SIEGFRIED SCHOLZE

Leipzigs Neue, 17. Dezember 2004

Viva la Solidaridad!

Auch nach George Bushs Wiederwahl oder gerade deswegen wird die internationale Solidarität der "Cuban Five" weiter wachsen

Wenn heute vom Ende des Kalten Krieges die Rede ist und die Sieger ihren Triumph bejubeln, heißt dies nicht, dass nun die Waffen schweigen. Es gibt auch noch Kräfte, die sich dem Willen und den Interessen der Sieger nicht beugen, die bestrebt sind, gegen sie gerichtete menschenrechts- und völkerrechtswidrige Machenschaften, darunter staatsterroristische Akte und Mordanschläge, zu durchkreuzen. Was erfordert, dass engagierte Antiterrorristen unerkannt in die Höhlen der Verschwörer und Terroristen eindringen und deren Aktionen rechtzeitig scheitern lassen.
Ein eindringliches Beispiel dafür sind die "Cuban Five³, die im Bush-Imperium wegen ihres Kampfes gegen antikubanischen Terror gefangen gehalten werden. Die fünf kubanischen Patrioten wurden schon vor sechs Jahren, am 12. September 1998, in den USA verhaftet und zu ungerechten, ungewöhnlich schweren Strafen verurteilt, weil sie - freiwillig und unbewaffnet - den von Miami aus gegen Kuba operierenden Terrororganisationen auf der Spur waren. Im Juni 1998 hatten die kubanischen Behörden ihre Erkenntnisse an das FBI mit dem Ersuchen um Strafverfolgung der Terroristen übergeben.
Den Fünf war es gelungen, in über 170 Fällen Anschläge zu verhindern. Statt jedoch gegen die terroristischen antikubanischen Organisationen in den USA vorzugehen, zogen es die US-Behörden vor, gegen die fünf Kubaner zu ermitteln, sie zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Es handelt sich um

  • Gerardo Hernández (verurteilt zu 2 x lebenslänglich plus 15 Jahre Haft),

  • Ramón Labañino (lebenslänglich plus 18 Jahre Haft),

  • Antonio Guerrero (lebenslänglich plus 10 Jahre Haft),

  • Fernando González (19 Jahre Haft) und

  • René González (15 Jahre Haft).

Ramón ist Wirtschaftswissenschaftler. Antonio ist Flughafeningenieur, er leitete seinerzeit den Ausbau des Flughafens von Santiago de Cuba und ist ­ wie Ramón - auch als Dichter bekannt, René ist Fluglehrer, Fernando und Gerardo sind ausgebildete Diplomaten.
Die fünf Kubaner wurden in einem unfairen Verfahren in Miami verurteilt. Ohne jegliche Begründung mussten sie zunächst rund eineinhalb Jahre in Isolationshaft verbringen - ohne Kontakt zu ihren Anwälten und ohne Wissen ihrer Familien, wo sie sich befinden. Rund 800 Dokumente der Angeklagten wurden als ³streng geheim³ eingestuft, was ihnen unmöglich machte, sie zu ihrer Verteidigung einzusetzen. Weder Zeugenaussagen zu Gunsten der Angeklagten von hochrangigen Militärs noch die mangelnde Beweislage seitens der Staatsanwaltschaft änderten etwas am vorausbestimmten Ausgang des Verfahrens. Die Militärs hatten übrigens ausgesagt,, dass von den Fünf keine "Regierungs- oder Militärgeheimnisse ausspioniert³ wurden und sie auf den ihnen zur Last gelegten Abschuss von zwei Kleinflugzeugen (die in den kubanischen Luftraum eingedrungen waren) keinen Einfluss hatten. In Miami (Florida), der Hochburg der exilkubanischen Gemeinde, antikubanischer Terrorgruppen und öffentlicher, gegen Kuba gerichteter Stimmungsmache, war keine unparteiische Jury zu erwarten. Der zuständige Gouverneur von Florida, Jeb Bush, Bruder des gegenwärtigen Präsidenten der USA, hatte ohnehin grünes Licht gegeben.
Jeder der Verurteilten wird in einem anderen Hochsicherheitsgefängnis der USA festgehalten. Entgegen allen Menschenrechtsnormen dürfen die Ehefrauen von Gerardo Hernández und René González sowie dessen gerade sechsjährige Tochter Ivette den Ehemann bzw. Vater nicht besuchen.
Eine Neuaufnahme des Verfahrens an einem Ort außerhalb Floridas - unter Einbeziehung der bisher verweigerten, unberücksichtigt gebliebenen Beweise zugunsten der Angeklagten und Überprüfung der Schuldangemessenheit der verhängten Strafen sowie der dabei erheblichen Überschreitung des gesetzlichen Strafmaßes ­ wurde ist den Angeklagten nicht zugestanden. Es wird an den Konstrukten der "Verschwörung zum Mord³ und "Verschwörung zur Spionage³ und an entsprechender Verurteilung ohne hinreichende Beweise festgehalten. Obwohl die Fünf sich als vorbildliche Gefangene verhielten, wurden sie während des gesamten Monats März 2003, ohne Angabe von Gründen, innerhalb ihrer Gefängnisse auf Anordnung der Regierung wieder in eine folterähnliche Isolationshaft verbracht. Erst nach internationalen Protestbriefen, auch von Amnesty International, wurden sie daraus entlassen. Zu den Verteidigern der Fünf gehört der legendäre US-Bürgerrechtsanwalt Leonard Weinglass, der bereits Angela Davis und Mumia Abu-Jamal verteidigteEs gelang den Anwälten, die im April 2003 ein Berufungsverfahren einleiteten, am 10. März 2004 eine mündliche Anhörung vor drei über 80 Jahre alten Richtern aus Atlanta in Miami zu erreichen.
Zu den Unterstützern der "Cuban Five³gehören auch die Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, der Linguist und Philosoph Noam Chomsky, die Pulitzer-Preisträgerin Alice Walker und Ramsey Clark, ehemaliger Justizminister der USA unter Präsident Johnson. Doch noch immer haben sich die Richter aus Atlanta nicht entschieden. Das macht um so deutlicher, wie wichtig die öffentliche Unterstützung der Fünf ist. Der Bevölkerung im Osten Deutschlands dürfte noch bewusst sein, wie sehr die Massenkampagne der zu Unrecht angeklagten und
vom Tode bedrohten
Angela Davis geholfen hat, sie freizukämpfen. Eine solche Kraft ist heute nicht mehr in die Waagschale zu werfen. Dennoch existieren inzwischen mehr als 200 Komitees in rund 80 Ländern, die sich für die rechtsstaatliche Behandlung und Freilassung der Fünf einsetzen.
Die Vorgehensweise gegen die Fünf ist kein Einzelfall. Sie ordnet sich ein in die seit über 50 Jahren andauernde Politik der Blockade und Aggression, mit der 10 aufeinander folgende Administrationen der USA versucht haben, das politische System in Kuba in ihrem Sinne zu verändern. Als "Schurkenstaat³ von den USA verdammt. drohen Militärschläge wie gegen den Irak. Gut finanzierte antikubanische, regimefeindliche und verleumderische Rundfunk- und Fernsehsendungen tragen dazu bei, legitime Maßnahmen Kubas zu seiner Selbstverteidigung zu verleumden. Neben der über die Medien gesteuerten Hetzkampagnen wurden jüngst für die nächsten zwei Jahre 59 Millionen US-Dollar für kubanische Dissidenten zur Verfügung gestellt und ein entsprechender "Entwicklungsfonds³ mit internationalen Geldern angelegt. Mit Recht fordern alle für die allseitige Wahrung der Menschenrechte eintretenden Kräfte

  • - die sofortige und bedingungslose Freilassung der fünf Kubaner aus der politischen Gefangenschaft der USA,

  • - die Beendigung und Verurteilung der antikubanischen Terrorakte und der Subversion seitens der USA und der von ihnen unterstützten Organisationen und Gruppierungen,

  • - die unmittelbare, vollständige und bedingungslose Aufhebung der Wirtschaftsblockade gegen Kuba,

  • - die Verurteilung der systematischen Verletzung der Menschenrechte, einschließlich der Misshandlung der Gefangenen auf der USA-Militärbasis Guantanamo,

  • - die Verurteilung der militärischen Bedrohung Kubas seitens der USA und

  • - die Aufhebung aller, in jüngster Zeit wesentlich verschärften Sanktionen gegen Kuba, einschließlich der von der Europäischen Union verhängten, sowie die sofortige Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen ihr und Kuba.

Solidaritätsspenden erwünscht an Netzwerk Cuba, Postbank Berlin, BLZ 10010010, Kto. 32333100, Stichwort: miami5

Dazu Bildtexte der Redaktion:

Zu Bild von Demo in London "FREE THE MIAMI 5":

Wie hier in London demonstrieren überall auf der Welt Mitglieder von bereits über 200 Unterstützerkomitees für die Freilassung der von den USA-Behörden kriminalisierten und zu Unrecht eingekerkerten fünf kubanischen Kundschafter, die ihr Land vor Terroranschlägen bewahrten. Mit über 20000 Unterschriften wurde Präsident Bush gebeten, die Fünf in ihre Heimat zu entlassen. Keine Chance. Nun ist der Scharfmacher wieder gewählt. Erst recht keine Chance für die Fünf. Ihre Verteidiger und Freunde überall in der Welt aber sagen: Venceremos! Hasta la victoria siempre!

Zum Faksimile des Artikels in der New York Times:

Mit diesem ganzseitigen Inserat in der New York Times wollte das US-Verteidigungskomitee der Miami Five das offizielle Schweigen über diese Helden brechen. Warum, so fragen sie, werden die Terroristen aus Miami nicht verurteilt? Gesponsert ist diese Aktion unter anderem von der Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, von Harry Belafonte, dem Philosophen Noam Chomsky und Ramsey Clark, ehemaliger US-Justizminister.

SIEGFRIED SCHOLZE

Siegfried Scholze, Jg. 1928, erwarb nach einer Ausbildung als Großhandelskaufmann, Kriegseinsatz, Maschinenschlosserlehre und mehrjähriger Tätigkeit als Hauer im Fernstudium 1961 das Historiker-Diplom.
1969 Promotion zu einem Thema der Geschichte der Jugendbewegung und 1975 Habilitation auf dem Gebiet der Geschichte der internationalen Frauenbewegung.
Er lehrte von 1962 bis 1990 an der Pädagogischen Hochschule "Clara Zetkin" in Leipzig, wo er - 1979 zum ordentlichen Professor für Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit berufen - zugleich in einer Forschergruppe zur Geschichte der Frauenbewegung wirkte.
Er ist Autor, Mitautor bzw. Herausgeber zahlreicher Werke zur Geschichte der Jugend- und der Frauenbewegung.
Prof. Dr. Scholze ist aktives Mitglied im deutschen Komitee zur Befreiung der Fünf Kubaner "¡Basta Yá!"

Zurück