zumindest teilweise, in den ersten Augusttagen 2000.

Das Spiel mit Familienbindungen

Sobald sie nach Kuba zurück gekehrt war, beantragte Olga für sich und Ivette ein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten. Am 29. März, 2002, erhielt sie eine Einreisegenehmigung vom State Department für zwei Tage vor Ivettes vierten Geburtstag. Zum gegebenen Zeitpunkt widerrief das State Department das Visum plötzlich, angeblich sei sie, aber nicht Ivette, nach dem Paragraphen 121 (a) (3) (B) des Einwanderungs- und Einbürgerungsgesetzes nicht zugelassen. Was dann folgt, ist eine Geschichte von Olgas zahlreichen Visa-Anträgen und Ablehnungen seitens des State Departments, angeblich aus nationalen Sicherheitsgründen. Ihr wurden die Visa z.B. dreimal verweigert, nämlich im Oktober 2002, April 2003 und November 2003. Die Begründung dafür lautet, sie würde als "Geheimagentin" betrachtet, "oder als jemand, der die Regierung der Vereinigten Staaten stürzen möchte," gemäß Paragraph 212 (a), (3) (a) des Einwanderungs- und Einbürgerungsgesetzes. 2004 wurde ihr Visumsantrag wieder abgelehnt, diesmal auf der Basis der Vollmacht des Präsidenten nach Paragraph 212 (f), nach dem Fremde, die ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen könnten, ausgeschlossen werden.

Dennoch sind sowohl René als auch Olga davon überzeugt, dass die eigentliche Entscheidung, sie voneinander getrennt zu halten, Anfang August, 2000 getroffen wurde und nicht im Jahr 2002. Bis August 2000 konnte Olga sich in den Vereinigten Staaten frei bewegen, und daher konnte sie die Probleme mit einer dauernden Aufenthaltserlaubnis nicht vorhersehen. Sie kam über die legalen und behördlichen Wege in die Vereinigten Staaten, unterstützt durch ihren Ehemann, der von Geburt amerikanischer Staatsbürger ist. Außerdem hat Olga kein in irgend einer Weise kriminelles Vorleben, weder in Kuba noch in den Vereinigten Staaten, und ihr persönliches Betragen war das einer vorbildlichen amerikanischen Bürgerin. Obwohl René im Herbst 2000 schon insgesamt zwei Jahre lang im Gefängnis einsaß, war Olga ihrerseits weder verhaftet noch irgend eines Verstoßes gegen das Gesetz angeklagt worden. Das Blatt wendete sich, sobald René sich trotz der Androhung von Olgas Ausweisung geweigert hatte zu kollaborieren. Da wurde die Entscheidung, höchst wahrscheinlich vom Justizministerium, getroffen, Olga zu verhaften und die Familie zu zerstören.
Die Aktivitäten, die man Olga während ihres Aufenthalts in den Vereinigten Staaten unterstellte, waren nicht nur offensichtliche Lügen, sondern widersprachen auch der Anklage, die man gegen René vorbrachte. Im Mai 1999 wies der Bundesgerichtshof eine Anklage über zwei Verstöße gegen das Bundeskriminalgesetz zurück. Die erste Anklage lautete auf Verletzung des 18 U.S.-C- 371 oder Verschwörung zu einem Vergehen gegen die Vereinigten Staaten oder zu einem Betrug der USA, worauf eine Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis steht. Die zweite Anklage unterstellte eine Verletzung des Paragraphen 18 U.S.C. 951-952, bzw. als Agent einer fremden Regierung aufgetreten zu sein, ohne sich vorher beim Justizminister registrieren lassen zu haben, ein Vergehen, worauf eine Höchststrafe von zehn Jahren steht.
René wurde nie eines Gewaltverbrechens angeklagt. Er wurde nur als nichtregistrierter kubanischer Agent angeklagt und der Vereinbarung, einen Angriff auf die Vereinigten Staaten begehen zu wollen. Tatsächlich versuchte das Büro des Bundesstaatsanwalts vorsorglich schon früh während der Gerichtsverhandlung eine Diskussion über Terrorismus zu verhindern, nachdem die Verteidigung ihre Schlussfolgerung eingereicht hatte, die Angeklagten, einschließlich Renés, seien Kämpfer gegen den Terrorismus. Andererseits ist es gut möglich, dass der Handel, der René im August 2000 durch die Staatsanwaltschaft angeboten wurde, aus dem Wunsch geboren wurde, ihn, wegen seiner Kenntnisse über die terroristischen Unternehmungen und anderer illegalen Aktivitäten der antikubanischen Organisationen in Miami aus erster Hand, aus dem Verfahren herauszuhalten.
An dieser Stelle brauchen wir uns den Kopf nicht über jede Einzelheit des Gerichtsverfahrens zu zerbrechen. Die Beweise sprechen für sich. Nachdem René aus Kuba eingereist war, infiltrierte er eine Anzahl von Gruppen in Miami, die von der kubanischen Regierung als Verantwortliche für die Planung und Ausführung von Terroranschläge gegen Kuba identifiziert worden waren. Eine dieser Gruppen ist die so genannte Partido de Unidad National Democratica (PUND), die sich laut René der Planung von Sabotageakten und anderer Aktionen gegen die Zucker- und Tourismusindustrie der Insel widmet. René arbeitete auch als Pilot mit der berühmten Organisation "Brothers to the Rescue" [Brüder zur Rettung, Anm.d.Übers.] zusammen, auch sie widmet sich dem Eindringen in den kubanischen Luftraum und dem Provozieren größerer Unfälle auf der Insel. 1995 ließ er sich in eine Organisation aufnehmen, die sich Democracía nennt, mit der er bis zu seiner Verhaftung in Kontakt blieb. In der Zeit widmete sich Democracía dem widerrechtlichen Eindringen in den kubanischen Luftraum und in dessen territoriale Gewässer, wobei sie jeweils einen ernsten Unfall zu provozieren versuchte.
Zu jedermanns Bestürzung, einschließlich der der Bezirksgerichtsverwaltung von Miami, wurde René am 8. Juni 2001 zweier Vergehen durch das Bundesgericht angeklagt. In seiner Verteidigungsrede vor dem Gericht bestand er auf dem Recht der Kubaner, sich vor terroristischen Anschlägen auf die Insel zu schützen und zeigte keine Reue, gegen terroristische Unternehmungen gekämpft zu haben, die von Miami aus gegen Kuba finanziert wurden. Er sagte, dabei habe er zusammen mit den anderen Angeklagten, Ramón, Gerardo, Antonio und Fernando vielen Kubanern und US-Bürgern das Leben gerettet. Jedoch musste René immer wieder an die Drohung denken, die ihm gegenüber Anfang August 2000 bezüglich seiner Familie geäußert wurde. Zu dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung war Olga schon des Landes verwiesen worden und René konnte offen über den andauernden Erpressungsversuch der Staatsanwaltschaft sprechen, in dem seine Familie als Erpressungsgegenstand benutzt wurde. Aber René wusste vielleicht nicht, dass die Erpressung und der Druck auf ihn und seine Familie keineswegs vorüber war; die Bundesregierung fuhr weiterhin fort, schmutzige Spielchen mit seiner Familie und deren emotionalen Bindungen zu treiben.

Kinder und das Recht, Bindungen durch Einschüchterung zu zerstören

Es ist allseits bekannt, dass die US-Verfassung keine ausdrückliche Anerkennung des Gefangenenrechtes auf bestimmte Familienbeziehungen enthält, einschließlich der Bindung unter Mitgliedern der Kernfamilie. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch im Laufe der Jahre eine verfassungsmäßige Anerkennung von engen Familienbindungen zugelassen, um sie zu schützen, so zu sagen unter der Schirmherrschaft des ersten Gesetzeszusatzes, des Rechts auf Verbundenheit. Schon 1925, in dem Grundsatzurteil um Pierce gegen Schwesterngemeinschaft, 268 U.S. 510 (1925) bezieht sich der Gerichtshof auf die familiären Beziehungen als auf ein grundsätzliches Bürgerrecht und stellt fest, dass es eine ausdrückliche Schutzmaßnahme gegenüber einer ungerechtfertigten Einmischung des Staates verdient. Nach Aussage des Gerichts handelt es sich hier um ein besonderes Merkmal der geschützten individuellen Freiheit, zu intim, um ihrer Natur entgegenzuwirken und sie spielt eine wichtige Rolle für das emotionale und psychische Wohlbefinden von Kindern, eine Hervorhebung, die in dem Fall Roberts gegen die Vereinigten Staaten Jaycees, 468 U.S. 609 (1984) gründlich erörtert wurde. Tatsächlich bestätigte der Oberste US-Gerichtshof dieses vorherige Gesetz, durch einen verfassungsmäßigen Schutz für enge Beziehungen innerhalb der Familiengemeinschaft in dem Fall Overton gegen Bazzetta, 539 U.S. 126 (2003).

Man könnte glauben, dass sich die Bush-Administration mit ihren konservativen Familienwerten nicht an einem Zerstörungsakt aktueller Familienbindungen beteiligen würde. Doch genau das hat sie getan, als sie der Tochter von René González Sehwerert das Recht, ihn in Begleitung ihrer Mama besuchen zu dürfen, verweigerte. Außerdem besteht sie halsstarrig darauf, dass die Verweigerung eines Einreisevisums für Olga keinen Einfluss auf Ivettes, wie immer geartetes, Wohlbefinden und ihre verfassungsmäßigen Rechte habe. Dies ist eine rechtlich unhaltbare Position. Sie enthüllt die Missachtung der Rechte von Kindern und der ihrer Eltern seitens der Bush-Administration im Rahmen des amerikanischen Rechtssystems.

Ivette ist durch ihre Geburt eine US-Bürgerin und daher kann ihr, technisch gesprochen, die Einreise in die Vereinigten Staaten nicht verwehrt werden.
Wenn es um eine Erwachsene oder ein älteres Kind ginge, hätten wir wahrscheinlich keinen Grund, darüber zu diskutieren. Die Frage erhebt sich jedoch angesichts der Tatsache, dass Ivette sechs Jahre alt ist und ihr Vater in einem Bundesgefängnis eingesperrt ist. Olga hat angefragt, ob es ihr erlaubt würde, ihre Tochter bei einem Besuch von René zu begleiten. Diese Anfrage weicht keineswegs vom amerikanischen Gesetz ab, da der Gerichtshof in Overton inbezug auf Kinder, die ihre inhaftierten Eltern besuchen, ausdrücklich darlegt, dass "es vernünftig ist, dafür zu sorgen, dass das Kind bei seinem Besuch von den Erwachsenen begleitet und angeleitet wird, die für sein Bestes Sorge tragen." Overton, 539 U.S. zu 133. Was die Bush-Administration übersieht, ist, dass der Ausdruck "vernünftig" eine einzigartige und umfassende allgemein akzeptierte Bedeutung hat, wenn es um die Rechte von Familien und Kindern geht. Natürlich ist das die konkrete Einschätzung zum Besten des Kindes, sowohl emotional als auch körperlich.
Das bedeutet, Olga kann Ivette nicht erlauben, alleine oder ohne sie zu reisen, um René in der Bundesstrafanstalt in Edgefield zu besuchen. Erstens ist eine Reise nach Edgefield, South Carolina, für ein Kind ihres Alters nicht leicht. Ivette müsste wahrscheinlich per Flugzeug auf dem internationalen Flughafen in Miami landen und von dort aus ein anderes Flugzeug zu einem Ort, wie Augusta, Georgia, nehmen, von wo aus sie an Bord eines Busses nach Edgefield, South Carolina gehen müsste.
Zweitens gibt es da Ivettes emotionale und psychische Geschichte. Ivette hat René nicht mehr gesehen, seit sie zwei und einhalb Jahre alt war. Ihr letzter Kontakt fand innerhalb der Beschränkungen eines Bundesgefängnisses statt. Nach Olgas Verhaftung wurde Ivette in die staatliche Strafanstalt gebracht, um dort ihre Mutter ohne Körperkontakt besuchen zu können. Ihr war nicht gestattet, sie zu umarmen, noch direkt mit ihr zu sprechen. Ivette verblieb für weitere drei Monate unter der Obhut ihrer Urgroßmutter, bis sie nach Kuba zurückkehrte. In den letzten vier Jahren, war Ivettes Kommunikation mit ihrem Vater auf Briefe und Telefonanrufe beschränkt. Daher ist das Gefängnis keine neutrale Umgebung, sie ruft emotionale Konflikte hervor.
Ich besuchte René kürzlich in der Bundesstrafanstalt von Edgefield. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass der Ort eine bedrückende und einschüchternde Atmosphäre hat, sogar für Erwachsene. Ich habe auch Ivette, Olga und Irmita in Kuba besucht. Ich war in ihrer Wohnung und habe dort Gedanken mit ihnen ausgetauscht. Aufgrund dieser persönlichen Begegnung und meiner jahrelangen Erfahrung in der Vertretung von Kindern, unterstütze ich Olga und Renés Standpunkt inbezug auf Ivettes Besuch bei ihrem Vater. Sie braucht dabei die Begleitung ihrer Mutter. Tatsächlich wird diese Ansicht von der prominenten kubanischen Kinderpsychologin, Dr. Patricia Arés, die an der Universität von Havanna unterrichtet, geteilt. Nach einer kürzlich an Ivette vorgenommenen Untersuchung stellte sie abschließend fest, dass die US-Bundesbehörden mit der Verweigerung eines Visums für Olga anscheinend absichtlich darauf aus sind, Bedingungen zu schaffen und wiederherzustellen, die auf einen emotionalen und psychologischen Missbrauch des Kindes hinauslaufen. Ivette ist in ihrem kurzen Leben bereits durch eine Reihe von unglaublichen und abrupten Veränderungen gegangen, durch emotional traumatische Erfahrungen und schmerzliche Trennungen, wie wir sie schon geschildert haben. Trotz der vielen Umwälzungen hat Olga es bewerkstelligt, für Ivette ein stabiles und liebevolles Zuhause und familiäres Umfeld zu schaffen. Besonders wichtig ist die Tatsache, dass Olga für Ivette emotional immer verfügbar ist und eine starke Bindung zwischen sich und ihrer Tochter gepflegt hat. Daher könnte nichts riskanter sein, als Ivette wieder plötzlichen Veränderungen auszusetzen, wie die in ein anderes Land zu reisen, um einen inhaftierten Elternteil ohne die Fürsorge und den Schutz ihrer Mutter zu sehen. So etwas zu tun, würde laut Dr. Arés auf ein verantwortungsloses Spiel mit dem emotionalen Wohlbefinden von Ivette hinauslaufen.
Man könnte vielleicht sagen, dass sechs Jahre in einem Erwachsenenleben nicht viel bedeuten. Das trifft aber bestimmt nicht auf das Leben eines Kindes zu. Aus entwicklungsbezogener Sicht gesprochen, sind sechs Jahre eine Menge in dem Leben eines Kindes. Olgas Bitte um ein Visum zu verweigern, ist nicht nur eine willkürliche und launische Auslegung des Gesetzes, sondern es verstößt auch gegen Ivettes verfassungsmäßiges Recht auf enge Bindung mit ihrem Vater. Dabei tut es wenig zur Sache, dass es Olga ist, der sie die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigern, und nicht Ivette. Außerdem sollten wir nicht übersehen, dass, im Gegensatz zu Overton, die verantwortliche Behörde in diesem Fall das State Department ist und nicht die Gefängnisbehörde. Das Endergebnis ist das selbe, unabhängig, von wem die Gewalt ausgeht. Was wir hier sehen, ist ein willkürlicher und illegaler Eingriff in Renés Recht auf enge Bindung mit seiner Ehefrau und seiner Tochter. Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Bundesbehörden – einschließlich der INS – angeklagt wurden, heimlich sorgfältig ausgeklügelte Verfassungsbrüche anzuordnen, so wie den, den wir hier sehen.

Zwei unfaire Urteile

Am 18. Juni, 2001, wurde René González Sehwerert unrechtmäßig zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die außerhalb der Regel stehende Länge der Gefängnisstrafe, so wie auch die Verurteilung selbst, sind Bestandteil eines laufenden Berufungsverfahrens. Hätte das Bezirksgericht in Miami bei Renés Verteidigungsrede zugehört, hätte es notwendigerweise von dem gleichfalls fragwürdigen doch verschwiegenen Drama erfahren, das im August 2000 ausgelöst wurde: Über Renés Kopf hing wie ein Damoklesschwert die Drohung, von Ivette und Olga getrennt zu werden, eine zusätzliche Verurteilung, wieder einmal heimlich ausgedacht, um ihn weiter zu bestrafen.
Die Debatte um die Besuchsrechte von inhaftierten Personen war lange eine allgemeine Klammer des Amerikanischen Verfassungssystems. Wie sich erst kürzlich im vergangenen Jahr der Oberste Gerichtshof gegen dieses Problem ausgesprochen hat, wobei er die Entscheidung im Fall Overton als eine Grundsatzentscheidung noch einmal bestätigte.

Ein Gefängnis ist bestimmt kein Hotel oder ein Ort der Erholung.

Einige Einschränkungen persönlicher Freiheit, speziell des Rechtes auf Bindung, ist dabei notwendig, besonders dann, wenn es um die innere Sicherheit des Gefängnisses geht. Doch die Unterdrückung des fundamentalen Rechtes eines Gefangenen kann nicht willkürlicher oder absoluter Natur sein. Zum Beispiel würde eine Gefängnisregel, die dieses Verfassungsrecht betrifft, nicht gesetzlich zugelassen, wenn sie nicht in Verbindung mit einem legitimen Bedürfnis der Einrichtung stünde, wie möglicherweise das Bedürfnis der Einrichtung, den Insassen zur Befolgung der Regeln zu bewegen. Außerdem müssen Alternativen angeboten werden, um sein Recht wahrzunehmen, wenn auch keine idealen. Zum Beispiel kann ein Besuchsverbot erleichtert werden durch die Erlaubnis von Briefkorrespondenz und Telefonanrufen mit Verwandten. Was laut Gerichtshof untragbar ist, ist eine Anordnung und spezielles Verbot, dass de facto zu einem Dauerverbot von Besuchen für bestimmte Gefangene wird. Overton gegen Bazzeta, 539 U.S. 126, 134 (2003).
Im Falle Overton gegen Bazzetta drehten sich die Fakten um eine Gefängnisanordnung, die die Gefangenen mit zwei grundsätzlichen Missbräuchen konfrontierte, mit Verletzungen, die sich auf ein Verbot von Besuchen über zwei kommende Jahre ausdehnten. Der Gerichtshof entschied, dass ein Zweijahresverbot für Besuche ohne Garantie auf automatische Zurücknahme zu schwer sei. Außerdem verurteilte der Gerichtshof die Willkürlichkeit und diskrimierende Verweigerung von Besuchsrechten: "Michigan benutzt, wie viele andere Staaten, den Entzug von Besuchsprivilegien für eine begrenzte Zeit, als eine reguläre Disziplinarmaßnahme zur Gefängniskontrolle. Das ist keine dramatische Abweichung von den akzeptierten Regeln im Freiheitsentzug, noch schafft diese Regelung inhumane Gefängnisbedingungen, die Gefangene der Erhaltung ihrer Grundbedürfnisse beraubt oder ihnen den Schutz ihrer Gesundheit und Sicherheit versagt, noch ist es für sie mit Schmerzen oder Verletzungen verbunden, oder beinhaltet eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Risiko, das ihnen etwas zustoßen könnte. Wenn der Entzug aller Besuchsrechte zum Dauerzustand würde oder über einen langen Zeitraum aufrechterhalten würde, oder wenn sie auf eine willkürliche Art auf einen bestimmten Gefangenen angewendet würde, dann erfordere der Fall eine andere Betrachtungsweise." Overton U.S. auf 137.

Die Ermahnung des Gerichtshofes im Fall Overton gilt auch für Renés Fall. Er weist einen vorbildlichen Lebenswandel im Gefängnis auf. Weder René noch Olga sind je irgendeiner Gewalttat oder der Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA angeklagt gewesen. Tatsächlich wurde Olga von der Bundesgefängnisbehörde genehmigt, die Bundesstrafanstalt in Edgefield zu besuchen, sie ist auf der Liste der zugelassenen Besucher. Doch das State Department hat, in Zusammenarbeit mit der Mafia von Miami, René und Olga willkürlich über vier Jahre davon abgehalten, einander zu sehen. Das Produkt dieser schamlosen Aktion der US-Regierung, legte René zweifache Strafe auf: ein missbräuchliches, willkürliches und undefiniertes Verbot von Familienbesuchen, das offensichtlich sowohl das erste wie auch das achte Zusatzgesetz verletzt. Die zusätzliche, weniger beachtete Strafe, möchten wir hinzufügen, verstößt auch gegen Ivettes Recht, als Kind seinen Vater sehen zu dürfen.

Internationales Recht

Eine Reihe von prominenten Autoren und sogar Nobelpreisträgern, wie Adolfo Pérez Esquivel, haben über den Fall der Cuban Five gesprochen und sich gegen die Verletzung internationalen Rechts durch die Vereinigten Staaten und die empörende Inhaftierung von René González Sehwerert, Ramón Labañino Salazar, Fernando González Llort und Gerardo Hernández Nordelo ausgesprochen.
Es ist jedoch wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass auch Kinder vor dem internationalen Gesetz Rechte haben, etwas, was die Bush-Administration anscheinend überrascht. Zum Beispiel liest sich der Artikel 10 des Internationalen Rats für Kinderrechte wie folgt: "Ein Kind, dessen Eltern in verschiedenen Ländern wohnen, soll regelmäßigen und unmittelbaren Kontakt mit beiden Elternteilen haben dürfen, es sei denn, es gibt negative und außergewöhnliche Umstände, die einen direkten Kontakt verhindern." Natürlich ist es nicht überraschend, dass die Vereinigten Staaten nicht zu den Unterzeichnern dieses Abkommens gehören.

Rafael Rodríguez Cruz ist Anwalt in Hartford, Connecticut, der sich auf Familien- und Kindesrechte spezialisiert hat. Er ist ebenfalls Mitglied des Vorstandes der Rosenbergstiftung für Kinder, eine nicht profitorientierten Einrichtung, die finanzielle Unterstützung für die erzieherischen und emotionalen Bedürfnisse der Kinder von politisch Verfolgten zur Verfügung stellt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Stiftung über eine Million Dollar für Stipendien, einschließlich Stipendien für progressive Aktivisten in Puertorico ausgegeben. Die RFC (Rosenberg Fund for Children) wurde von Robert (Rosenberg) Meeropol geschaffen, dem Sohn von Ethel und Julius Rosenberg, die am 19. Juni 1953 hingerichtet wurden. Ihre Söhne, Michael und Robert waren zu der Zeit jeweils 10 und 6 Jahre alt. Von November 1950 bis im Frühling 1951, nach der Verhaftung von Julius und Ethel, aber vor deren Hinrichtung waren Robert und Michael in einen Unterschlupf gebracht worden. 1954, kurz nachdem die Kinder zu den Meeropols kamen, starb der Anwalt der Rosenberg, Manny Block. Die Kinder wurden gefasst und kamen in ein Waisenhaus. Schließlich wurden sie von Abel und Anne Meeropol adoptiert. Mit der Errichtung des RFC vor zehn Jahren möchte Robert der Gemeinschaft und der Welt zurückgeben, was ihm und Michael in aller Stille geschenkt worden war.

Deutsch: ˇBasta Ya!

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