21. Februar 2006

Father Geoffrey Bottoms schreibt aus Atlanta über die Berufungsanhörung der "Miami Five"

Aus der englischen Tageszeitung "The Morning Star"

http://www.morningstaronline.co.uk/

Eingebettet in die schillernde Silhouette des Geschäftsviertels der Innenstadt von Atlanta sitzt das majestätische nach dem Richter Elbert P. Tuttle benannte Steingebäude aus einem früheren Zeitalter, in dem Fälle von zwölf Richtern des 11. Bezirksberufungsgerichtes angehört werden.
Am Dienstag, dem 14. Februar, war der Gerichtssaal mit seinen fleckigen holzgetäfelten Wänden und messinggerahmten Fenstern wegen der mündlichen Anhörung, der nächsten Etappe des Berufungsprozesses der "Miami Five", brechend voll. Sie dauerte nur eine Stunde, in der sowohl der Verteidigung als auch der Staatsanwaltschaft eine gleich kurzbemessene Zeit zugeteilt worden war, um ihre jeweiligen Argumente vorzutragen.
Solche En-Banc-Anhörungen vor dem gesamten Gremium der Berufungsrichter des 11. Bezirks sind sehr ungewöhnlich. Doch dieser Fall von Gerardo Hernández, Antonio Guerrero, Ramón Labañino, René González und Fernando González ist kein gewöhnlicher Fall. Sie verbüßen Strafen in über die USA verstreuten Gefängnissen, die von 15 Jahren bis zu zweimal lebenslänglich reichen. Abgesehen von anderen weniger schweren Vorwürfen enthalten die Anklagen Verschwörung zur Spionage und sogar zum Mord.
Nach einem vorherigen Einspruch, der sich über zwei Jahre hinzog, hoben drei Richter des Gremiums dieses Gerichtes die Verurteilungen und Strafen am 9. August 2005 einstimmig auf. Die Begründung dafür lautete, dass sie in dem feindseligen Klima von Miami während des ursprünglichen fehlerhaften Verfahrens, das von November 2000 bis Juni 2001 sieben Monate lang dauerte, keine faire und unparteiische Anhörung erhalten hätten. Sie bezogen sich in ihrer Argumentation auf das 6. Zusatzgesetz der U.S.-Verfassung, wonach allen Personen eine unparteiische Verhandlung als ein Verfassungsrecht zusteht.
In ihrer dreiundneunzigseitigen Urteilsbegründung kamen die drei Richter zu dem Ergebnis, dass "in diesem Fall ein neues Verfahren angeordnet werden muss wegen der völligen Aufgebrachtheit, die durch die überwiegende Stimmungslage innerhalb der Gemeinde und durch ausgiebige Propaganda sowohl vor als auch während der Verhandlung, verursacht wurde, die sich mit ungeeigneten Empfehlungen der Staatsanwaltschaft vermischte."
Dennoch beantragte der Kreisstaatsanwalt von Miami nach vorheriger Beratung mit Washington eine Wiederanhörung, die von einer Mehrheit der zwölf Berufungsrichter einen Monat später, am 31. Oktober, gewährt wurde. Diesmal wollte sich der neue Berufungsprozess auf zwei Fragen von größerem Interesse konzentrieren: das Recht des Bundeskreisgerichtes von Miami, die ursprünglichen Anträge auf eine Verlegung des Verhandlungsortes und auf den Prozess während der Verhandlung bei der Auswahl einer unparteiischen Jury.
Die Auswahl des Valentinstags für die mündliche Anhörung mag ihr schon eine ironische Note verliehen haben, da Familienmitglieder der Fünf zusammen mit internationalen Beobachtern und Unterstützern im Saal anwesend waren, gemeinsam mit Repräsentanten der anti-kubanischen Terroristengruppen von Miami. Dennoch gewährleistete der vorsitzende Richter J.L. Edmondson eine faire Anhörung, indem er sich zurückhielt und den übrigen Richtern des Gremiums, besonders dem Richter Stanley Birch, der die vorherige Berufungsanhörung geleitet hatte, erlaubte, Fragen im Schnellfeuerverfahren zu stellen, die die Staatsanwaltschaft in den Seilen hängen ließ und die der Verteidigung ermöglichte, den Vorteil ihrer starken Position rasch zu nutzen.
Dies alles stimmte Leonard Weinglass, der Antonio Guerrero vertritt, hoffnungsvoll und optimistisch, dass die Verurteilung der Fünf nach sieben Jahren endlich trotz der Tatsache, dass das 11. Bezirksgericht im Verlauf seiner ganzen Geschichte noch nie zugunsten der Verteidigung entschieden hatte, aufgehoben würden. Worauf er mit ziemlichem Bedauern hinwies, war, dass selbst, wenn dieser Fall erfolgreich wäre und Geschichte machte, "wird dieser Gerichtshof den Vorurteilssturm (in Miami) nie in einen sonnigen Tag der Neutralität umwandeln."
Für die Verteidigung ist dies der springende Punkt. Dennoch sagte der US-Staatsanwalt David Buckner als er dafür plädierte, die Verurteilungen bestehen zu lassen, dass die US-Kreisrichterin Joan Lenard bei der Auswahl der Juroren ausreichende Vorsichtsmaßnahmen getroffen habe und in der Lage gewesen sei, sie von der Leidenschaft, die während der sechsmonatigen Verhandlung um sie herumschwirrte, zu isolieren. Er nannte ihre Art der Verhandlung "ein Beispiel" und sagte, dass es keine Beweise dafür gegeben habe, dass sich die Geschworenen eingeschüchtert gefühlt hätten - ein Punkt, den Paul McKenna, der Anwalt von Gerardo Hernández, bestreitet. Er hält daran fest, dass die Juroren während der Dauer der Verhandlung bis zu ihren Autos verfolgt und deren Nummern sowohl fotografiert als auch im Fernsehen übertragen worden seien.
Richard Klugh, Vertreter der Bundesstrafverteidigung plädierte darauf, dass niemand über die Feindseligkeit vollkommen im Dunkeln gehalten werden konnte, die durch den Fall hervorgerufen wurde, kurz nachdem die U.S.-Regierung entschieden hatte, den damals sechsjährigen Elian González zurück nach Kuba zu seinem Vater zu schicken. Er erklärte: "Dieser Fall spielte sich nach anderen Leitmotiven ab als nach denen des Gesetzes."
Richter Stanley Marcus, ein früherer U.S.-Kreisrichter in Miami fragte Klugh, ob er sagen wolle, dass "Leute, die als kubanische Agenten tätig sind, einfach kein faires Verfahren in Miami-Dade-County erhalten könnten - weder damals, noch jetzt und, soweit wir es beurteilen können, auch nicht in Zukunft, ist das richtig?"
Bevor er [Klugh] diese geballte Frage beantworten konnte, wechselte das Thema rasch zu einer von dem pensionierten Professor der Internationalen Universität von Florida Gary P. Moran mit 300 Stimmabgaben aus Miami-Dade-County geführten Untersuchung, die zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Stadt so von antikubanischer Stimmung infiziert sei, dass die Männer innerhalb der Gemeinde kein faires Verfahren erhalten könnten. Danach war keiner der für den Fall ausgewählten Geschworenen kubanischer Abstammung, obwohl der vorsitzende Richter Edmondson wissen wollte, warum sie nicht gesondert befragt worden wären.
Laut Weinglass gab es, soweit es die mündliche Anhörung betraf, keine Überraschungen, denn die Fragen zu dem Fall waren wichtiger als die Antworten. Kurz gesagt, die schlimmsten Erwartungen bestätigten sich nicht. Während er an seinem verhaltenen Optimismus über den Ausgang festhielt, warnte der dennoch, dass nichts garantiert werden könne in einem Fall, der politischer Natur sei. Eine Entscheidung werde in zwei Monaten erwartet.
Nachdem kürzlich fünf U.N.-Inspektoren, der U.N. Generalsekretär Kofi Annan, Erzbischof Desmond Tutu und der nordirische Minister Peter Hain die Schließung von Camp Delta in der U.S.-besetzten Guantanamo Bay in Kuba gefordert haben, ist das Licht der Öffentlichkeit jetzt auf die Bush-Administration gerichtet und auf die Art, wie sie politische Gefangene behandelt. Während er die U.S.A. als "eine Gesellschaft, die auf George Orwells ‚Animal Farm' zudriftet" beschreibt, verleiht der Erzbischof von York, Dr. John Sentamuzu, allen Sorgen derer eine Stimme, die die Gesetzesregeln auf dem Gebiet der Bürgerrechte und der internationalen Beziehungen verteidigen. Vielleicht wird das Schweigen um die "Miami Five" am Schluss doch noch gebrochen.
Auf dem Abschluss des "Selma nach Montgomery Marsch", der 1965 für die Durchsetzung eines Stimmrechtgesetzes [Wahlrecht für Schwarze, Anm.d. Ü.] geführt wurde, sprach Dr. Martin Luther King die Worte, die in der Hoffnung aller nachklingen, die in dem Fall der Miami Five engagiert sind.
"Aber weder der schwierige Moment, noch die entmutigende Stunde werden lange andauern, bevor die zu Boden gedrückte Wahrheit sich wieder erhebt. Wie lange? Nicht lange, denn keine Lüge kann sich für immer halten. Wie lange? Nicht lange, denn ihr werdet ernten, was ihr gesät habt. Wie lange? Nicht lange, denn der Bogen des Universums ist zwar lang, aber er neigt sich zu Gerechtigkeit."

Deutsch: ¡Basta Ya!

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