antiterroristas.cu vom 17. September 2010

Leonard Weinglass zur aktuellen Rechtslage der Cuban Five

Bernie Dwyer

Bernie Dwyer, Radio Havanna Kuba, interviewt Leonard Weinglass, einen der Anwälte des Verteidigerteams der Cuban Five, telefonisch in seiner Kanzlei in New York, um sich über die aktuelle Rechtslage von Gerardo Hernández, Antonio Guerrero, Ramón Labañino, Fernando González und René González zu informieren. Leonard Weinglass ist Antonios Anwalt und der beratende Anwalt für Gerardo bei seiner "Habeas corpus" - Berufung.
Die Cuban Five, als die sie international bekannt sind, wurden seit ihrer willkürlichen Verhaftung vor zwölf Jahren wegen Anklagen der Verschwörung, Spionage zu begehen und, im Fall von Gerardo Hernández, wegen Verschwörung zum Mord ersten Grades gefangen gehalten. Ihr so genanntes Verbrechen bestand darin, terroristische Gruppen in Miami infiltriert zu haben, die planten, ihren nicht erklärten Krieg gegen die kubanische Bevölkerung und die Kubanische Revolution fortzusetzen.

Interview

15. September 2010

Bernie Dwyer (RHC): Es ist kaum zu fassen, dass wir nach zwölf Jahren immer noch über den Fall der Cuban Five diskutieren, dass sie immer noch verstreut über die Vereinigten Staaten inhaftiert sind und dass wir immer noch nach rechtlichen Wegen und unterschiedliche Kampagnen Ausschau halten, diesen Fall dem US-Präsidenten Barack Obama zur Kenntnis zu bringen, um eine Lösung herbeizuführen. Könnten Sie einen kurzen Überblick über den Zeitablauf seit ihrer Verhaftung vor zwölf Jahren am 12. September 1998 geben?

Leonard Weinglass: Es ist ein Zeitablauf, der die Ungerechtigkeit dieses Falles reflektiert. Die Fünf hätten kurz nach ihrer Verhaftung nach Kuba zurück geschickt werden müssen, wie es in den Vereinigten Staaten bei verhafteten Ausländern üblich ist, die im Auftrag ihres Landes hier waren und mit ihren Aktivitäten keinen Schaden angerichtet haben. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie zuletzt noch das der russischen Agenten, die, nachdem sie nicht einmal drei Monate in Gewahrsam waren, nach Hause geschickt wurden. In diesem besonderen Fall, in dem die Fünf nicht nur keinen Schaden anrichteten, sondern in den USA waren, um gegen Kuba gerichtete Terroranschläge zu verhindern, hätten sie eindeutig zurück geschickt werden müssen.
Stattdessen wurden sie den grausamen Bedingungen der Isolationshaft ausgesetzt, zu Unrecht an einem Ort angeklagt, der ihnen keine faire Verhandlung bieten konnte, wurden Jahre lang Opfer des Fehlverhaltens ihrer Staatsanwälte, und sie wurden unverhältnismäßig und rechtswidrig mit lebenslanger Haft bestraft.
Nach ihrer Verhaftung dauerte es 7 Jahre, bis ein Drei-Richter-Gremium schließlich entschied, dass ihre Verhandlung in Miami eine fundamentale Verletzung ihrer Rechte war, was nur von einem politisch motivierten Einspruch der Regierung außer Kraft gesetzt werden konnte.
Es dauerte 10 Jahre, bis ein Gremium urteilte, dass die von der Richterin ermittelten lebenslangen Strafen gegen die übliche US-Rechtsnorm für Strafverurteilung verstieß, wobei man es der selben in Verlegenheit gebrachten Richterin überließ, Antonios Strafe auf 21 Jahre, Ramons auf 30 Jahre und Fernandos auf 19 Jahre zu reduzieren, während es für Gerardo bei zwei Mal lebenslänglichen Strafen bleibt.
Und es dauerte 10 Jahre, bis eine altgediente Bundesrichterin bei der Überprüfung von Gerardos Verurteilung in einem Dissens schließlich anerkannte, was von Anfang der Wahrheit entsprach: dass Kuba im Recht war, als es seinen Luftraum verteidigte, und dass er [Gerardo] nach jeder vernünftigen Betrachtung des Beweismaterials im Sinne der Anklage unschuldig sei.
Nachdem der Oberste Gerichtshof 2009 den Antrag auf Überprüfung abgelehnt hatte - trotz des nie da gewesenen Aufkommens an Unterstützung, einschließlich der von zehn Nobelpreisträgern, Juristischen Organisationen aus vielen Ländern, vom gesamten mexikanischen Senat, zweier früherer Präsidenten der Europäischen Union - beantragen wir gegen Gerardos Verurteilung jetzt, 2010, das was "collateral attack" oder "habeas corpus" - Überprüfung genannt wird.
Wir haben den Antrag am 14. Juni 2010 gestellt und werden am 11. Oktober ein "Memorandum of Law" [Antragsbegründungsdokument. Anm. d. Ü.] einreichen. Die Regierung wird 60 Tage Zeit für eine Antwort haben und dann werden wir voraussichtlich am Ende dieses Jahres oder Anfang 2011 eine Anhörung für Gerardos Forderungen in Miami bekommen. Wenn wir dort verlieren, werden beim 11. Bezirksberufungsgericht in Berufung gehen und wenn wir dort verlieren, werden wir noch einmal den Obersten Gerichtshof bitten, den Fall zu überprüfen. Daher stehen uns noch Rechtswege offen, die wir verfolgen können.

BD: Könnten Sie mehr Einzelheiten aus der Grundlage angeben, von der der weitere Rechtsstreit für Gerardo ausgeht?

LW: Es gibt grundsätzlich drei Beanstandungen, die wir geltend machen. Eine bezieht sich auf das Fehlverhalten der Regierung der Vereinigten Staaten durch ihre Bezahlung einer Reihe von berühmten Reportern in Miami dafür, dass sie propagandistische Beiträge gegen die Regierung Kubas für den Radio- und Fernsehsender Martí verfassten, und diese Reporter gleichzeitig Artikel schrieben und über die Fünf in den lokalen Medien sprachen. Diese Artikel und Kommentare gehörten zu den Vorurteilsträchtigsten von allen und entzündeten die Feindseligkeit innerhalb der Gemeinde. Die Regierung, die rechtlich dazu verpflichtet ist, allen Angeklagten eine faire Verhandlung an einem vorurteilsfreien Gerichtsort sicherzustellen, bezahlte Reporter, die höchst verleumderisch berichteten, was die Voreingenommenheit gegenüber dem Fall bewirkte. Nach allgemeiner Kenntnis ist so etwas zuvor noch nie passiert. Das ist, so argumentieren wir, ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit, und wir plädieren vor Gericht, die Verurteilung aufzuheben und wieder einmal, Gerardo entweder freizulassen oder diesen Fall für eine faire Verhandlung an einen anderen Gerichtsort zu überstellen. Es gibt sogar das schlagkräftige Argument, dass wenn das, was geschehen ist, demonstriert wird, Gerardo nicht noch einmal vor Gericht gestellt werden darf, sondern auf der Stelle freigelassen werden muss, weil er fälschlicherweise, erstmals durch die Rechtsverletzung der Regierung, in Gefahr gebracht wurde.
Die zweite Beanstandung ist eher verfahrenstechnischer Natur. Die Regierung hat die strikte Anweisung, alles zu übergeben, was Gerardo bei seiner Verteidigung hilfreich sein könnte. Das tat sie nicht. Stattdessen hielt sie Beweisstücke zurück, die seine Unschuld demonstriert hätten. Außerdem hielt sie, und wir beanstanden das, Satellitenaufnahmen zurück, die gezeigt hätten, dass der Abschuss vom 24. Februar 1996 über kubanischen und nicht internationalen Gewässern stattfand. Die Schlüsselagentur der Regierung, die die Satellitendaten verwaltet, weigert sich bis heute, zuzugeben oder abzustreiten, dass sie diese Daten besitzt.
Zuletzt beanstanden wir, dass es eine Fehleinschätzung seitens Gerardos Anwalt bezüglich des internationalen Gesetzes, das in diesem Fall hätte angewendet werden müssen, und einen Fehler bei der Ergreifung effektiver Maßnahmen, Gerardo ein faires Verfahren zu garantieren, gegeben habe. Das war das erste Mal, dass eine Person, die zu der Zeit in den Vereinigten Staaten wohnte, wegen seiner so genannten Verschwörung mit Piloten der Luftwaffe eines anderen Landes angeklagt wurde, die ihre Pflicht erfüllten, indem sie den Luftraum ihres Landes verteidigten. Eine derartige Anklage befindet sich außerhalb jeden Fachbereichs, mit dem irgendein Jurist in den USA jemals konfrontiert wurde. Es hätte eine vollständige und sorgfältige Prüfung der Prinzipien des internationalen Gesetzes geben müssen, was Gerardo eine eindeutige Verteidigungsstrategie gegen die Anklage Verschwörung, Mord begehen zu wollen, ermöglicht hätte. Jetzt liefern wir dem Gericht eine 15seitige Erklärung eines bedeutenden Professors für internationales Recht, der im Detail und präzise erklärt, wie das Gericht und die Verteidigung sich diesem beispiellosen Fall hätten stellen müssen. Es geht sogar über das hinaus, was die Richterin Kravitch befunden hatte, die Regierung habe versäumt zu zeigen, dass Gerardo irgendetwas mit dem zutun hat, was an jenem Tag geschah, und er hätte unter jedem Szenarium für nicht schuldig befunden werden müssen.

BD: Lassen Sie uns jetzt zu dem Fall der anderen Vier übergehen und dahin, wo sie rechtlich stehen. Können wir mit Antonio beginnen, der [ursprünglich] zu lebenslänglich plus 15 Jahren verurteilt worden war?

LW: Antonio verbüßt eine Strafe von 21 Jahren, was bedeutet, dass er in etwa 7 Jahren frei wäre, nach Hause zurückzukehren, vielleicht auch eher. Nichtsdestotrotz war auch Antonio wie Gerardo ein Opfer der Tatsache, dass die Regierung eine Verfehlung begangen hat, als sie Reporter für die für die Fünf belastensden Artikel bezahlte. Also hat Antonio die gleichen Beanstandungen in der Angelegenheit wie Gerardo, und das gilt auch für Ramón und Fernando. Antonio wird seinen Habeas-Antrag in der ersten Novemberwoche stellen, in dem er dieselben Argumente, als auch die für die fehlerhafte Zurückhaltung von Informationen, anführen wird. Ich vermute, Ramón und Fernando werden das gleiche tun.
René ist so nahe an seiner Entlassung 2011, dass es fraglich ist, ob er noch einen Antrag stellt.

BD: Was wäre das Resultat, wenn der Prozess erfolgreich ist? Könnten sie befreit werden?

LW: Unglücklicherweise geht es vor eine Richterin in Miami, dieselbe Richterin, die dem Originalfall vorsaß. Nichtsdestotrotz ist der interessante Aspekt vielleicht, dass, wenn es sich herausstellt, dass die US-Regierung einen Rechtsverstoß begangen hat, als sie diese Reporter bezahlte, könnte gegen die Fünf nicht erneut verhandelt werden, weil nach der "double jeopardy" genannten Doktrin [in etwa: Niemand kann wegen einer Sache zwei Mal bestraft werden. Anm.d. Ü.] ihre Rechte in der ersten Instanz von der Regierung verletzt worden sind. Da die Regierung sie in Gefahr gebracht hat, kann sie jetzt nicht zurückkommen und ein zweites Verfahren anstreben. Das ist eine Angelegenheit, die wir darlegen werden, und ich persönlich habe das Gefühl, dass wir Erfolg dabei haben werden, der Regierung einen Rechtsverstoß zu unterstellen.

BD: Und diese Fälle werden alle gegen Ende des Jahres in den Gerichten von Miami verhandelt?

LW: Ja, sie werden entweder Ende dieses Jahres oder vielleicht bis in das Jahr 2011 hinein stattfinden. Und sie werden zu Beginn in Miami verhandelt, und wenn wir dort verlieren, werden wir zurück nach Atlanta zum 11. Berufungsgericht gehen, wo wir ein Recht auf Berufung haben.

BD: Glauben Sie, dass die weltweiten Kampagnen für die Freilassung der Fünf irgendeinen Einfluss haben?

LW: Absolut, sie sollten fortgesetzt werden, wenn möglich verstärkt. Es gibt keinen Zweifel, dass sie Einfluss haben. Kürzlich wurden sowohl russische als auch chinesische Agenten wegen Spionage in den Vereinigten Staaten verhaftet, und in allen Fällen wurden sie nach Hause geschickt oder zu viel geringeren Strafen verurteilt. Keine politische Frage, nicht Prinzipien des Gesetzes oder der Gerechtigkeit hatten Einfluss auf das Resultat. Selbst wenn man die Behauptung der Regierung akzeptiert, die Fünf seien in Spionage verwickelt, und hätten nicht, was viel realistischer ist, versucht Terrorakte zu beenden, wären ihre Strafen meilenweit außerhalb allem, was ein zivilisiertes Land anordnen würde. Wie wenige andere Fälle auf der internationalen Bühne appelliert dieser Fall an das Gewissen von Menschen in aller Welt.

BD: Also, Sie ermuntern uns alle, die sowohl national als auch international für die Freilassung der Fünf arbeiten, unsere Arbeit zu verstärken und nach verschiedenen Wegen zu suchen, mehr Aufmerksamkeit für diesen Fall zu erregen?

LW: Ja, ich würde definitiv dazu aufrufen. Niemand von uns kann sicher sein, wie die Obama-Administration auf einen Appell, die Fünf freizulassen, reagieren würde. Trotzdem hat die Geschichte gezeigt, dass in zahlreichen Fällen, wie dem der puertoricanischen Patrioten, die Freiheit für politische Gefangene in den USA durch die nachhaltigen Anstrengungen derer, die an die Gerechtigkeit glauben, erreicht werden kann.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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