Kubaner in den USA verurteilt: Wer sind die wahren Verbrecher?

Interview mit Adriana Perez in der "jungen Welt" vom 8. Oktober 2003
Interviewer: Rainer Schultz

jW sprach mit Adriana Perez. Sie ist die Ehefrau von Gerardo Hernandez, der im Dezember 2001 in Miami, USA, wegen Spionage zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Sie war am Dienstag Gast einer Solidaritätsveranstaltung in Berlin

F: Was waren die Aufgaben Ihres Mannes und der anderen vier verurteilten Kubaner in den USA?

Mein Mann und seine Kollegen haben nicht – wie die Presse behauptet – Geheimdokumente der US-Regierung gesucht. Sie haben, nachdem es in unserem Land immer wieder Anschläge aus Miami gab, die Notwendigkeit gesehen zu erfahren, was diese Gruppen vorhaben, die sich stolz zu diesen Taten bekennen. Unsere Männer wollten damit Leben in Kuba retten. Viele Mitgefangene von Gerardo sind Kubaner, und sie respektieren ihn, auch wenn sie politische Differenzen haben, weil er mit seiner Informationssuche auch das Leben ihrer Familien geschützt hat. Im Übrigen hat auch das Gericht offiziell verkündet, daß die fünf weder geheime Dokumente besaßen noch eine Gefahr für die Sicherheit der USA darstellten.

F: Gerardo Hernandez wurde im September 1998 festgenommen. Seitdem haben Sie Ihren Mann nicht mehr sehen können?

Nein, mir ist der Besuch verweigert worden. Unsere einzige Möglichkeit, in Kontakt zu bleiben, ist es, Briefe zu schreiben. Ich habe mehrere Visumsanträge gestellt, um meinen Mann wiederzusehen. Aber bisher wurde mir nur einmal ein Visum erteilt. Im vergangenen Juli bin ich daraufhin in die USA gereist. Aber bereits am Flughafen von Houston wurde ich festgenommen, vom FBI verhört und mußte das Land wieder verlassen.

F: Welchen Eindruck haben Sie aus den Briefen vom Zustand der Gefangenen?

Bisher widerstehen sie offenbar den Versuchen, sie einzuschüchtern, der psychischen und physischen Folter. Eine große Hilfe dabei ist der internationale Zuspruch, sie haben bereits Tausende ermutigender Briefe erhalten.

F: In Kuba wird seit vielen Monaten eine Kampagne für die Freilassung geführt.

In Kuba unterstützt praktisch die gesamte Bevölkerung diese Kampagne. Die Menschen wissen, daß es dabei auch um ihre Sicherheit geht. Viele sprechen mich an, sagen, wir kennen den Fall, fühlen und kämpfen mit dir. Im Dezember 2001 wurden die fünf zu Helden der kubanischen Republik erklärt. Sie sind wirkliche Kämpfer gegen den Terrorismus. Und sie fehlen unserem Land: René ist Fluglehrer, Antonio Flugzeugmechaniker, Gerardo und Fernando sind Diplomaten, Ramon ist Ökonom.

F: Welche Bedeutung messen Sie der internationalen Unterstützung bei?

Sie ist wahrscheinlich das Allerwichtigste, um den USA zu zeigen, daß sie all das nicht unbeobachtet tun und nicht ohne Gegenwehr. Wir Angehörigen der Familien haben schon viele Länder besucht, es gibt mittlerweile Solidaritätskomitees in 77 Staaten. Auch wenn die großen Medien bisher über den Fall schweigen, so gibt es doch viele Multiplikatoren, die dann wiederum Einfluß nehmen können. So wurde zum Beispiel die Isolationshaft in diesem Jahr beendet. Während meines Besuchs jetzt in Europa haben wir viele Gespräche mit Abgeordneten nationaler Parlamente und auch des Europaparlaments. Das Interesse wächst.

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