Counterpunch, Wochenendausgabe, 7. - 9. August 2009

Es zahlt sich aus, eine Atombombe zu haben

Von Alexander Cockburn

Erinnern Sie sich an die beiden chinesisch-amerikanischen Journalistinnen, Laura Ling und Euna Lee, die dieses Jahr in Nordkorea zu zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt wurden? - Als Angestellte des dem früheren Vizepräsidenten Al Gore gehörenden Fernsehkanals hatten die beiden die Grenze von China nach Nordkorea in der Absicht überschritten, dort den angeblichen Handel mit nordkoreanischen Frauen als Sex-Sklavinnen für die Volksrepublik zu untersuchen.
Es gab dazu wandgroße Schlagzeilen, Aufschreie in allen Talk-Shows. Hat es je einen barbarischeren Staat als Nordkorea gegeben? Nicht nur, dass dieser Schurkenstaat die Sicherheit des Planeten dadurch gefährdete, dass er sich in den exklusiven Club der Atommächte durchboxte, jetzt hatte er auch noch zwei chinesisch-amerikanische Journalistinnen in die für ihre Brutalität und entsetzlichen Bedingungen berüchtigten Lager geschickt.
Es war immer offensichtlich, dass die schweren Strafen für Ms. Ling und Ms. Lee in die Entwicklung der Beziehungen zwischen Nordkorea und der neuen Obama-Regierung eingebunden waren, und diese Beurteilung wurde durch die Geschwindigkeit bestätigt, mit der sie so plötzlich freigelassen wurden, nachdem Bill Clinton erst einmal seinen Besuch abgestattet hatte.
So, und nun lassen Sie uns einmal versuchen, etwas Ausgewogenheit in die Anklage der Barbarei zu bringen.
Nehmen wir einmal an, ein Land habe über ein halbes Jahrhundert lang fortgesetzte Anschläge von Angreifern aus den Vereinigten Staaten mit fast 4.000 Toten und 2.000 Verwundeten hinnehmen müssen. Nehmen wir weiterhin an, dass, als dieses Land versucht, seine Tourismusindustrie auszubauen, von durch diese Angreifer weithin ausgestrahlten Plänen hört, dies durch Anschläge auf die Touristen zu sabotieren - was sie auch dementsprechend tun, wobei sie einen [Touristen] töten. Nun nehmen wir noch an, dass dieses Land Ermittler ausschickt, um die Angreifer zu unterwandern und dass es die Ergebnisse der Überprüfung dem FBI übergibt und ...
Ich spreche von den Cuban Five - von mutigen Männern, die nach Südflorida gingen und in die kubanischen "Gusano-Gangs", insbesondere Alpha 66, die Kommandos F4, die "Cuban American National Foundation" [Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung, Anm. d. Ü.] und die "Brothers to the Rescue" [Brüder zur Rettung, Anm. d. Ü.] eindrangen.
Im Jahr 1998, nachdem Fidel Castro Gabriel García Marquez als Sendboten in das Weiße Haus unter Clinton geschickt hatte, sandten die Vereinigten Staaten ein FBI-Team nach Havanna, um die Anschläge zu erörtern. Kuba übergab ihm über 64 Akten über 31 verschiedene Terroranschläge und Pläne gegen die Insel innerhalb der 90er Jahre.
Nach diesem Bemühen, die U.S.-Regierung an der Beendigung der (von der U.S.-Regierung begünstigten und möglicherweise initiierten) Terroranschläge zu beteiligen, erwartete Kuba, dass das FBI damit beginne, die Terroristen zu verhaften. Doch nicht zum ersten Mal unterschätzte Fidel Castro den guten Willen der U.S.-Regierung gewaltig. Die Kubaner hatten Präsident Bill Clintons und Al Gores übergeordnetes Bedürfnis unterschätzt, den kubanischen Rechten in Florida zu Diensten sein zu wollen. Am 12. September 1998 verhaftete die FBI-Abteilung tatsächlich die Ermittler, die nach Miami gekommen waren, um die Aktivitäten der Terroristen aus Miami zu überprüfen. Gerardo Hernández erhielt ein zwei Mal lebenslängliche Haftstrafe [+15 Jahre, Anm. d. Ü.] und Antonio Guerrero und Ramón Labañino erhielten lebenslängliche Strafen [+ 10 bzw. 15 Jahre, Anm. d. Ü.]. Die anderen beiden, Fernando González und René González erhielten jeweils 19 bzw. 15 Jahre.
Es stimmt, dass die Fünf nicht in so ein Arbeitslager wie in den Nordkorea-Gulag geschickt wurden. Wohin sie geschickt wurden, wurde bereits dieses Jahr hier bei Counterpunch von Hernández beschrieben, der von dem Filmemacher Saul Landau, der einen Dokumentarfilm über die Cuban Five macht, interviewt worden war.

  • Hernández: Später haben sie uns ins Gefängnis gebracht, ins Bundesgefängnis in Miami und ins "Loch" gesperrt.

    Landau: Für wie lange?

    Hernández: 17 Monate.

    Landau: Beschreib das "Loch".

    Hernández: Das ist ein Raum, den es in jedem Gefängnis gibt, in den man Gefangene zur Disziplinierung sperrt, oder aus Sicherheitsgründen, wenn sie nicht mit den übrigen Insassen zusammen sein können. Die Zelle in Miami war im 12. Stockwerk. Die Zellen sind für zwei Personen, aber wir waren allein, jeder für sich, sechs Monate - ohne jeden Kontakt. Später ergriffen unsere Anwälte Maßnahmen, damit wir zu zweit sein konnten. In diesen ersten sechs Monaten in "Einzelhaft", hatten wir eine Dusche in der Zelle, sodass wir duschen konnten, wann wir wollten. Aber beim Duschen wurde alles in der Zelle nass. Man ist 23 Stunden am Tag in der Zelle und für eine Stunde wird man zur Erholung an einen anderen Platz gebracht. In Miami war es praktisch nur eine andere Zelle, aber etwas größer und mit diesem Gitter, durch das man ein kleines Stück Himmel sehen kann. Man konnte sagen, ob es Tag oder Nacht ist, und es kam ein wenig frische Luft dadurch. Das war es, was sie "Erholung" nannten. Aber häufig gingen wir nicht, weil sie einem zu lange Handschellen anlegten, deinen Körper und deine Zelle untersuchten, um dich hin und zurück zu bringen. Manchmal führten sie uns alle zusammen in eine Zelle, sodass wir uns unterhalten konnten. Das Reglement war streng. Sie bestraften Gefangene, die eine ernste Undiszipliniertheit begangen hatten. Dort waren wir 23 manchmal 24 Stunden am Tag, innerhalb dieser vier schmalen Wände, und hatten nichts zu tun. Es ist sehr schwierig aus menschlicher Sicht. Und viele Menschen halten das nicht aus. Sie verlieren den Verstand und beginnen zu schreien.

    Landau: Hast du etwas Schlimmes getan?

    Hernández: Nein, wir wurden von Anfang an dahin geschickt. Sie erzählten uns, es wäre um uns vor den normalen Insassen zu schützen. Aber meiner Ansicht nach, hatte es mehr mit dem Versuch zu tun, uns umzustimmen. Nachdem Angst und Einschüchterung nicht funktioniert hatten, dachten sie: "Gut, lasst sie uns für einige Monate in Isolationshaft bringen und sehen, ob sie ihre Haltung ändern."

    Nach der Verurteilung wurden die Kubaner in verschiedenen Zuchthäuser gebracht. Hernández wurde 2003 in Lompoc in die "Box" gesteckt. Das geschah in allen 5 Gefängnissen am selben Tag. Bis jetzt ist es nicht klar, warum oder wer die Anordnung dazu gab. Lompoc ist ein sehr altes Gefängnis, abgesehen von dem "Loch", in das sie Leute schicken, die die Wachen angreifen oder Matratzen in Brand stecken; gibt es für die Unverbesserlichen die "Box", ein Kellergeschoss unterhalb des "Loches" - 10 Zellen mit doppelten Türen.

    Sie brachten mich für einen Monat dort hinunter - ich war nur in Unterwäsche und barfuß. Ich wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war, denn man ist dort ganze 24 Stunden drin. Es gibt keine Erholungsstunde oder irgend etwas. Es tropfte durch ein Leck aus der Zelle über mir. Jedes Mal, wenn jemand über mir die Klospülung bediente, rann das dreckige Wasser über meine Zellenwände. Ich beklagte mich wegen der Gesundheitsgefahr. Aber sie hatten geplant, uns wegen "administrativer Maßnahmen" für ein ganzes Jahr dort zu halten. Sie hatten mich vorgewarnt, ich würde dort keinen Kontakt, keine Besuche, nichts bekommen. Um mit meinem Anwalt zu kommunizieren, musste ich einen Brief einreichen. Ich musste aus einem Stück Papier einen Umschlag falten und ihn mit Zahnpasta zukleben. Es gab nichts zu lesen, nichts, womit ich schreiben konnte, nichts! Das war ein ziemlich schwieriger Monat. Sie [die Gefängnisbeamten] sagten uns, wir müssten für ein Jahr dort bleiben, und nach Ende des Jahres würden sie unseren Fall überprüfen, wir könnten unbegrenzt dort bleiben. Wenn die Wachen mich zum Baden abholten, kamen 3 oder 4 von ihnen, um mir Handschellen anzulegen. Bei den anderen Zellen standen die äußeren Türen gewöhnlich offen. Die innere Tür war wie ein verschlossener Zaun, aber die eiserne äußere Tür, die einen vollständig isolierte, wurde offen gelassen, damit die Leute nicht verrückt würden. Doch meine war immer verschlossen. Wenn sie mich zur Dusche abholten, pflegten sie die anderen Türen vorher zu schließen, damit mich keiner auch nur sehen könne - denn zu den Regeln gehörte es, dass ich mit niemandem Kontakt haben dürfe. Ich war dort einen Monat lang barfuß, ohne zu wissen, ob es Tag oder Nacht sei. Dreckiges Wasser lief über meine Wände, während das Licht 24 Stunden lang brannte und ich die Schreie der Leute um mich herum hörte - einige von ihnen waren verrückt geworden. Eines Tages, an einem Donnerstag, brachten sie mir Papiere zum Unterzeichnen, die besagten, dass ich ein Jahr lang dort bliebe. Am darauf folgenden Dienstag, holten sie mich - ohne jede Erklärung, genau so, wie sie mich dorthin gebracht hatten, ohne, dass ich irgend etwas wusste, - dort wieder heraus. Wir erfuhren danach, dass viele Menschen außerhalb des Gefängnisses protestiert hatten. Kongressmitglieder hatten unsertwegen nachgefragt.

Nachdem Nordkorea Barbarei in größerem Maßstab unterstellt wird, lassen Sie uns zu den Gefahren kommen, die sein Testprogramm und seine sporadischen Detonationen für die Sicherheit der Welt bedeuten. Am 25. Mai unternahm Nordkorea seinen zweiten unterirdischen Nukleartest, zweieinhalb Jahre nach dem ersten. Obama verurteilte ihn prompt als "große Bedrohung für den Frieden und die Stabilität der Welt". Er fügte hinzu, Nordkoreas Aktionen seien "flown in the face of United Nations resolutions" [ein Verstoß gegen Resolutionen der Vereinten Nationen ??] und lüden zu größerer internationaler Isolation ein.
Fast vier Monate zuvor, wusste Obama nichts zu sagen, als am 3. oder 4. Februar zwei Atom-U-Boote, ein britisches und ein französisches, beide mit Nuklearraketen bestückt, mitten im Atlantik zusammenstießen. Anders als Nordkorea, das seinen Test sofort der Welt bekannt gab, sagten Großbritannien und Frankreich gar nichts. Auch die Vereinigten Staaten sagten nichts. Alle drei hofften offensichtlich, dass diese unbestreitbare Bedrohung der Sicherheit der Welt geheim bleibe.
Am 16. Februar war die britische Sun, die Murdoch gehört, die erste, die den Zusammenstoß aufdeckte. Dann, und erst dann, sagte ein anonymer britischer Beamter: "Das abschreckende Potenzial der Vanguard wurde nicht beeinflusst und es gab keine Gefährdung der nuklearen Sicherheit." Besatzungsmitglieder wurden nicht verletzt.
Frankreichs Verteidigungsminister sagte am 6. Februar in einer kurzen Erklärung: "Die Le Triomphant ist auf der Rückfahrt von einer Patrouille unter Wasser gegen ein Objekt gestoßen (wahrscheinlich einen Container), wodurch die vordere Sonarkuppel des U-Boots beschädigt wurde." Der französische Minister bestätigte nicht das Datum und erwähnte auch nicht das englische U-Boot. Die Vanguard dümpelte zurück in ihren Heimathafen und wurde von Augenzeugen als erheblich verbeult beschrieben. Das französische U-Boot Le Triomphant, das wegen der beschädigten Sonarkuppel blind war, wurde von einer Fregatte zurück in seine Basis an der französischen Westküste begleitet. Es gibt keinen Grund anzunehmen, es gäbe nur ein einziges Wort zu dem Unfall von der englischen oder französischen Regierung.
Angesichts des Schweigens von Obama zu dieser offensichtlichen Bedrohung der Sicherheit der Welt, lade ich die Leser von CounterPunch ein, eine adäquat sarkastische Erklärung für Nordkoreas Präsidenten oder seinen kürzlich designierten Nachfolger vorzubereiten, die vielleicht mit der Erklärung eines Angehörigen der britischen Marine beginnen könnte: "Es war ein unglücklicher Zufall mit der Wahrscheinlichkeit von Eins zu einer Millionen, dass zwei U-Boote an der selben Stelle des Ozeans waren."
So könnte die Welt untergehen, nicht mit einem Knall, sondern durch einen unglücklichen Zufall mit der Wahrscheinlichkeit von Eins zu einer Millionen. Schurkenstaat?
Was ist die Lektion für den Iran in dieser Geschichte? Es zahlt sich aus, eine Atombombe zu haben. Man erweist dir einen gewissen Respekt, sogar durch einen Besuch von Bill Clinton.
[...] Original

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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