Der Fall der "Cuban Five" - Drei mögliche Wege im Kampf für ihre Freilassung

Von Josie Michel-Brüning, 27. Februar 2013

Seit 14 ½ Jahren sind Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Antonio Guerrero, Fernando González in US-Haft, während der Fünfte im Bunde, René González, seit Oktober 2011 noch seine dreijährige Bewährungsauflage außerhalb des Gefängnisses, aber mit Fußfessel und wegen möglicher Lynchjustiz an unbekanntem Ort, irgendwo in der US-Terroristenhochburg in der Gegend Miamis verbüßen muss.
Ihr Rechtsverstoß bestand darin, "nicht-registrierte Agenten einer ausländischen Macht" zu sein. Angeblich stellten die Fünf eine Bedrohung der US-Sicherheit dar, weil sie in den 1990er Jahren als unbewaffnete, aber "nicht registrierte", kubanische Agenten die maßgeblich von Miami ausgehenden Terroranschläge auf ihr Heimatland verhindern wollten und es tatsächlich in über 170 Fällen geschafft hatten.
Seit dem gegen sie im Juni 2001 von einer eingeschüchterten Jury in Miami gefällten Urteil versucht eine wachsende internationale Solidargemeinde von mittlerweile über 350 Komitees in über 100 Ländern das allgemeine Schweigen um diesen Fall in der Öffentlichkeit zu durchbrechen und darüber hinaus die Notwehrsituation Kubas bekannt zu machen, das bis 1999 aufgrund von Terroranschlägen, die von US-Boden ausgingen und von exilkubanischen Organisationen ausgeführt wurden, nachweislich 3.478 Tote und 2.099 Schwerverletzte mit bleibenden Beeinträchtigungen zu beklagen hatte.

1. Die "einfachste" Lösung durch den "mächtigsten Mann der Welt"

Der Präsident der Vereinigten Staaten und Friedensnobelpreisträger Barack Obama könnte die fünf kubanischen politischen Gefangenen gemäß der ihm von der US-Verfassung verliehenen Macht begnadigen, so, wie es ihm die internationale Solidargemeinde mit Unterstützung namhafter Persönlichkeiten seit seinem Amtsantritt 2008 allmonatlich per Brief, Fax und E-Mail nahe legt: "Yes you can!"
Das gleiche gilt für den seit über 30 Jahren inhaftierten US-Ureinwohner Leonard Peltier.
Wenn man die pessimistischen, wenn nicht defätistischen Veröffentlichungen, des US-Autors William Blum liest, könnte man solche Hoffnungen allerdings begraben:

"Wenn ich" Präsident der Vereinigten Staaten "wäre, könnte ich die auf uns verübten Terroranschläge in ein paar Tagen beenden und zwar dauerhaft. Ich würde mich zuerst entschuldigen ... bei allen Witwen und Waisen, bei den Verarmten und den Gefolterten und bei den vielen Millionen Opfern des amerikanischen Imperialismus'. Dann würde ich verkünden, dass Amerikas globale Interventionen ... beendet seien. Und ich würde Israel darüber informieren, dass es nicht mehr der 51. Staat der Union sei, sondern ein ausländisches Land. Ich würde dann das Militärbudget um mindestens 90% reduzieren und die Ersparnisse für die Entschädigung der Opfer ausgeben. ... Dies alles würde ich in den ersten drei Tagen erledigen.
Am vierten Tag aber würde ich ermordet werden." Osama Bin Laden soll diese Sätze aus Blums "Rogue State" (1) 2006 auf einem von ihm veröffentlichten Tonband zitiert haben.

2. Diplomatische Lösung: Gefangenenaustausch

Es gibt jedoch andere Autoren von in den USA allgemein anerkannten Institutionen, die weniger pessimistisch zu sein scheinen. Als sähen sie in der 2. Amtszeit Obamas die Chance, nachdem der von ihm selbst vorgeschlagene, als progressiv geltende John Kerry gerade zum Außenminister gewählt wurde und er den als nicht kubafeindlich bekannten Republikaner, Chuck Hagel, zum Verteidigungsminister nominiert hat, dass er sich über die einflussreichen exilkubanischen Hardliner im Kongress wie Ileana Ros-Lehtinen und Robert Menéndez hinwegsetzen könnte, und als fühlten sie sich ermutigt, das Schweigen um den Fall der "Cuban Five" zu brechen und sogar deren Freilassung im Austausch zu dem in Kuba inhaftierten US-Agenten Alan Gross, zu fordern, der bekanntlich beauftragt war, für das von George W. Bush für Kuba initiierte geheime "Demokratisierungsprogramm" illegale Satellitenkommunikationsnetzwerke auf der Insel einzurichten.
So geschehen am 30.1. 2013 in einem unter Federführung des Leiters des US Think Tanks, "Council on Hemispheric Affairs", Larry Birns, veröffentlichten Essay: "Best Time for U.S.-Cuba Rapproachment is Now" [Die beste Zeit für Annäherung zwischen USA und Kuba ist jetzt].
Tatsächlich berichtete dann auch Washington Post am 21. Februar 2003 über den Besuch einer US-amerikanischen Delegation in Kuba. Darin heißt es wörtlich:
"Kuba hat verlauten lassen, dass es Interesse daran habe, Gross freizulassen, aber nur wenn Washington zustimmt, die Entlassung von fünf kubanischen Agenten in Betracht zu ziehen, die in den Vereinigten Staaten zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Einer von ihnen hat im letzten Jahr [es war im vorletzten - Anm. d. Ü.] seine Strafe abgesessen, muss aber drei weitere Jahre Bewährung ableisten, bevor ihm erlaubt wird, nach Kuba zurückzukehren. Die diplomatischen Quellen erzählten AP, die Kongressdelegation habe sich hinter verschlossenen Türen auch mit den Ehefrauen und anderen Familienmitgliedern der fünf kubanischen Agenten in Havanna getroffen, obwohl nicht klar sei, was dabei gesagt wurde.
Zu der Kongressdelegation gehörten auch die Senatoren Jeff Flake, R-Arizona; Sherrod Brown, D-Ohio; Debbie Stabenow, D-Michigan, und Sheldon Whitehouse, D-Rhode Island, gemeinsam mit den demokratischen Repräsentanten Jim McGovern aus Massachusetts und Van Hollen."

3. Rehabilitierung der Fünf vor Gericht

Unabhängig von der in beiden Artikeln herbeigeschriebenen Möglichkeit eines Tauwetters zwischen den USA und Kuba, kämpft die internationale Solidargemeinde jedoch an der Rechtsfront weiter um die Befreiung der Fünf, und es gibt dort wieder kleine Fortschritte zu verzeichnen:

Das 9. Bezirksberufungsgericht von Los Angelos revidiert das Urteil des Bezirksgerichts zugunsten der US-Agentur für Geographische Aufklärung

Im Rahmen des noch von Leonard Weinglass 2010 kurz vor seinem Tod angestrengten Rechtsstreits nach dem "Habeas Corpus Act", wonach auch bereits Verurteilte Anspruch auf eine Revision haben, wenn sie neue Beweise für ihre Unschuld vorlegen können, hatte er nach dem "Freedom of Information Act" nicht nur gegen die US-Regierung auf Herausgabe der Dokumente über die von ihr für eine Hetzkampagne gegen Kuba und die Fünf vor und während des gegen sie laufenden Prozesses in Miami, bezahlten Journalisten geklagt. Er hatte auch in Gemeinschaft mit Peter Schey, dem Präsidenten des "Center for Human Rights and Constitutional Law" [Zentrum für Menschenrechte und Verfassungsrecht], gegen die "National Geospatial-Intelligence Agency" [US- Agentur für Geographische Aufklärung] auf Herausgabe der Satellitenaufnahmen vom Abschuss zweier Flugzeuge der antikubanischen Organisation in Miami, "Brothers to the Rescue" (BTTR), durch kubanische MiGs am 24. Februar 1996, geklagt.
Denn auf diesem "Zwischenfall" basiert die Anklage gegen Gerardo Hernández auf "Verschwörung, Mord begehen zu wollen" und seine zweimal lebenslängliche Haft und den zusätzlichen 15 Jahren.
Abgesehen davon, dass Gerardo Hernández keinerlei Kenntnis von dem Vorhaben, noch Einfluss auf die Entscheidung der kubanischen Behörden hatte, die zum wiederholten Mal widerrechtlich in den kubanischen Luftraum eingedrungenen BTTR-Flugzeuge abzuschießen, läge überhaupt kein Verbrechen vor, wenn, wie die kubanischen Behörden es seit Jahren behaupten, der Abschuss über kubanischen Gewässern stattgefunden hätte und somit ein völkerrechtlich völlig legitimer Akt der Selbstverteidigung gewesen wäre.

Nachdem das zuständige Bundesbezirksgericht zunächst die Klage der Anwälte aus "US-Sicherheitsgründen" abgewiesen hatte, hat jetzt das 9. Bezirksberufungsgericht der Klage stattgegeben und entschieden, dass die Sache mit den Satellitenaufnahmen, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit, von einem Drei-Richtergremium geprüft werden sollte.
Peter Schey war in seinem Interview zu diesem Gerichtsentscheid gegenüber dem "Internationalen Komitee für die Freiheit der Cuban 5" so optimistisch, nicht anzunehmen, dass die US-Aufklärungsbehörde gegen dieses Urteil in Berufung ginge.

Trügerische Hoffnung?

Jeder, der den bisherigen langen Instanzenweg der Fünf verfolgt hat, wagt ob dieser Gerichtsentscheidung noch nicht zu frohlocken. Denn auch dieser Erfolg erinnert fatal an den von 2005, als das Drei-Richter-Gremium des 11. Berufungsgerichts von Atlanta alle Urteile gegen die Fünf wegen des "vorverurteilenden Sturms" am Gerichtsort Miami annulliert und ein neues Verfahren an einem neutralen Ort angeordnet hatte. 3)
Immerhin wurde 2009 zunächst Antonio Guerreros Strafe von "lebenslänglich und 10 Jahren" auf 21 Jahre und 10 Monate reduziert, dann die von Ramón Labañino von "lebenslänglich und 15 Jahren" auf 30 Jahre und die von Fernando González von 19 Jahren auf 17 Jahre und 9 Monate.
Die Staatsanwältin Caroline Heck-Miller begründete ihre "Milde" damit, dass man die "internationalen Wogen des Protests glätten" wolle.
Einspruch, Euer Ehren, hier glättet sich gar nichts!

Am 13. Oktober 2010 gab beispielsweise Amnesty International in einer Presseerklärung bekannt, sich erneut wegen des Falles der Cuban Five an die US-Regierung und mit Brief an den US-Justizminister Eric Holder gewandt zu haben, diesmal nicht wie zuvor "nur" wegen des verweigerten Besuchsrechts für die beiden Ehefrauen Olga Salanueva und Adriana Pérez, sondern auch wegen der nach wie vor absurden Strafurteile für die Fünf.
Und die Verteidiger der Fünf, jetzt unter Leitung von Martin Garbus, haben schon angekündigt, dass sie auch in dem Rechtsstreit nach dem "Habeas Corpus Act" bis vor den Obersten US-Gerichtshof ziehen wollen.

Aber, wie schon der unvergessene Leonard Weinglass immer wieder betont hatte: Die Anwälte brauchen die Unterstützung der Öffentlichkeit, um erfolgreich sein zu können.

Das beweist der Fall Mumia Abu Jamal, der längst hingerichtet worden wäre, gäbe es die Unterstützung der internationalen Öffentlichkeit nicht für ihn, und das hat sich auch in der Vergangenheit in Fällen wie Nelson Mandela, Angela Davis, Daniel Ellsberg und anderen erwiesen.
Und das gilt für alle dieser drei erwähnten Befreiungsmöglichkeiten für die Cuban Five.

Um mehr Öffentlichkeit zu schaffen, ist daher beispielsweise eine "Europäische Anhörung vor einer internationalen Untersuchungskommission" im Frühling 2014 in London geplant.

Fußnoten:

1) Im Vorwort zu seinem Buch, Rogue State: A Guide to the World's Only Superpower [Schurkenstaat: Ein Reiseführer für die einzige Supermacht der Welt] schreibt er unter Berücksichtigung des Anschlags auf "World Trade Center" von "9/11":
Vgl.: William Blum, Vorwort zu, Rogue State: A Guide to the World's Only Superpower [Schurkenstaat: Ein Reiseführer für die einzige Supermacht der Welt] William Blum ist Autor mehrerer Bücher wie "Killing Hope" - sein neustes Werk heißt America's Deadliest Export: Democracy. Er schreibt allmonatliche "Anti-Empire Reports" und schrieb 2002 und 2004 auch aufklärende Beiträge zum Fall der "Cuban Five". Er arbeitete bis 1967 im US State Department, gab aber seine Karriere als Beamter im diplomatischen Dienst aus Protest gegen den Vietnamkrieg auf und wurde dann zum Gründer und Herausgeber der "Washington Free Press", der ersten alternativen Zeitung in Washington. ).

2) Schon im Mai 2009 hatte Larry Birns anlässlich des Protests seiner Leser aus der internationalen Solidargemeinschaft gegen eine verfälschende Darstellung des Falls der "Cuban Five" von einer seiner Gastautorinnen versprochen, sich des Falls in der Redaktion seiner Internetzeitung anzunehmen; jetzt endlich holte er quasi zu einem Rundumschlag gegen die seit über 50 Jahren verfehlte US-Politik gegenüber Kuba aus, s: hier.

3) Aber danach wurde dem Einspruch seitens der US-Regierung stattgegeben und ein En-Banc-Gremium des 11. Bezirks annullierte 2006 die einstimmige Entscheidung des Drei-Richter-Gremiums von 2005 und wies den Fall in einer 10 zu 2 Abstimmung zu dessen Revision zurück, s.: Ausführliche Chronologie der Ereignisse im Fall der Cuban Five [PDF] (Stand: 11. September 2012).

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