Radio Havana Cuba

17. Oktober 2011

Interview mit Richard Klugh, Mitglied des Verteidigerteams der "Cuban Five", zu den Bedingungen der über René González verhängten supervidierten Freilassung, einem der Fünf, der am 7. Oktober aus dem Gefängnis in Marianna, Florida, nach Verbüßung seines gesamten Strafurteils von fünfzehn Jahren entlassen wurde.

Bernie Dwyer erreichte Richard Klugh am Freitag, dem 14. Oktober 2011, per Telefon in seiner Kanzlei in Miami.

"Es gibt meiner Kenntnis nach keinen bisherigen Fall in der Geschichte der Vereinigten Staaten, bei dem jemand, der ausländischer Nationalität ist wie René, dessen Familie im Ausland lebt und dessen Ehefrau nicht in die Vereinigten Staaten einreisen kann, davon abgehalten worden wäre, sich mit seiner Familie zu vereinen - Familie ist doch für die eigentliche Absicht einer supervidierten Freilassung so wichtig."

Bernie Dwyer (BD): Bevor wir auf Renés Bewährungsumstände zu sprechen kommen, könnten wir vielleicht eine Reihe von Missverständnissen klären. Nach einigen Medienberichten ist die Bewährungszeit, die René verbüßt, eine zusätzliche Strafe zu seinem ursprünglichen Strafurteil und man sagt, dass er damit ohne viel Kenntnis davon geschlagen worden sei. Könnten Sie das bitte aufklären?

Richard Klugh (RK): Die supervidierte Freilassung oder Bewährungszeit gehört zu dem ursprünglichen Urteil. Es gehört zu jedem Strafurteil. Was im letzten Moment entschieden wurde, unterschied sich von anderen Fällen mit Ausländern, deren Familien außerhalb der Vereinigten Staaten leben, nämlich dass René nicht erlaubt wurde, sich wieder seiner Familie anzuschließen.

BD: Weil er ein US-Bürger ist?

RK: Die dafür gegebene Erklärung lautet - und das ist einmalig, und wenn ich sage einmalig, dann ist es das einzige Mal, das es je vorgekommen ist - dass, weil das Gericht die Macht hat, ihn in den Vereinigten Staaten zu halten, wird es ihn auch in den Vereinigten Staaten behalten. Seine US-Staatsbürgerschaft wurde in keiner Anordnung erwähnt, obwohl, wenn er kein US-Bürger wäre, könnte die US-Regierung ihn vermutlich auf andere Weise bestrafen, indem sie ihn weiter für eine längere Zeit inhaftierte, um die Ausweisungsverfahren abzuwickeln.

BD: Es wurde auch gesagt, dass René zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde und seine gesamte Zeit verbüßt habe. Andererseits wurde er nach 13 Jahren entlassen. Könnten Sie dazu etwas sagen?

RK: Nach dem Gesetz der Vereinigten Staaten gilt, wie ich denke, dass es im allgemeinen auch für andere Länder gilt, dass Gefangenen als Ansporn für gute Führung ein Guthaben auf die Verbüßung der Strafzeit gewährt wird, wenn sie gute Führung aufweisen. Das Guthaben der Vereinigten Staaten ist sehr klein, es beträgt kaum mehr als 10%, doch Renés Führung war natürlich vorbildlich, und er hatte keinerlei Probleme. Er verbüßte seine fünfzehnjährige Strafe in gerade kaum mehr als dreizehn Jahren.

BD: In der Nacht vor seiner Freilassung wurde René González in einer Isolationszelle im Marianna-Gefängnis, bekannt als "das Loch", gehalten. Ist das ein normales Verfahren?

RK: Meiner Kenntnis nach ist es unüblich, und die Gründe dafür wurden mir nicht klar. Mir ist so etwas in keiner anderen Situation zuvor begegnet.

BD: Können wir daraus irgend welche Schlüsse ziehen?

RK: Ich weiß nicht, welche Schlüsse wir daraus ziehen könnten. Die Wahrheit ist, dass René einer Gefangenhaltung ausgesetzt war, die zu hoch für seinen Status war. Wiederum, wenn er als Bürger der Vereinigten Staaten behandelt worden wäre, wäre ihm natürlich vor etlichen Jahren eher erlaubt worden, in ein Gefängnislager zu gehen, statt in einem Gefängnisgebäude gehalten zu werden. Aber die Behandlung Renés war außerordentlich hart, trotz seiner perfekten Führung.

BD: Lassen Sie uns über Renés Bewährungsauflagen reden. Können Sie die Regeln, die er befolgen muss, umreißen?

RK: Er muss die Standardbedingungen der überwachten Freilassung erfüllen. Der Zweck überwachter Freilassung ist, jemanden zu re-orientieren und in die Gesellschaft zu re-integrieren und innerhalb der Gesellschaft normale Dinge tun zu lassen. Einer der Hauptzwecke besteht in der Unterstützung der Familie, zur Arbeit zu gehen und die Familie zu unterstützen, aber in seinem Fall scheint die gesamte Funktion der überwachten Freilassung darin zu bestehen, ihn von seiner Familie zu trennen und es ihm sogar zu erschweren, seine Familie zu unterstützen.
Daher ist es sehr schwierig, den Gesetzestext mit dessen Effekt zu vereinbaren. Aber er darf nicht gegen irgend ein Gesetz verstoßen, und er muss seinem Bewährungshelfer einmal im Monat Bericht erstatten, und er muss seinen Aufenthaltsort beibehalten. Das sind die Standardbedingungen im Wesentlichen.
Die Richterin fügte in seinem Fall eine Bedingung hinzu, die von Anfang an als unüblich vermerkt wurde, dass es ihm verboten sei, mit Terroristen in Verbindung zu treten.
Angeblich hatte das mit der Tatsache zu tun, dass er innerhalb der Organisation von "Brothers to the Rescue" ermittelte, die in kubanisches Territorium eindrang und die Kuba für eine terroristische Organisation hielt.
Die Bedeutung dieser Anordnung ist immer wieder verblüffend, wenn sie denn nicht bedeutet, dass er es unterlassen soll, Terrorakte gegen Kuba zu untersuchen.

BD: Darf er den Staat Florida verlassen, oder muss er innerhalb der geografischen Grenzen bleiben?

RK: Seine Reisen außerhalb Südfloridas werden vom Gericht und dem Bewährungsamt geregelt, sodass er eine Erlaubnis braucht.

BD: Mit anderen Worten, er muss in Miami bleiben?

RK: Theoretisch kann er beantragen, seinen Wohnort in eine andere Region zu verlegen. Allerdings wird das nicht automatisch genehmigt, und in einem Fall, in dem die überwachte Entlassung im Wesentlichen benutzt wird, um ihn weiter zu bestrafen, ist es unwahrscheinlich, dass er das tun können wird. Aber noch einmal, die Ironie in diesem Fall ist, dass die überwachte Entlassung benutzt wird, um ihn daran zu hindern, sich mit seiner Familie zu vereinigen, ihn daran zu hindern, seinen Töchtern und seiner Frau emotionale und andere Unterstützung zu geben, und weiterhin die unnötige Trennung von Ehemann und Ehefrau, von Vater und Töchtern, durchzusetzen.

BD: Würden Sie sagen, dass die Regeln, die René González auferlegt wurden, denen der meisten Gefangenen gleichen, und wir reden hier nicht von Schwerverbrechern, die unter überwachten Bedingungen aus dem Gefängnis kommen? Würden Sie sagen, dass das, was René erlebt, dem mehr oder weniger gleicht?

RK: Der Unterschied zwischen dem, was René erlebt, und dem, was andere Gefangene erleben, ist der, dass in jedem anderen Fall den Angeklagten erlaubt wird, sich mit ihrer Familie wiederzuvereinen.
Die einzigartige Härte, die in diesem Fall an René begangen wird, ist, dass der grundsätzliche Zweck einer überwachten Entlassung, nämlich jemandem zu helfen, die Verbindung zur Familie wiederherzustellen und sein Leben wieder einzurichten, wird von der überwachten Entlassung selbst unterwandert. Infolge der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten sie zur Taktik bei Verhandlungen genutzt haben, wird völlig klar, dass der Zweck ist, Leid oder Strafe zuzufügen, was in anderen Fällen nicht gemacht wird.
Im technischen Sinne käme jemand normalerweise zurück, um in dem Bezirk zu leben und dort unter Überwachung gestellt zu werden. Es gibt meiner Kenntnis nach keinen bisherigen Fall in der Geschichte der Vereinigten Staaten, bei dem jemand, der ausländischer Nationalität ist wie René, dessen Familie im Ausland lebt und dessen Ehefrau nicht in die Vereinigten Staaten einreisen kann, davon abgehalten worden wäre, sich mit seiner Familie zu vereinen - Familie ist doch für die eigentliche Absicht einer supervidierten Freilassung so wichtig.

BD: Und René González selbst, wie geht er mit der neuen Belastung um?

RK: René ist eine sehr starke Persönlichkeit. Er hat einleuchtend und auf ausdrückliche Weise erklärt, wie sehr er davon überzeugt ist, dass seine Mission überhaupt nicht den Zweck hatte, den Vereinigten Staaten zu schaden, und dass er in der Beziehung keinen Groll gegen die Vereinigten Staaten hegt. Also, er ist eine starke Persönlichkeit, die welche Art von Bestrafung auch immer überstehen wird. Und es ist bedauerlich, dass Vorgehensweisen, die ganz anderen Zwecken dienen sollten, auf völlig unverhältnismäßige und ungerechte Art für politische Ziele genutzt werden.

BD: Werden die anderen vier, Gerardo Hernández, Fernando González, Antonio Guerrero and Ramón Labañino, die immer noch ihre langen, langen Strafen absitzen, ihre Bewährung in den Vereinigten Staaten ableisten müssen?

RK: Theoretisch könnte ein anderer der Fünf, der die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten besitzt, sich den gleichen Möglichkeiten gegenüber sehen. Man möchte hoffen, dass sie, wenn sie entlassen werden, auf eine angemessenere Einstellung der Regierung treffen werden.

BD: Also sprechen wir hier von Antonio Guerrero. Es könnte nicht auf Gerardo, Ramón und Fernando angewendet werden?

RK: Das ist richtig.

BD: Wie steht es um die derzeitige Rechtslage der anderen Vier?

RK: Sie verfolgen alle die Entbindung von außergewöhnlichen Verletzungen und fundamentalen Rechten auf ein faires Verfahren.
Wir prozessieren Punkt für Punkt gegen die Trugschlüsse der Argumentation der Regierung, die Vorlage falscher Beweismittel und den Missbrauch von Beweismitteln, um nicht nur Gerardo sondern alle Fünf zu verurteilen, des Weiteren weisen wir darauf hin, wie koordiniert der politische und staatsanwaltliche Missbrauch in dem Fall war - einmal mehr die außergewöhnliche und ungerechte Art, diese ungerechten Urteile und Strafmaße zu erreichen.

BD: Hat es irgend eine Reaktion des US-Rechtssystems gegeben?

RK: Wir warten auf eine weitere Antwort der Vereinigten Staaten auf die Anträge von Ramón und Fernando, und es wird vermutet, dass sie ihre Antwort Ende November einreichen werden.

Dieses Interview wurde am 17. Oktober 2011 von Radio Havana Cuba gesendet.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: ACN vom 17. Oktober 2011)

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