Granma Internacional, 3. März 2010

Der Terroranschlag auf La Coubre: nach 50 Jahren hält sich Washington immer noch bedeckt

Von Jean-Guy Allard

Trotz Kubas wiederholter Anklagen der Central Intelligence Agency (CIA), wegen der Sprengung des französischen Schiffes La Coubre am 4. März 1960 im Hafen von Havanna verantwortlich zu sein, hält die US-Regierung die Dokumente in ihren Archiven auch nach 50 Jahren weiterhin zurück.
Dies bestätigte sich am vergangenen 26. Februar, als Beamten des Nationalen Sicherheitsarchivs in Beantwortung eines Ersuchens um Information vonseiten eines akademischen Nichtregierungsforschungsprojekts der George Washington Universität rückmeldeten, dass sie kein einziges Dokument in dieser Angelegenheit von dem US-Geheimdienst hätten.
Sie räumten ein, dass die einzigen verfügbaren Dokumente, die über den Datenbestand des Digital National Security Archive (DNSA) für die Studenten und das Universitätspersonal zugänglich seien, "zwei kurze chronologische Aktenvermerke" und ein weiterer, der "mehr Information" als die anderen beiden enthalte, seien.
Der Kurator sagte, es gebe in der unveröffentlichten Sammlung des Instituts keine Aktenvermerke über La Coubre.
Dies bestätigt, dass das Land, dessen Propaganda-Apparat fortlaufend neue Ausbrüche von Verleumdungen gegen Kuba hervorbringt, nach einem halben Jahrhundert kein einziges Dokument über die Tragödie ausgehändigt hat, die genau vor 50 Jahren, am 4. März, etwa 100 Menschen das Leben kostete.

EXPLOSION INMITTEN EINE TERRORKAMPAGNE

Um die La Coubre-Tragödie in ihrer ganzen Tragweite zu verstehen, müssen wir auf die Umstände von 1960 blicken, nur 15 Monate nach dem Triumph der Kubanischen Revolution.
Die Explosion des französischen Schiffes im Hafen von Havanna, aus dem gerade Munition entladen wurde, war Bestandteil einer systematischen gegen Kuba geführten Terrorkampagne, die in einer wahrlich teuflischen Abfolge weitergeführt wurde.
Die Chronologie der gewalttätigen Vorkommnisse ist deutlich erkennbar: angefangen vom "Tod eines Arbeiters in Matanzas, der durch die Sprengung entzündlichen Materials verursacht wurde", Anfang Januar bis zum 31. Dezember durch "den großangelegten Brandbombenanschlag auf das Kaufhaus La Epoca in Havanna", es wurde von Dutzenden von Terroranschlägen berichtet, alle standen auf die eine oder andere Weise in Verbindung mit der CIA.
Vor genau zweieinhalb Jahren, im Juli 2007, gab der terroristische Anführer Antonio Veciana, der zugibt über Jahrzehnte für die CIA gearbeitet zu haben, in einer Radiosendung aus Miami mit Beiträgen von Anrufern eine detaillierte Darstellung darüber zur Kenntnis, wie von der CIA "aufwieglerische Anordnungen" nach Havanna überbracht worden waren, um darauf hinzuweisen, wie lange sie für ein Sprengstoffattentat brauchten.
Unglaublicherweise bestätigte Luis Posada Carriles selbst, über den die "antiterroristische" Staatsanwaltschaft sagt, sie habe nur karge Beweise, in seinen Bekenntnissen, die er in den 1980ern niederschrieb, mit eigenen Worten die selben Fakten.
Der Terrorist, der über ein Jahrzehnt als von der CIA bezahlter Folterknecht in Caracas, Venezuela, arbeitete und der - unter anderen verabscheuungswürdigen Taten - den Sabotageakt auf ein kubanisches Zivilflugzeug anordnete, sagte wörtlich: "Die Central Intelligence Agency schickte [C-3] Sprengstoff, Zeitzünder, Gerätesicherungen, Zündkabel, Sprengzünder und alles, was für Sabotageakte gebraucht wurde. Während dieser Zeit [1960] waren diese Aktivitäten unter der Bezeichnung "Action and Sabotage" bekannt."
Und diese Person, die zurzeit mit dem Segen des FBIs in Miami in Freiheit ist, erklärte, dass sie persönlich an diesen Verbrechen beteiligt war.
"Ich gehörte zu diesen Gruppen. José Puente Blanco, der frühere Präsident des Bundesverbandes für Universitätsstudenten und sein Bruder Roberto standen unter dem Kommando einer Bewegung. Ich ging in die Vereinigten Staaten und traf Alfredo Cepero dort, der zu der selben Bewegung gehörte; zusammen mit ihm planten wir, militärisches Material nach Kuba hineinzubringen und es unseren Freunden in Havanna zu übergeben."
Er erzählte geradezu, dass er notwendigerweise über das La Coubre-Verbrechen, mit dem seine Agentur über seine Komplizenschaft in Verbindung stand, Bescheid wusste.
In Wirklichkeit gibt es auch heute noch Dutzende von Zeugen aus jenen Tagen, in denen die CIA ihre blutige Anti-Kuba-Offensive führte: Sogar der Agent Carlos Alberto Montaner, die derzeitige Primadonna des US-Anti-Kuba-Propagandachores, wurde auf frischer Tat bei der Ablage von Sprengstoff in Havannas Kaufhäusern und Theatern erwischt.

DIE TATSACHEN VERLANGTEN NACH EINER UNTERSUCHUNG

Als einer der schlimmsten Terrorakte jener Zeit tötete die Explosion der La Coubre mehr als 100 Menschen, verletzte mehr als 200 und hinterließ viele Vermisste. Der materielle Schaden wurde später auf 17 Millionen Dollar geschätzt.
Bezüglich des barbarischen Angriffs auf die Kubanische Revolution erstellte Dr. José Luis Méndez Méndez, ein bekannter Historiker des antikubanischen Terrorismus, im Oktober 2002 als Bestandteil einer internationalen Konferenz eine Analyse.
Er sagte, zu der Zeit sei es offensichtlich gewesen, dass eine gerichtliche Untersuchung des Verbrechens in den Vereinigten Staaten hätte durchgeführt werden sollen.. "Es ist nicht möglich, von den Umständen, unter denen verschiedene Personen aus den Vereinigten Staaten beteiligt waren, nichts zu erfahren," sagte er.
Er zählte unter vielen anderen die folgenden Verdächtigen auf:

- Ein Alleinreisender auf dem Schiff, Donald Lee Chapman, war auf dem Weg nach Nebraska, ging aber in Miami, Tausende Meilen entfernt von seinem Reiseziel, von Bord, während ein anderer, Jack Lee Evans, Kuba am 5. März plötzlich verließ und in Miami erklärte, er kenne die Drahtzieher hinter der Sabotage, was sich als Schachzug herausstellte, der den Untersuchungsausschuss behindern sollte. "Waren diese Personen lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort?" fragte Méndez Méndez.

- Zwei Kongressmitglieder intervenierten für Donald Lee Chapman. Sie schickten Petitionen mit der Forderung, das Außenministerium solle Kuba auf seine Entlassung drängen.

- CIA-Oberst J. C. King nahm in Miami Kontakt zu Rolando Masferrer Rojas auf, einem Kriminellen der Fulgencio-Batista-Diktatur, der paramilitärische Gruppen in Kuba geleitet hatte.

- Masferrer hatte sich in Miami mit dem US-Bürger Richard E. Brooks getroffen, der sagte, er wisse von der Ankunft von Schiffen mit Waffen in Kuba und die Häfen in denen sie entladen werden sollten. Welche Verbindungen gab es zwischen J. C. King, Masferrer, Brooks und der La Coubre?

- Die CIA-Station in Havanna hatte Informationen über die Ankunft von Waffen priorisiert. Es war kein Zufall, dass mehrere Personen aus den USA, einschließlich Chapman, verhaftet wurden, als sie Fotos an dem Ort der Explosion machten und zwar am selben Tag, als sie passierte. Die US-Botschaft intervenierte für sie.

DIE FRANZOSEN GEDENKEN IHRER GEFALLENEN LANDSLEUTE

Die Tragödie der La Coubre hat noch einen anderen Aspekt, der die US-Behörden verpflichtet, die Auswirkungen des Verbrechens ernsthaft zu untersuchen: Sechs französische Seeleute kamen bei der gewaltigen Explosion ums Leben. Der Erste Offizier Francois Artola, Steuermann Jean Buron und die Matrosen Lucien Aloi, André Picard, Jean Gendron und Alain Moura starben in dem zerstörten Schiff.
Ein historischer Zufall war es, dass zum Zeitpunkt des tragischen Ereignisses die Schriftsteller Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir auf Einladung von Fidel und Che Kuba besuchten. Die beiden Symbole der zeitgenössischen französischen Literatur nahmen an der Trauerfeier für die Opfer teil, die auf dem Platz der Revolution abgehalten wurde.
Jetzt, am 4. März 2010 um 15:00 Uhr in Havanna, wenn das kubanische Volk einmal mehr den Jahrestag dieses Verbrechens begeht, das so viele Menschenleben gekostet hat, werden Dutzende Franzosen ihrer getöteten Landsleute gedenken.
Zum ersten Mal nach vielen Jahren werden Seeleute und Werftarbeiter in der französischen Stadt Nantes Blumen am Mahnmal der vermissten Seeleute niederlegen, begleitet von mehreren CGT-Gewerkschaftern der Solidarität mit Kuba und verschiedenen Solidaritätsgruppen und kubanischen Diplomaten in Frankreich.
Dort, wie in Kuba, wird die grundsätzliche Frage zum Verbrechen von der La Coubre gestellt, die der kubanischen Revolutionsführer in seinen "Reflexionen" vom 7. Juli 2007 stellte:
"Warum gibt es, im Namen der Freiheit auf Information, kein einziges freigegebenes Dokument, das uns berichtet, wie die CIA vor fast einem Halben Jahrhundert die Explosion der La Coubre verursacht hat?"

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db). Aus der englischen Version

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