Radio Havana Cuba, Interview mit Paul McKenna, Anwalt von Gerardo Hernández

Bernie Dwyer, Radio Havana Cuba

10. August, 2005, gesendet am 12. August

Paul McKenna, geboren 1955 in Chicago, ist der Pflichtverteidiger für den Kubaner, Gerardo Hernández. McKenna, der seit fast 25 Jahren als Anwalt praktiziert, ist einer der Partner des Anwaltsbüros in Miami, 'McKenna und Obrant'.
Gerardo Hernández wurde gemeinsam mit einer Gruppe anderer Kubaner im September 1998 in Miami, Florida verhaftet und nach einem 17-monatigen Aufenthalt in Isolationshaft vor Gericht gestellt und in einem höchst fehlerhaften Prozess wegen Vergehens gegen die Sicherheit der Vereinigten Staaten vom Bundesgericht in Miami verurteilt. Hernández wurde außerdem wegen Verschwörung ersten Grades, einen Mord begehen zu wollen, angeklagt, wofür er eine Strafe von zweimal lebenslänglich zuzüglich fünfzehn Jahren verbüßte.
Seine Mitangeklagten, Antonio Guerrero, Fernando González, Ramón Labañino und René González waren vor, während und nach dem Gerichtsverfahren der gleichen Misshandlung seitens des Gesetzes ausgesetzt worden.
Der gesamte Prozess wurde bis jetzt sowohl rechtlich als auch moralisch als totaler Fehlschlag angesehen. Die Männer waren bezüglich der gegen sie erhobenen Anklagen unschuldig. Sie waren aus dem einzigen Grunde in Miami, die antikubanischen Terrorgruppen zu unterwandern, die Sabotageakte gegen Kuba mit Unterstützung der aufeinanderfolgenden US-Administrationen ausführten.
Als Ergebnis einer Berufung, die das Verteidigungsteam im März 2004 bei dem Appelationsgericht des 11. Bezirks in Atlanta eingelegt hatte [die Berufung wurde bereits im April 2003 eingelegt, die Anhörung der Verteidigung war im März 2004, Anm.d.Ü.], wurde am 9. August dieses Jahres eine Zeichen setzende Entscheidung verabschiedet, die ein vollkommen neues Verfahren an einem anderen Ort anordnete.
Paul McKenna sprach am 10. August aus seinem Büro in Miami telefonisch mit Bernie Dwyer, Radio Havana Cuba, über seine Empfindungen und die seines Klienten, nachdem er die Nachricht von der Urteilsbegründung des Berufungsgerichtes erfahren hatte. Laut McKenna ist sein Klient wieder ein unschuldiger Mann.
"Er gilt als unschuldig. All seine Verurteilungen sind außer Kraft gesetzt. Sie haben keine Geltung mehr."
McKenna wird jetzt für das Recht von Gerardos Ehefrau, Adriana Pérez, kämpfen, die ihren Ehemann wegen der Verweigerung eines Einreisevisums in die Vereinigten Staaten für einen Gefängnisbesuch seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hat, damit sie nach Miami kommen kann, wenn Gerardo zum Beginn des neuen Prozesses dorthin zurück gebracht worden ist.

INTERVIEW

[Bernie Dwyer (BD)]: Dies ist wirklich die aufregendste Nachricht, die wir im Laufe von sieben Jahren über den Fall der Fünf erhalten haben. Wie würden Sie Ihre Empfindungen dazu beschreiben?

[Paul McKenna (PMK)]: Extrem aufgeregt und freudig erregt!! Ich bin seit 1982 Anwalt und der größte Augenblick, den ich je erlebt habe, war gestern, als ich Gerardo Hernández im Gefängnis, da wo er gerade ist, anrufen konnte und ihn ans Telefon holen und ihm erzählen konnte, dass wir das Berufungsverfahren gewonnen haben.
In meinem fast 25-jährigen Anwaltsleben war das mein größter Augenblick.

[BD]: So haben Sie tatsächlich mit Gerardo gesprochen? Können Sie mir vielleicht seine eigenen Worte und seine Reaktion vermitteln, als er die Nachricht hörte?

[PMK]: Ich muss Ihnen sagen, dass er sehr bewegt war. Ich kannte ihn schon lange, und er wurde nie emotional, aber jetzt war er sehr emotional. Es ist verständlich, dass er emotional sein würde.
Die erste Frage, die er mir stellte, als ich ihm berichtete, dass sein Fall revidiert und an ein neues Verfahren verwiesen worden sei, war: "Was ist mit den anderen?" und ich beruhigte ihn, dass der Fall für alle revidiert worden sei. Wie gewöhnlich war das Erste, woran er dachte, was mit den anderen ist, und er erzählte mir, dass er sich sehr danach sehnte, mit seiner Frau Adriana zu sprechen und mit seiner Mutter, und er dankte mir. Er fragte mich, ob ich ihm eine Kopie dieser Entscheidung schicken könne. Das letzte, was er sagte, war: "Paul, was kommt als nächstes?" Ich sagte: "Du weißt, wir beginnen jetzt ganz von vorn. Bald wirst Du zurück nach Miami kommen."
Es war ein kurzes Gespräch, weil sie normalerweise keine Gespräche wie diese mit Anwälten zulassen, und ich musste einen Beirat anrufen und einen Sonderantrag stellen. Er war sehr, sehr erregt, aber sehr, sehr glücklich.

[BD]: Gerardo hat sieben Jahre seiner zweimal lebenslänglichen Strafe plus fünfzehn Jahre verbüßt und während dieser Zeit konnte er keinen Besuch seiner Ehefrau Adriana erhalten. Wird sich das jetzt ändern?

[PMK] Ich glaube, das Traurigste im Falle Gerardos ist, dass er seine wunderschöne Frau Adriana sieben Jahre lang nicht sehen konnte. Ich kenne kein Paar, dass sich so zugetan ist oder sich gegenseitig so sehr liebt wie Gerardo und Adriana. Sie verbindet eine wirklich wunderbare Liebe. Adriana ist so eine starke Person, und sie kämpft seit sieben Jahren darum, ihren Ehemann zu sehen. Sie muss über diese Nachricht so glücklich sein. Und ich bin so glücklich für sie.
Und ich denke, jetzt müssen wir uns nach sieben Jahren wieder neu dem Kontakt zu den höchsten Leuten innerhalb der amerikanischen Regierung widmen, damit sie einfach nur die Grundlage menschlichen Anstandes gewährleisten, einer Ehefrau zu erlauben, ihren Ehemann zu sehen. Das ist ein allgemeingültiges Prinzip. Es tut nichts zur Sache, aus welchem Land du kommst, welcher Religion oder Politik du angehörst, das ist ein fundamentales Menschenrecht, ein Mann darf seine Frau sehen, wenn er im Gefängnis ist, und wir müssen es schaffen, dass Adriana jetzt in die USA kommen kann.
Er ist wieder unschuldig. Er gilt als unschuldig. All' seine Verurteilungen sind außer Kraft gesetzt. Sie haben keine Bedeutung mehr. Als ein freier Mann, als ein unschuldiger Mann, als ein Mann, dem zugestanden wird, keinerlei Verbrechen begangen zu haben, hat er das Recht, seine Frau zu sehen, und wir müssen Kontakt mit den höchsten Personen in der US-Regierung aufnehmen, damit das passiert.

[BD]: Können Sie erklären, warum ausgerechnet Adriana Gerardo nicht besuchen konnte?

[PMK]: Die Regierung behauptet, dass es einen Anlass gegeben habe zu glauben, dass Adriana möglicherweise mit einigen Handlungen, die zur Anklage kamen, in Verbindung stand. Aber dem war nicht so, und jetzt ist so viel Zeit vergangen, dass sie sie nicht einmal mehr anklagen könnten, selbst wenn sie es wollten.
In den Vereinigten Staaten kann man wegen eines Verbrechens nur bis zu fünf Jahren nach dessen Begehen angeklagt werden. Und sie beging erstens überhaupt kein Verbrechen und darüber hinaus war sie auch keines Verbrechens angeklagt. Sie dürften diese Anklagen gar nicht dazu benutzen, ihr die Einreise in die Vereinigten Staaten zu verweigern. Ich werde mit ihnen Kontakt aufnehmen und werde ihnen empfehlen, ihr zu erlauben, nach Miami kommen zu dürfen, wenn er hier her zurückgekommen ist.
Sie könnte bei mir bleiben, wenn sie es wollte. Ich werde sie zum Gefängnis bringen. Ich werde sie zu den Besuchen abholen, und wenn sie vorbei sind, werde ich sie zum Flughafen bringen. Sie ist ein vollkommen anständiges und ehrenwertes menschliches Wesen, das nur nach sieben langen Jahren Gerardo sehen möchte. Ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass das auch geschieht.

[BD] Glauben Sie, dass die Entscheidung, die von der UN-Arbeitsgruppe für Willkürliche Inhaftierung herausgegeben wurde und nun diese riesige Urteilsbegründung, die vom 11. Bezirksgericht verabschiedet wurde, dies so unumstößlich machen können, dass die US-Regierung diese Entscheidung nicht aufheben wird?

[PMK]: Die Regierung der Vereinigten Staaten könnte diese Entscheidung nie aufheben. Die einzige Gruppe, die das könnte, ist der US-Berufungsgerichtshof und seine Urteilsbegründung ist so stark und so lang und so voller Details, dass ich keine Möglichkeit sehe, wie diese Entscheidung je geändert werden könnte. Ich mache mir darum keine Sorgen.
Ich habe das sehr starke Gefühl, dass die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit der Revision und der Verweisung des Falles an ein neues Verfahren bestehen bleibt. Ich fühle mich in dieser Hinsicht sehr zuversichtlich. Dennoch, obwohl ich das gesagt habe, werden wir noch einen langen Weg vor uns haben. Uns ist ein Neuanfang beschert worden. Wir haben eine saubere Schiefertafel bekommen, aber wir haben immer noch einen riesigen Prozessgegner, den wir besiegen müssen.
Wir müssen in diesem Fall einen langen Weg gehen, und es wird eine Menge Arbeit kosten, gute Anwaltsarbeit, gute Strategien, und wir werden neu überdenken müssen, wie wir in diesem Fall vorzugehen haben. Ich denke, dass, wenn wir unseren Verstand und unser Herz dafür einsetzen, können wir alles erreichen.

[BD]: Und was ist mit der Rolle der Solidaritätsgruppen? Wie werden sie ihre Kampagne fortsetzen?

[PMK]: Ich glaube, dass das, was sie getan haben, dabei geholfen hat, die Stimmung der Fünf aufrechtzuerhalten, und wenn ich das sehe, spornt es mich an. Das ermutigt mich. Ihr Beitrag ist enorm, und ich möchte sie bitten, damit fortzufahren, weil es sich tatsächlich auswirkt. Es hat Auswirkungen auf mich.
Es hat Einfluss auf meinen Klienten zu wissen, dass es Leute gibt, die uns unterstützen, denn ich muss Ihnen sagen, dass es eine Menge dunkler und einsamer Tage gab, als es nicht so aussah, als würden wir dorthin kommen, wo wir gestern ankamen. Aber diese Menschen gaben Anlass weiterzugehen, und diese, die uns ihre Unterstützung gaben, die weiter kämpfen werden, und ich hoffe, dass sie so weitermachen.

Deutsch: ¡Basta Ya!

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