Selektive Bekämpfung des Terrors: Washington und Posada

Bush schreit "Terror", wo keiner ist. Inzwischen beschützt er die wahren Terroristen mitten unter uns

Von Prof. Marjorie Cohn

Global Research, 10. Mai 2007

Seit den Angriffen vom 11. 09. 2001 macht die Bush-Administration den "Kampf gegen den Terror" zum zentralen Thema ihrer Innen- und Außenpolitik. Bush schreit "Terror", wo keiner ist - wie im Irak und in den Informationen, die an den Durchschnittsamerikaner weitergegeben werden. Inzwischen beschützt er die wahren Terroristen mitten unter uns.
Luis Posada Carriles ist ein in Kuba geborener Terrorist, der zutreffend als Osama Bin Laden der westlichen Hemisphäre bezeichnet wurde. Er rühmte sich damit, vor 10 Jahren dabei geholfen zu haben, tödliche Bomben in Hotels in Havanna zu zünden. Freigegebene und vom National Security Archive veröffentlichte Dokumente des FBI und der CIA enthüllen, dass Posada 1976 der Drahtzieher der Sprengung eines kubanischen Zivilflugzeuges war, wobei 73 Menschen getötet wurden. Er entkam aus einem Gefängnis in Venezuela, wo wegen der ersten Sprengung eines kommerziellen Flugzeuges gegen ihn verhandelt wurde. Danach spielte Posada eine zentrale Rolle im Iran-Contra-Skandal.
Posada betrat die Vereinigten Staaten im März 2005 mit falschen Papieren und wurde in El Paso wegen Belügens von Beamten der Einwanderungsbehörde verklagt. FBI-Agent Thomas Rice schwor in einer Aussage unter Eid im Juni 2005, "das FBI ist nicht in der Lage auszuschließen, dass Posada eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellt." Trotzdem wurde Posada am 19. April 2007 gegen Kaution entlassen, obwohl Fluchtgefahr besteht.
Diese mehr als unglaubliche [stranger-than-fiction] Geschichte hat eine logische Erklärung. Posada hat eine lange Geschichte mit Verbindungen zur US-Regierung. 1961 wurde er Agent der CIA. Die US-Regierung behauptet, sein Dienst bei der CIA habe 1976 geendet. Aber am 30. April reichte er beim Bundesgericht einen Antrag ein, in dem er erklärte, er habe weitere mehr als 25 Jahre für die CIA gearbeitet. Das bedeutet, er war auf der Gehaltsliste der CIA, als er den Terroranschlag auf das Flugzeug organisierte. In seinem Antrag versichert Posada, er habe das Recht, Beweise seiner Arbeit für die CIA bei dem Verfahren wegen Meineids vorzulegen. Das Schreckgespenst, Posada könne die schmutzigen Taten aufdecken, die während der Zeit, als George H.W. Bush Direktor der CIA war, von der CIA begangen wurden, war für Washington nicht hinnehmbar.
Die Regierung steckte in der Zwickmühle. Es gab intensiven Druck, Posada wegen seiner terroristischen Verbrechen anzuklagen, wie es die Resolution 1373 des Sicherheitsrates und drei internationale Abkommen verlangen. Resolution 1373 wurde in der Folge der Angriffe vom 11. September 2001 verabschiedet und verlangt von allen Ländern, dass sie denjenigen, die Terrorakte begangen haben, Unterschlupf zu verwehren, und sie vor Gericht zu stellen haben. Diese Vorschriften sind bindend, da sie in Kapitel VII der Un-Charter aufgenommen wurden. Die Abkommen verlangen von den Vereinigten Staate, Posada entweder nach Venezuela auszuliefern oder ihn wegen im Ausland begangener Verbrechen in den USA vor Gericht zu stellen. Das Justizministerium entschied sich aber dafür, ihn wegen Meineids anzuklagen, weil er [bei seiner Beschreibung], wie er 2005 in die Vereinigten Staaten gelangt war, gelogen habe.
Aber die Regierung konnte es nicht riskieren, dass Posada singt wie ein Kanarienvogel. Am vergangenen Dienstag verwarf die Bezirksrichterin Kathleen Cardone alle Anklagen gegen Posada. In ihrer Begründung schreibt Cardone, "die Regierung ließ sich auf Schwindel, arglistige Täuschung und Tricks ein," in dem sie ein ‚routinemäßiges' Einwanderungsgespräch dazu genutzt habe, mögliche Strafanklagen gegen Posada zu untersuchen. Aber Fragen nach Posadas kriminellem Vorleben wären relevant gewesen, um im Einwanderungsgespräch dessen moralischen Charakter zu erkennen. Posada ist kein "Routine"-Kerl, und sein Anwalt war während des gesamten Gesprächs anwesend, um ihn vor Selbstbeschuldigungen zu schützen. Cardone fand die Taktik der Regierung "in grober Weise schockierend, und so empörend, dass diese das allgemeine Verständnis von Gerechtigkeit verletzt hat." Und dann behauptet sie unaufrichtig, "das Anliegen dieses Gerichts ist nicht die Politik, sonder die Bewahrung der Gerechtigkeit."
Schockierend und empörend ist es, dass Posada, dessen Verbrechen mit denen der Al Kaida vergleichbar sind, jetzt frei durch Miami läuft. Und Cardones Entscheidung ist absolut politisch.
Der Kongressabgeordnete William Delahunt verlangt eine Anhörung vor dem Kongress, um die Rolle der Regierung bei der Unterstützung der Straflosigkeit im Fall Posada zu prüfen. Delahunt hat einen Brief an Justizminister Alberto Gonzales geschickt, in dem er eine Erklärung dafür verlangt, weshalb das Justizministerium sich nicht auf den US Patriot Act berufen habe, Posada zu einem Terroristen zu erklären und ihn einzusperren, und das für immer. "Die Entlassung Posadas stellt unser Bekenntnis, den Terrorismus zu bekämpfen, in Frage."
Dieses Bekenntnis wird auch durch die Art, wie Washington mit den Cuban Five umgegangen ist, Lügen gestraft. Diese Männer haben friedlich kriminelle Exilgruppen in Miami infiltriert, um Terroranschläge gegen Kuba zu verhindern. Die Fünf übergaben die Ergebnisse ihrer Ermittlungen dem FBI. Aber statt mit Kuba zusammenzuarbeiten, um den Terrorismus zu bekämpfen, verhaftete die US-Regierung die fünf Kubaner, klagte sie an und verurteilte sie wegen Verschwörungsvergehen. Ein Drei-Richter-Gremium des U.S. Circuit Court of Appeals in Atlanta hob ihre Urteile auf, weil es befand, dass sie in Miami kein faires Verfahren erhalten haben könnten.
Im August 2006 wies die Mehrheit des gesamten Gerichts die frühere Entscheidung zurück und verwies den Fall wieder an das Gremium, wo noch weitere Berufungen anhängig sind. Die US-Medien verhalten sich unverantwortlich leise in dem Fall der Cuban Five und bezüglich der Unregelmäßigkeiten des Verfahrens.
Die Los Angeles Times, immerhin, zeigte am 20. April einmalige Einsicht als sie schrieb, "durch die Entlassung Posadas kann Washington berechtigt der Scheinheiligkeit im Kampf gegen den Terror bezichtigt werden." Die Zeitung kritisiert die USA dafür, dass sie in Guantánamo Männer ohne Gerichtsverfahren festhält, während sie Posada entlässt. "Die US-Regierung hat eine Menge skurrile Dinge in 46 Jahren einer größtenteils gescheiterten Kubapolitik getan," schreibt die Times, "aber einen berüchtigten Terroristen laufen zu lassen gehört schon zu den perversesten."

Marjorie Cohn ist Professorin an der "Thomas Jefferson School of Law" [Gesetzesschule], Präsidentin der "National Lawyers Guild" [Nationale Juristengilde] und die Repräsentantin für die USA in der "American Association of Jurists" [Amerikanische Juristengesellschaft]. Ihr neues Buch, "Cowboy Republik: Six Ways the Bush Gang Defied the Law," [Sechs Arten auf die die Bush-Bande sich dem Gesetz widersetzt] wird im Juli herauskommen. Ihre Website ist http://www.majoriecohn.com.

Marjorie Cohn liefert häufig Artikel für den "Global Research".

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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