Interview von Gloria La Riva, der Koordinatorin des nationalen US-Komitees zur Befreiung der "Cuban Five", mit Philip Horowitz, dem Anwalt von René González

17. Oktober 2011

F: Herr Horowitz, danke für die Gelegenheit dieses Interviews. Ich weiß, dass Sie sehr beschäftigt gewesen sind. Vor Monaten hatte René González das Recht auf vorzeitige Freilassung erworben, um an einen geschützten Ort ziehen zu können, aber wie ich es verstanden habe, wurde ihm das verweigert. Jetzt fordert die Richterin Lenard, dass René in den Vereinigten Staaten verbleiben solle, um noch drei Jahre überwachter Freilassung zu verbüßen. Ist das in seinem Fall nicht ungewöhnlich, insbesondere, da er seine gesamte Strafe verbüßt hat? Was ist der Zweck einer überwachten Freilassung im allgemeinen? Wie wird sie auf René angewandt?

A: Nach der Strafrechtsreform von 1984 wurde 1987 die Haftentlassung auf Bewährung auf Bundesebene abgeschafft. An Stelle der vorherigen Bewährung wurde jedem Angeklagten, der für eine bestimmte Zeit inhaftiert sein soll, eine Zeit der supervidierten Überwachung nach seiner Inhaftierung zugeteilt, ähnlich der vorherigen Regelung der Bewährungszeit.
In Renés Fall ist zum Ersten nicht ungewöhnlich, dass eine überwachte Bewährungszeit nach der Verbüßung seiner Strafzeit folgt. Zum Zweiten ist es angesichts der Tatsache ungewöhnlich, dass René die doppelte Staatsbürgerschaft hat, die buchstäblich vom Bezirksgericht ignoriert wurde, als sie von ihm verlangte, die Zeit der überwachten Freilassung in den Vereinigten Staaten zu verbringen. Üblich ist, dass ein Angeklagter, der kein Bürger der Vereinigten Staaten ist, ausgewiesen wird und seine überwachte Freilassung, aber nur auf dem Papier, in seinem Heimatland verbüßt. Ein Kolumbianer würde zum Beispiel nach Kolumbien ausgewiesen, und in Bogotá gäbe es keinen Bewährungshelfer für ihn. Dieser Mensch wäre zu Hause bei seiner Familie, fachlich gesehen stünde er unter überwachter Freilassung, wäre aber keiner Verpflichtung zur Berichterstattung oder anderem unterworfen, was mit überwachter Freilassung einhergeht, wie es René jetzt ist.

F: Es wurde erwähnt, dass es eine Möglichkeit gäbe, seine US-Staatsbürgerschaft aufzugeben. Angesichts der Beziehungen zwischen den USA und Kuba würde ihn das nicht einer Gefahr aussetzen oder dem Risiko, wieder verhaftet zu werden?

A: René bot vor seiner Freilassung an, seine US-Staatsbürgerschaft aufzukündigen, um als Gegenleistung dazu, nach Kuba zurückkehren zu können. Das Angebot wurde von der Regierung nicht akzeptiert, weil René sich noch hier aufhält. Wenn er vor die Wahl gestellt würde, würde mein Klient sich immer dafür entscheiden, zu seiner Familie zurückzukehren. Wenn das bedeutete, dass er seine US-Staatsbürgerschaft aufgäbe, dann solle es so sein. Seine Ehe ist ihm wichtiger als das, die Möglichkeit, seine Kinder zu sehen ist wichtiger als das.

F: Am 11. Oktober traf René seinen Beamten, der seine bedingte Freiheit überwacht, zum ersten Mal. Was sind die Bedingungen? Muss er eine Arbeit annehmen, kann er in einen anderen Staat umziehen, und was ist dafür erforderlich? Ist er gerade auf der Suche?

A: René hat sowohl Standardauflagen wie auch Sonderauflagen für seine Bewährung. Die Standardauflagen sind ganz typisch für jeden Angeklagten, der sich in überwachter Freilassung befindet. Dazu gehören die einträgliche Beschäftigung oder die aktive Suche danach, keine Schusswaffe oder andere gefährliche Waffen zu besitzen, er kann den Gerichtsbezirk, in dem er wohnt, nicht ohne Erlaubnis des Bewährungshelfers verlassen, er muss einmal im Monat Bericht erstatten.
Wenn er seine Adresse ändert, muss er seinen Bewährungshelfer informieren, muss sich auch von exzessivem Alkoholgenuss enthalten etc. Das ist ganz nach dem Standard, nicht nur für René.
René hat auf Anordnung der Richterin einige zusätzliche, besondere Auflagen: Er muss seinem Bewährungsbeamten den vollständigen Zugang zu seiner finanziellen Information geben, Untersuchungen über seine Person und sein Eigentum zulassen und vorlegen, dass es vernünftig innerhalb einer angemessenen Zeit geführt wird, was auch noch zu den Standardbedingungen gehört. Eine andere Sache, die sich in Renés Fall davon unterscheidet, ist, dass ihm verboten wird, sich mit Personen in Verbindung zu setzen oder besondere Orte aufzusuchen, an denen sich Personen oder Gruppen wie Terroristen, Mitglieder von Gewaltanwendung befürwortenden Organisationen, Personen des organisierten Verbrechens befinden oder von denen bekannt ist, dass sie sich dort häufig aufhalten.

F: Planen Sie irgend welche Rechtsanträge zu stellen, damit René nach Hause zurückkehren kann? Sie haben früher erklärt, dass Sie möglicherweise ein höheres Gericht dazu anriefen.

A: Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor, Einspruch gegen die Anordnung der Richterin vom 16. September bei einem höheren Gericht einzulegen. René hat beschlossen, der Richterin durch seine Führung zu zeigen, dass er eine Person ist, die es verdient, nach Kuba zurückzukehren. Und jetzt ist er dabei, das zu beweisen. Zu angemessener Zeit werde ich mein Gesuch, dass es ihm erlaubt sein sollte, den Rest der überwachten Freilassung in Kuba zu verbringen, erneuern. Es gibt noch keinen Zeitplan dafür.

F: Wenn René jetzt nicht nach Hause gehen darf, wie steht es um die Möglichkeit, dass seine Ehefrau Olga in die USA kommen kann?

A: Olga wurde im Jahr 2000 aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen, und sie kann nicht ohne eine ausdrückliche schriftliche Erlaubnis des US-Justizministers wieder in die Vereinigten Staaten einreisen oder, ich glaube, des Direktors für Staatsbürgerschaft und Einbürgerung, es könnte auch die Zoll- und Grenzschutzbehörde, eine dieser Behörden für die Innere Sicherheit sein. Sie müssen Olga eine ausdrückliche schriftliche Erlaubnis geben, in die USA kommen zu dürfen.

F: Viele sind um Renés Sicherheit in Südflorida besorgt. Die Terroristen zu beobachten, das war doch die Mission aller Fünf, und es gibt viele von ihnen, einschließlich Posada, die frei durch die Straßen Miamis spazieren. Sind Sie um seine Sicherheit besorgt?

A: Absolut, ich bin um seine Sicherheit besorgt, Punkt.

F: Wie kann er unter diesen Umständen eine Arbeit finden, oder auch nur danach suchen?

A: Ich kenne René, er ist extrem einfallsreich, er ist sehr, sehr helle, und ich hoffe, es wird ihm nicht schwerfallen, eine Beschäftigung zu finden.

F: Als René letzten Freitag aus dem Gefängnis kam, waren Sie dort, um ihn gemeinsam mit seiner Familie zu begrüßen. Was haben Sie gesehen?

A: Ich sah einen Mann, wie er sich mit seinen Töchtern wiedervereinte, die er seit dreizehn Jahren nicht mehr außerhalb des Besuchsraums des Gefängnisses gesehen hatte. Eine davon war zu jung, um sich erinnern zu können, sie war vier Monate alt, als er verhaftet wurde. Es war reine Freude. Und das Wiedersehen mit seinem Vater und seinen Brüdern war einer der zärtlichsten Augenblicke, von denen ich in meiner 26 Jahre langen Justizpraxis Zeuge wurde.

F: Werden Sie weiterhin Mitglied des Verteidigerteams der Cuban Five bleiben? Gibt es noch weitere schwebende Rechtsangelegenheiten für René?

A: Natürlich werde ich dabeibleiben. Ich arbeite seit 1998 an dem Fall. Die Fünf haben immer als Team gearbeitet. Für René ist die Entlassung bittersüß, weil er seine vier Landsleute zurück lässt. Seine vier Brüder sitzen immer noch, wir kämpfen immer noch für die selbe Sache, nämlich dass alle Fünf mit ihren Familien wiedervereint werden.

F: Sind Renés Redefreiheit und seine Möglichkeiten, für die Sache zu sprechen, eingeschränkt, nicht in rechtlichem Sinne, sondern als Angelegenheit seines "Verhaltens" in den Vereinigten Staaten? René wäre ein kraftvoller Sprecher für die Freiheit aller Fünf.

A: Redefreiheit ist etwas Anderes als das Verhalten. Ich habe es so verstanden, dass die Redefreiheit für René nicht eingeschränkt ist, anders als im Gefängnis, wo seine gesamte Korrespondenz kontrolliert wurde, mit Ausnahme von Material zwischen Anwalt und Klient oder diplomatisches Material. Ich habe es so verstanden, dass ihm die Redefreiheit gestattet wird. Keine seiner Post oder Erklärungen wird zensiert.

F: Wie eingeschränkt sind seine Reisen innerhalb der Vereinigten Staaten?

A: Es gibt 94 Zonen innerhalb des Justizsystems der Vereinigten Staaten, die Bundesbezirke. In welchem Bezirk René auch wohnt, er darf ihn nicht ohne Erlaubnis des Bewährungshelfers verlassen. Wenn er zum Beispiel im Bezirk Südflorida wohnt, darf er von Vero Beach im Norden bis Key West im Süden reisen, aber wenn er in die Disney World gehen möchte, braucht er die Erlaubnis des Bewährungshelfers, weil es außerhalb des südlichen Bezirks liegt.

F: Ist Richterin Lenard immer noch für ihn zuständig?

A: Ja, ist sie. Der Bewährungshelfer arbeitet für das Gericht und überwacht seine Anpassung.

F: Was denken Sie über diese langen Jahre der Inhaftierung der Fünf? Was denken Sie über Gerechtigkeit im Fall der Cuban Five?

A: Ich glaube für die Angeklagten, alle Fünf, und auch für mich selbst, ist es etwas, was man nur einmal im Leben erlebt, und es dauert noch an. Ich denke, dass das Vertrauen in das Justizsystem nicht honoriert wurde. Wir sollten Vertrauen zum Justizsystem der Vereinigten Staaten haben, ich glaube nicht, dass das in diesem Fall honoriert wurde. Von Gerardo bis zu Ramón und Tony, bis zu Fernando und René, allen wurde bewiesen, dass das Justizsystem nicht funktioniert.

F: Erzählen Sie uns bitte von René als Mensch, und den anderen der Fünf, falls Sie sie alle kennen.

A: Ich kenne Sie seit vielen Jahren. Ich habe mit ihnen zusammen siebeneinhalb Monate vor Gericht gesessen. Sie sind einige der gebildetsten Menschen, die ich je getroffen habe, einige der brillantesten und talentiertesten Leute, die ich je getroffen habe. Die Erfahrung, sie zu kennen und von ihnen, als jemand der nicht ihren Hintergrund hat, zu lernen, einzeln und kollektiv, öffnete mir für viele Dinge die Augen.

F: René war immer heiter, mit großem Optimismus in all' den Jahren. Wie fühlt er sich jetzt?

A: Offensichtlich noch etwas heiterer. Er hat jeden wachen Moment mit seinem Bruder, seinem Vater und seinen beiden Töchtern verbracht. Und man kann sehen, wie sie wieder zusammenkommen, es ging sehr schnell, wie er sich einfügte, nachdem er so lange von seiner Familie getrennt war. Man kann sehen, wie die Familie immer noch zusammenhält. Die Beziehung zwischen ihm und seinem Bruder machte genau dort weiter, wo sie unterbrochen wurde, es ist unglaublich. Und genau so mit seinen Töchtern und seinem Vater. Was fehlt, ist das Zusammensein mit seiner Frau.

F: Im Namen so vieler Menschen, die sich am Kampf für ihre Freiheit beteiligen, sind wir so dankbar für Ihre Mühen und die des Verteidigerteams. Die Tatsache, dass die Anwälte durch die Berufungen dabei geblieben sind, ist außergewöhnlich. Ich glaube, Ihre Beziehung wird weit über das Ende des Falles, wenn alle Fünf zu Hause sind, andauern.

A: Vielen Dank.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: www.freethefive.org vom 17. Oktober 2011)

Zurück