Open Democracy

Alan Gross: Zeit für eine Verhandlungslösung

Arturo Lopez-Levy, 23. Januar 2013

Der Fall von Alan Gross, einem in Kuba wegen Vergehen an der Unabhängigkeit oder territorialen Integrität eines Staates zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilten amerikanischen Entwicklungsexperten, ist der jüngste Beitrag zur angespannten Geschichte der Beziehungen zwischen Kuba und den USA. Verhandlungen sind die einzige Möglichkeit, den Kreislauf zu durchbrechen.
Im vergangenen Jahr forderte der Republikaner David Rivera im Ausschuss für Ausländische Angelegenheiten, dass Wendy Sherman, die Unterstaatsekretärin für politische Angelegenheiten, aufdecke, ob die USA versucht hätten, mit Havanna in irgendeiner Form für die Freilassung von Alan Gross zu verhandeln. Herr Gross ist ein internationaler Entwicklungsexperte, der bei der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) unter Vertrag stand und in Kuba nach seiner Verurteilung wegen der Teilnahme an Vergehen an der kubanischen Souveränität und politischen Integrität fünfzehn Jahre Gefängnisstrafe verbüßt.
Gross reiste fünf Mal als nicht-registrierter Agent in Kuba ein. Seine Mission als USAID-Unternehmer bestand darin, ein drahtloses Internet-Netzwerk zu schaffen, dass die Überwachung der kubanischen Regierung umgehen würde. Das USAID-Programm entspricht dem unter Titel 109 im "Helms-Burton Act", dem Gesetz, das sich dem Regimewechsel in Kuba widmet. Gross' Aktionen waren verdeckt. Er erhielt dazu nie eine auf Verständigung beruhende Zustimmung der jüdischen Gemeinde in Kuba, die stets ihre oppositionelle Einstellung gegenüber dem Helms-Burton-Gesetz betont hatte, insbesondere gegenüber dessen Versuche, religiöse Gemeinden als Instrumente zur Förderung oppositioneller Gruppen zu benutzen.
Herr Gross kannte Kuba nicht und sprach kein Spanisch. Gross liebte kubanische Musik - kaum eine Qualifikation für eine verdeckte Mission - wurde aber von "Development Alternatives Initiatives" (DAI) als Lieferant der US-Regierung rekrutiert. Ein eindeutiges Merkmal für die mangelnde Professionalität des USAID-Kuba-Programms ist seine kürzlich freigegebene Liste [Seite 11] [1] aus "go-to sources" [Quellenangabe] zur Information über Kuba auf der Website "Babalu Blog". Man muss kein Kubaexperte sein, um zu erkennen, dass der "Babalu Blog" eher keine Aufklärung über Kuba bietet, sondern vielmehr rechtsradikale Propaganda über jeden kubanischstämmigen Amerikaner verbreitet, der mit seinen am McCarthyismus ausgerichteten Autoren nicht übereinstimmt. Laut Babalu Blog [Seite 12] [2] ist Präsident Obama ein "marxistischer Tyrann" in der "Stalin-Mao-Castro-Tradition".
Bei der Anfrage an die Obama-Administration sagte der republikanische Kongressabgeordnete Rivera: "Es ist empörend, dass die Obama-Administration mit einem terroristischen Regime verhandeln könnte, um eine amerikanische Geisel zu befreien."
Diese Politik ist soweit korrekt: Die USA sollten nicht auf Forderungen von Terroristen eingehen, die diese nur dazu ermutigen würde, weitere Geiseln zu nehmen. Doch dies hat nichts mit Gross oder Kuba zu tun.
Riveras Angaben über Terrorismus sind Manipulation. Das Außenministerium hat in zwei Jahrzehnten keinen einzigen Terroranschlag, der von Kuba gesponsert worden wäre, zu verzeichnen. Kürzlich war Havanna noch Gastgeber einer weiteren Verhandlungsrunde zwischen den Farc-Guerillas und der kolumbianischen Regierung von Manuel Santos. Die kolumbianische Regierung schätzte nicht nur Kubas Vermittlung, sondern forderte auch, dass Havanna in den nächsten Gipfel der Länder Amerikas eingebunden würde. In Spanien hat eine angeblich auch von Kuba geschützte Gruppe, die ETA, abgerüstet, und die folgenden sozialistischen und beliebten Regierungen haben Havanna für die Befreiung der Kommandos der baskischen Organisation gedankt.
Alan Gross wurde in Kuba verhaftet und nicht gekidnapped. Wenn Außenministerin Clinton sagt: "Mr. Gross war kein Spion. Mr. Gross arbeitete für eine Entwicklungsgruppe, die Kubanern half," verbirgt sie einen Teil der Wahrheit. Herr Gross war kein Geheimagent - er ist keine Geisel, sondern ein Opfer der US-Politik für Regimewechsel. Wenn Washington einer Aushandlung seiner Freiheit mit Kuba zustimmte, würde das kein Risiko für die Entführung anderer Amerikaner darstellen. Kuba entführt keine amerikanischen Touristen, wie es die Hamas und Hisbollah mit israelischen Bürgern getan haben, um neue Verhandlungen auszulösen.
Die Obama-Administration wiederholt öffentlich, dass die einzige Möglichkeit, den Gross-Fall zu lösen, seine bedingungslose Freilassung seitens Kubas sei, habe die politische Initiative den kubanischen Rechten ausgeliefert. Diese Hard-line-Exilanten, denen Obama nichts schuldet (Sie versuchten, seine Wiederwahl zu verhindern, indem sie Obama als Sozialisten unter einer Decke mit Hugo Chavez und Mariela Castro darstellten.), wollen ihre eigene Mitverantwortung an der Gross-Tragödie immer noch nicht akzeptieren.

In der Geschichte von Washingtons Konflikten mit Kubas Souveränität, die zum großen Teil von einigen Exilantengruppen durch die Forderung, das US-Embargo aufrecht zu erhalten und einen Regimewechsel von außerhalb aufzuzwingen, ausgelöst wurden, war Gross' Verhaftung keine Überraschung. Diejenigen innerhalb von USAID, die Gross nach Kuba schickten, wussten, dass dieses [US]-amerikanische Gesetz, unter dem er arbeitete, nicht nur von Kuba, sondern auch von den Vereinten Nationen und dem größten Teil der kubanischen Zivilgesellschaft, insbesondere der wichtigsten religiösen Gemeinden, als Verletzung der kubanischen Souveränität betrachtet wird.
Unabhängig davon, wie sehr man mit der Ausdehnung des Internetzugangs in Kuba sympathisieren mag, unterliegt der Schutz des kubanischen Cyberspace laut internationalem Recht der Verantwortlichkeit des kubanischen Staates. Angesichts der Geschichte von Terroranschlägen der kubanischen Exilanten, bestenfalls mit Duldung durch die US-Regierung, schlechtestenfalls mit deren Komplizenschaft, ist es nur logisch, dass die kubanischen Behörden jeden Versuch, ihre Kontrolle über ihren Cyberspace zu unterminieren, als ernste Bedrohung ihrer nationalen Integrität betrachten.
Über Jahrzehnte wurde Kubas technologische Entwicklung durch Handelsbeschränkungen mit dem größten Markt der Welt, nur 145 km von seinen Küsten entfernt, behindert. Das Programm von USAID versucht einen selektiven Zugriff für Gegner der kubanischen Regierung zu schaffen während das Embargo den Verkauf derselben Technologie und des Internetzugangs der kubanischen Regierung und ihrer Unterstützer oder dem kubanischen Volk verweigert. Das ist nicht die Förderung von Zugriff auf Informationen oder Demokratie, sondern verdeckte Unterstützung der politischen Opposition.
Nach seiner Wiederwahl besitzt Präsident Obama die Flexibilität, die ihm vor dem November fehlte. Judy und Alan Gross' Klage gegen die Regierung ist eine Interpellation gegen schlecht ausgestattete USAID-Programme in Kuba. Wenn Gross nicht über die Risiken, die er einging, informiert und nicht darauf vorbereitet war, was sagt das dann über die Verantwortungslosigkeit der USA aus, wenn sie diese Risiken den kubanischen Bürgern aufdrängt, die in diesen Programmen benutzt werden, ohne deren informiertes Einverständnis? Es ist an der Zeit über kreative Alternativen nachzudenken, wie den Transfer von Millionen von USAID-Geldern in weniger provokative und aufdringliche Initiativen. Wäre es nicht weniger kontrovers, Universitätsstipendien oder Sponsorprogramme mit dem Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung und humanitären Hilfe zu fördern, ohne jede Verbindung zum Helms-Burton-Gesetz?
Jede ausgehandelte Lösung hat ihren Preis, aber es ist logisch, ihn mit den Alternativen zu vergleichen. In Washington und Miami bleibt die Diskussion unvollständig, wenn Hardliner nicht auf die Kosten der US-Regierung eingehen, wenn diese auf ihre moralische und legale Verantwortung gegenüber jemandem, der für die vom Helms-Burton-Gesetz ersonnenen USAID-Programme arbeitete, verzichtet. Die Kreise, die gegen eine Verhandlung sind, haben sich durchgesetzt, ohne auch nur die Vorteile, Kosten und Unsicherheiten des vorgeschlagenen Kurses zu erklären. Es ist an der Zeit Judy Gross zu erklären, dass der Vorschlag dazu führt, dass ihr Mann für vier Jahre oder länger hinter Gittern bleibt.
Die Möglichkeit, Gross' Entlassung mit der kubanischen Regierung zu verhandeln, sollte grundsätzlich diskutiert werden. Kuba hat Gefangene in den USA, verurteilt und mit langen Haftstrafen bedacht, und wünscht genauso deren Entlassung. Wenn es Hinderungsgründe für eine US-Begnadigung dieser kubanischen Agenten im Austausch mit Alan Gross gibt, sollte die Obama-Administration sie der [US]-amerikanischen Öffentlichkeit ehrlich präsentieren. Das schließt ein: Verletzten diese kubanischen Agenten wirklich die [US]-amerikanische nationale Sicherheit? Erhielten sie ein gerechtes und unparteiisches Verfahren in Miami? Tragen USAID und das State Department die Verantwortung für Gross' Haft? Dienen die Politik des Regimewechsels und das Embargo selbst den demokratischen Werten und den nationalen Interessen der USA?
An dem Tag, an dem in Washington und Havanna der politische Wille da ist, die strukturellen Probleme der bilateralen Beziehung zwischen den beiden Ländern zu lösen, werden sie auch die Gross-Affäre kreativ lösen. Die Diskussionen um Gross' Haft gehen immer um mehr als nur um Gross selbst. Mr. Gross' Haft ist ein Geschenk für die rechtsradikalen Kubaner im Exil, das Reiseverbot nach Kuba bis zu den Wahlen 2016 aufrecht zu erhalten. Demzufolge ist das Ausbleiben von Verhandlungen über Inhalte beiderseitigen Interesses das schlechtest mögliche Szenario. Havanna muss auch zwei Mal nachdenken. Nichts wäre schlimmer, als die nächsten vier Jahre von Obamas zweiter Amtszeit zu verschwenden, ohne eine weniger konfrontative Beziehung voranzutreiben. Das wäre nicht im nationalen Interesse Kubas. Das würde die Situation der kubanischen Agenten, die 2016 immer noch im Gefängnis sitzen, nicht verbessern.

Autorisierte Übersetzung: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Open Democracy vom 23. Januar 2013)

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