junge Welt, Mai 2005

"Assata Shakur is welcome here"

New Yorker Stadträte fordern Amnestie für schwarze Freiheitskämpferin. Black-Panther-Aktivistin lebt im kubanischen Exil

Jürgen Heiser

Der 25. Mai wird in den afroamerikanischen Gemeinden als "African Liberation Day" gefeiert. In diesem Jahr nutzten Abgeordnete des New Yorker Stadtrates diesen Tag, um vor dem Rathaus der Stadt eine Pressekonferenz abzuhalten, in der sie ihre Unterstützung für die schwarze Freiheitskämpferin Assata Shakur öffentlich machten. Shakur lebt seit 1984 in Kuba, wo sie nach erfolgreicher Flucht aus einem US-Gefängnis politisches Asyl erhielt.

Die Stadträte Charles Barron, Larry Seabrook und James Sanders erklärten nun vor der Presse, sie bereiteten eine Resolution für das Stadtparlament vor, mit der die Bush-Regierung aufgefordert werden soll, ihre am 2. Mai ausgesetzte Belohnung in Höhe von einer Million US-Dollar für die Ergreifung von Assata Shakur zurückzunehmen. Statt dessen solle ihr Amnestie zugesichert werden, damit sie in die Stadt zurückkehren kann, in der sie als Mädchen und junge Aktivistin gelebt hat und wo sie wegen ihrer Mitgliedschaft in der Black Panther Party von Polizei und FBI verfolgt worden war. Stadtrat Barron betonte, Shakur sei keine "hochrangige Terroristin", wie die US-Regierung die Öffentlichkeit durch den neuerlichen Fahndungsaufruf glauben machen wolle. Sie sei vielmehr Opfer von Polizeiwillkür und eines unrechtmäßigen Urteils. Barron dankte dem kubanischen Volk und seinem Präsidenten Fidel Castro in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür, Shakur in den vergangenen zwei Jahrzehnten Schutz geboten und ihr ein würdevolles Leben ermöglicht zu haben.

Die Pressekonferenz rief Erinnerungen an zwei bis drei Jahrzehnte zurückliegende Ereignisse wach: Anfang November 1979 waren in vielen US-Städten Wandparolen wie "Assata is welcome here" aufgetaucht. Sie waren ein Ausdruck der Freude und Genugtuung darüber, daß Assata Shakur am 2. November nach sechsjähriger Untersuchungshaft aus dem Frauengefängnis Clinton, New Jersey, befreit worden war. Mehrere Prozesse gegen sie hatten mit Freisprüchen geendet, aber im letzten Verfahren war sie von einer weißen Jury schließlich wegen "Polizistenmordes" verurteilt worden.

Den Grund dafür hatte die Polizei selbst geliefert. Auf der Autobahn in New Jersey hatten Polizisten am 2. Mai 1973 das Feuer auf Assata Shakur und ihren Lebensgefährten Zayd Malik Shakur eröffnet. Assata und Zayd Malik Shakur waren untergetaucht, nachdem sie als Black Panthers permanenten Verfolgungen der Polizei ausgesetzt waren. Sie waren an jenem 2. Mai zusammen mit Sundiata Acoli, einem weiteren Panther, in einem Auto unterwegs, als die Polizei sie im Rahmen der Zielfahndung gegen Panthers in einer angeblichen "Verkehrskontrolle" anhielt und sofort das Feuer eröffnete. Zayd Shakur hatte sich mit der Waffe verteidigt und dabei einen der angreifenden Polizisten tödlich getroffen, bevor er selbst seinen Verletzungen erlag. Assata Shakur war schwerverletzt, hatte aber nachweislich keine Waffe und wurde getroffen, während sie mit erhobenen Händen im Fond des Wagens saß. 1977 wurde sie wegen Beihilfe zum Mord und Mordversuch zu lebenslanger Haft verurteilt.

Zwei Jahre später betraten eine Anwältin und zwei uniformierte Justizbeamte, die mit einem Gefangenentransporter vorgefahren waren, in Minutenabständen das Gefängnis in Clinton. Im Innern des Besuchertraktes gelang es diesen Personen, Wärter ohne Gewaltanwendung in Schach zu halten, die in einer Besucherzelle befindliche Assata Shakur zu befreien und mit ihr in dem gestohlenen Gefangenentransporter zu fliehen. Trotz landesweiter Großfahndung blieb Shakur verschwunden, meldete sich aber mit mehreren Ton- oder Briefkommuniques aus dem Untergrund politisch zu Wort. Jahre später erst hörte man wieder von ihr, als Ende der 1980er Jahre ihre Autobiographie "ASSATA" zunächst in England und den USA und dann in Deutschland erschien und offenbar wurde, daß sie mittlerweile sicher in Kuba lebte, studierte, als Autorin arbeitete und als Repräsentantin des Black America geachtet wurde.

Mit ihrem neuerlichen Vorstoß versucht die US-Regierung nun, nicht nur ihre aus Havanna agierende Kritikerin einzuschüchtern, sondern auch den Druck auf Kuba zu erhöhen und die weltweit erhobenen Forderungen nach Freilassung der "Miami 5" zu kontern. Diese fünf Kubaner sind in den USA wegen "Verschwörung zur Spionage" zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie die in Miami ungehindert agierenden exilkubanischen Contras ausgeforscht hatten, um weitere Terroranschläge gegen Kuba zu verhindern.

Am 16. Juli feiert Assata Shakur ihren 58. Geburtstag - in Freiheit. Damit das so bleibt, soll es um diesen Tag herum unter dem Slogan "USA Hände weg von Assata Shakur!" koordinierte öffentliche Aktionen geben.

* Info: www.freedom-now.de

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