Nach dem Hearing vor dem 11. Bezirksberufungsgericht in Atlanta:

Verteidigung erwartet positive Entscheidung für die "Cuban 5"

(1. Bericht der Prozessbeobachtung für das Komitee "Basta Ya!" mit Unterstützung der Rechtsanwaltskammer Berlin, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältvereins und der Internationalen Liga für Menschenrechte)

In Gegenwart von Dutzenden von Vertretern US-amerikanischer Anwalts- und Juristenvereinigungen, internationalen Prozessbeobachtern, vor allem aus Lateinamerika und Europa, und Journalisten begann das mit Spannung erwarte Hearing am Montag, den 20.8.2007 pünktlich um 15 Uhr. Die drei Berufsrichter hatten der Verteidigung genau 30 Minuten für die mündliche Erläuterung ihrer umfassend schriftlich begründeten Anfechtungsgründe eingeräumt, ebenfalls 30 Minuten der Staatsanwaltschaft für ihre Stellungnahme. Sie unterbrachen die gut vorbereiteten Plädoyers von Beginn an immer wieder mit kritischen Fragen und Kommentaren.
Nachdem das Gericht im vorigen Jahr in der Plenumsbesetzung (12 Richter) die vorangegangene positive Entscheidung der "kleinen Berufungskammer" (3 Richter), wonach ein neues Verfahren außerhalb Miamis stattzufinden habe, aufgehoben hatte (vgl. meine früheren Berichte), hat die Verteidigung sich auf drei Punkte konzentriert - vorgetragen diesmal von Attorney at law Richard Klugh :

- für die schwerwiegendste Verurteilung der "Konspiration zum Mord" (durch angebliche Beteiligung am Abschuß zweier Privatflugzeuge einer exilkubanischen Organisation durch das kubanische Militär mit mehreren Toten, bei deren Versuch, in kubanisches Hoheitsgebiet einzudringen) hätte es keine ausreichenden Beweise gegeben; der Vorsitzende fragte die Staatsanwaltschaft anschließend dann auch mehrfach nach konkreten Beweisen dafür, dass der Angeklagte die Absicht Kubas, zum ersten Mal ein solches Flugzeug abzuschießen, überhaupt gekannt habe, und wenn, ob er nicht davon ausgegangen sei, dies geschehe in kubanischen Hoheitsgebiet - wie von Kuba und der UN-Untersuchung festgestellt, also nach internationalem Völkerrecht legal;

- bei der Verurteilung wegen "Konspiration zur Spionage" fehle es an Beweisen dafür, dass überhaupt Staatsgeheimnisse ausgespäht wurden und nicht nur, wie von den fünf Angeklagten vorgetragen -allgemein zugängliche Informationen über die geplanten terroristischen Aktivitäten von Exilorgansationen in Miami gegen Kuba gesammelt werden sollten; schließlich sei unter den tausenden beschlagnahmten Dokumenten kein einziges (als Staatsgeheimnis) klassifiziertes gewesen;

- Die Vertreter der Staatsanwaltschaft hätten die Urteilsbildung der Jury durch unzulässiges Fehlverhalten beeinflusst, als sie in ihren damaligen Plädoyers die fünf als "Staatsfeinde" und "Terroristen" bezeichnet hätten, obwohl die Beweisaufnahme hierzu keinerlei Hinweis gegeben hatte.

Dem trat die Staatsanwaltschaft vehement entgegen, behauptete, es habe ausreichende Beweise für die Jury gegeben, an deren Stelle sich das Berufungsgericht nicht setzen dürfe, und meinte, die drei Berufungsrichter hätten nur die Beweise der Verteidigung gelesen, nicht die der Staatsanwaltschaft; ein Fehlverhalten ihrer Vertreter in Miami hätte nicht vorgelegen, schließlich sei es um die Sicherheit der USA gegangen.

Die in Stichworten auf verschiedene Präzedenzfälle bezogene Diskussion über Verfahrensfragen war nicht nur für die ausländischen Prozessbeobachter schwer verständlich, die - wie wir - mit dem kontinentaleuropäischen Strafrecht vertraut sind: bereits am Vorabend hatte Len Weinglass, einer der erfahrensten Strafverteidiger in politischen Verfahren den einzigartigen Charakter dieses Prozesses betont - es sei in der US-Justizgeschichte noch nie vorgekommen, dass ein Berufungsverfahren drei Hearings erlebt habe, offenbar sei dieses Verfahren für die Justiz "zu schwer verdaulich".

Für die Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung gibt es keine Fristen, sie wird erst in einigen Monaten erwartet

Die Pressekonferenz

Auf einer gut besuchten Pressekonferenz nach dem Hearing erklärte Len Weinglass, warum er die Verteidigung jetzt auf der Siegerstraße sehe: der Vorsitzende Richter habe mit seiner Mitteilung, nach einer Vorberatung seien alle drei Richter zum Ergebnis gekommen, dass die weiteren von der Verteidigung vorgebrachten Anfechtungsgründe entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft durch die vorangegangene Entscheidung des 12-Richterkollegiums keineswegs "verbraucht" seien; es sei also mit einer umfassenden Würdigung der Argumente der Verteidigung durch das Gericht zu rechnen.
Dies war nicht von allen US-amerikanischen Prozessbeobachtern erwartet worden.
Hatte sich doch der erst kürzlich als dritter Richter anstelle eines ausgeschieden einen Namen als entschiedener Abtreibungsgegner und rechter Hardliner gemacht, so dass die Demokraten seine Ernennung zu einem der 800 "federal judges" durch Präsident Bush mit allen Mitteln verhindern wollten. Sein ganzes sonstiges Verhalten in dem Hearing aber machte deutlich, dass er der Verteidigung nicht besonders wohlgesonnen sein dürfte.
Ramsey Clark, früherer US-Justizminister, hatte es sich nicht nehmen lassen, zur Prozessbeobachtung nach Atlanta zu kommen und seine Unterstützung der Forderung nach Gerechtigkeit und Freilassung der fünf vor allem damit begründet, dass die USA international gesuchte Terroristen nicht nur freilasse - wie Posada Cariles - sondern den internationalen Terrorismus in vieler Hinsicht förderten.

Juan Guzman, chilenischer Richter, der die Verfolgung und Inhaftierung des früheren Diktators Augusto Pinochet geleitet hatte, deutete das aggressive Verhalten der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Gericht bei dem Hearing als Schwäche und erklärte er würde als Richter unverzüglich entscheiden, dass die fünf keinen Tag länger in Haft bleiben müssten.

Paolo Lins e Silva, Präsident der Union Internationale des Avocats (UIA), Rechtsanwalt in Brazil, erklärte unter dem Beifall der Anwesenden, als Verantwortlicher einer Organisation, die als Vereinigung der Rechtsanwaltskammern weltweit eigentlich
nur ein Mandat für den Einsatz verfolgter Berufskollegen habe, habe er beschlossen, als Beobachter an dem Hearing teilzunehmen, als er erfahren habe dass zwei Ehefrauen der inhaftierten ihre Männer seit Jahren nicht hätten besuchen dürfen.

Die VertreterInnen der US-amerikanischen JuristInnenvereinigungen bekräftigten ihre Bereitschaft, die Verteidigung in diesem schwierigen Verfahren auch in Zukunft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. In mehreren Beiträgen wurde die Bedeutung der internationalen Prozessbeobachtung für die Verteidigung in diesem wichtigen und einzigartigen Prozeß betont.

Die Rolle der Massenmedien

Inzwischen berichten nicht nur die Regionalmedien vor allem in Miami in der Regel unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung ("die fünf Spione" usw) über das Verfahren, auch die New York Times hat Anfang August einen ausführlichen redaktionellen Artikel veröffentlicht, der neben einigen grundlegenden Informationen und kritischen Bemerkungen der Verteidiger vor allem die Bedeutung des Kampfes für die Freiheit der fünf für die Kubanerinnen auf Kuba darstellte. Die überregionalen Fernsehstationen haben dagegen noch keine einzige größere Sendung gebracht. Dabei wurde Len Weinglass in der letzten Woche von CBS ausführlich interviewt, das Interview sollte noch am gleichen Abend ausgestrahlt werden, was aber bis heute nicht geschehen ist. CNN hatte ein ausführliches Studiogespräch für den 20. vereinbart, das jedoch kurzfristig von dem Nachrichtensender ohne Angabe von Gründen abgesagt wurde. Da fällt es schwer, an Zufälle zu glauben.
Die Beispiele verdeutlichen, welchem Druck auch die gutwilligsten Richter in diesem politischen Verfahren ausgesetzt sind, und wie schwierig es ist, die Forderung der Komitees für die Freiheit der 5 Kubaner durchzusetzen. Wie die Verteidiger uns erklärten, könnte die Staatsanwaltschaft bei einer für sie negativen Entscheidung erneut ihr Heil bei der großen Berufungskammer suchen; ansonsten ist eine Anrufung des Supreme Courts (des höchsten US-Gerichts) wahrscheinlich, so dass es noch Jahre dauern kann, bevor eine rechtskräftige Entscheidung ergeht - ohne die Möglichkeit, die dann mehr als 10 Jahre in Untersuchungshaft sitzenden Beschuldigten freizubekommen, wie dies in Europa auch bei schwersten Strafvorwürfen aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte selbstverständlich wäre.

Atlanta, USA, den 21.8.2007

Eberhard Schultz

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