Wie lange noch? Obama und die Cuban Five

Von Ricardo Alarcón de Quesada

Havanna

Die Verhaftung von vier Einwohnern Miamis in Kuba, die mit dem Ziel hierher kamen, die dort geplanten Terroranschläge - wo sie ihr Training und ihre Ausrüstung erhielten und wo ihre Bosse leben - auszuführen, bringt wieder einmal das an den Fünf Landsleuten begangene absolute Unrecht ans Tageslicht. Sie hatten eine schwierige und gefährliche Mission ausgeführt, um zu versuchen, genau solche Verbrechen zu verhindern.
Die heroische Aufgabe von Gerardo, Ramón, Antonio, Fernando und René war völlig legitim. Sie gründete sich auf das, was als "Notlage" oder auch als "necessity of defence" [Notwendigkeit der Verteidigung, ein in der US-Rechtssprechung verankertes Gesetz, Anm. d. Ü.] bekannt ist, nämlich unter gewissen Umständen, wenn das Leben einer Person in Gefahr ist, eine minder schwere Gesetzesübertretung zu begehen (ein leicht verständliches Beispiel dafür ist: ohne Erlaubnis in ein Haus einzudringen und materiellen Schaden anzurichten, um jemanden vor dem Feuer zu retten).
In diesem Fall, setzten sie ihr eigenes Leben aufs Spiel, um das anderer zu retten und dies nicht in nur einem heldenhaften Akt wie in dem Beispiel mit dem brennenden Haus, sondern vielmehr in vielen Heldentaten über Jahre hinweg, in denen sie innerhalb der schlimmsten Terrorgruppen arbeiteten, um deren Pläne aufzudecken. Sie benutzten nie Waffen dazu noch Druck oder Gewalt. Sie gehorchten in ihrem täglichen Leben dem Gesetz und ihren gesellschaftlichen Pflichten. Sie waren Beispiele für Höflichkeit, wie ihre Nachbarn und Mitarbeiter vor Gericht bezeugten.
Unsere Landsleute begingen im Prinzip nur einen Fehler: Sie enthüllten den Behörden nicht das Wesen ihrer Mission in Miami. Dieses Vergehen, sich nicht als ausländische Agenten registrieren zu lassen, ist in den Vereinigten Staaten durchaus üblich und wird normalerweise mit einer Strafzahlung geahndet.
Im Fall der Cuban Five ist dieses Versäumnis völlig gerechtfertigt. Tatsächlich war es lebensnotwendig: Warum sollte jemand gegen den Terrorismus in Miami kämpfen und sich gleichzeitig den selben Behörden stellen, die den Terroristen 50 Jahre lang geholfen und sie unterstützt haben?
Das selbe Gericht, vor das sie gestellt wurden, bringt es auf den Punkt. Von den ersten Anschuldigungen bis zu den Sitzungen, in denen ihnen die exzessiven Strafen auferlegt wurden sowie während des gesamten Verfahrens, verhehlten die Staatsanwälte die Tatsache nicht, dass sie aufseiten der Terroristen, dass sie deren Beschützer waren, und um sie zu unterstützen, setzten sie unsere Helden in einer bizarren Umgehung des Rechts auf die Anklagebank.
Die Richterin hatte ihrerseits ihre eigenen unvergesslichen Momente, indem sie den wahren Kern dessen, was da geschah offenbarte. Dies wurde insbesondere klar, als sie ihre Strafen auferlegte, zu denen auf Verlangen der Regierung die so genannte "incapacidation clause" [Entmündigungsklausel] gehörte, die die Angeklagten einer Sonderregelung unterwarf, nachdem sie ihre übertriebenen Gefängnisstrafen verbüßt hätten, die die Staatsanwaltschaft "vielleicht noch wichtiger" fand als die unrechtmäßige Inhaftierung.
Sie hatte mit der Vorbeugung dessen zu tun, dass niemand der Cuban Five mehr versuchen könnte, irgend etwas gegen die Terroristen zu unternehmen.
Da René und Antonio durch Geburt US-Bürger waren und nicht unverzüglich aus dem Land gewiesen werden konnten, wie kürzlich noch Fernando, fügten sie noch einige Jahre der "Bewährung" hinzu mit der folgenden vielsagenden strikten Auflage: Als weitere Sonderauflage der überwachten Freilassung, ist es dem Angeklagten verboten, sich speziellen Orten zu nähern oder sie aufzusuchen, wo sich terroristische Personen oder Gruppen, Mitglieder von Organisationen, die Gewalt befürworten aufhalten und von denen bekannt ist, dass sich dort Persönlichkeiten des organisierten Verbrechens aufhalten oder sie regelmäßig aufsuchen."
Diese hanebüchene Anordnung wurde im Dezember 2001 erlassen. In jenen Tagen verkündete G. W. Bush, dass "jede Regierung, die Terroristen unterstützt, beschützt oder beherbergt, Komplizin im Mord an Unschuldigen ist und sich genau so des terroristischen Verbrechens schuldig macht" und von diesem Gedanken getrieben entfesselte er überall seinen "Krieg gegen den Terror". Wo der jedoch auch immer stattfinden mag, Miami liegt für Bush offensichtlich auf einem anderen Planeten.
Die Klausel der Richterin zum Schutz der Terroristen ist die eigentliche Essenz der gesamten Saga um die Fünf. Es reicht, die Anordnung zu lesen, die die selbe Richterin 10 Jahre später fällte, als René das Gefängnis verließ. Sie wollte ihn zwingen, dort zu bleiben, allein, isoliert, unbewaffnet, ohne Möglichkeit sich gegen irgendeine Aggression zu verteidigen. Als wäre das noch nicht genug, wiederholte die Richterin Wort für Wort das Verbot von vor 10 Jahren. Die Warnung war eindeutig. Man wollte nicht René vor den Terroristen schützen, sonder diese vor René.
Heute wie gestern gibt die Regierung der Vereinigten Staaten ganz klar zu, dass sie weiß, wer die Terroristen in Miami sind. Sie weiß auch, wo sie sind und welche Plätze sie häufig aufsuchen. Aber es zeigt auch auf beschämende Weise, dass die "Bush-Doktrin" für sie nicht gilt, und statt sie zu fangen und ins Gefängnis zu stecken, widmet sie ihre Bemühung deren Schutz.
Darum wunderte es auch keinen, als Luís Posada Carriles - seit 20 Jahren von Interpol als Flüchtling vor der venezolanischen Justiz, die ein Verfahren gegen ihn führte wegen der Zerstörung eines zivilen Flugzeuges mitten im Flug - 2005 beschloss, sich in Miami niederzulassen und weiterhin den Terrorismus gegen Kuba voranzutreiben, aber nicht mehr im Untergrund, sondern in aller Öffentlichkeit.
Es war auch keine Überraschung, dass vier Mitglieder von Posadas Terrornetzwerk mehrfach nach Kuba kamen, um weitere Attacken vorzubereiten, und jetzt hier im Gefängnis sitzen. Es sind Personen mit krimineller Vergangenheit in Miami, die sich sogar öffentlich mit ihren kriminellen Vorhaben brüsteten.
Die Straffreiheit, unter der diese kriminellen Gruppen weiterhin operieren, ist eine direkte Konsequenz des Prozesses, der gegen unsere fünf Kameraden geführt wurde. Was vor über 15 Jahren geschah, war eine klare Botschaft, die noch immer gilt: in Miami ist der Terrorismus gegen Kuba nicht nur erlaubt, er genießt auch die Komplizenschaft und den Schutz der Behörden.
Die Überführung Südfloridas in eine Zufluchtstätte für den Terrorismus kann auch für das Volk der Vereinigten Staaten ein gefährliches Spiel werden. Während die Cuban Five eingesperrt wurden und das infame Verfahren gegen sie lief, trainierte die Mehrheit der Terroristen, die die abscheuliche Tat vom 11. September 2001 begingen, genau dort in Miami. Keiner von ihnen erregte Verdacht, keiner zog das Interesse des FBI auf sich. Weil in Miami das FBI keine Zeit für solche Sachen hat, da es seine Aufmerksamkeit auf den Schutz antikubanischer Terroristen richtet und die bestraft, die deren Verbrechen zu verhindern suchen.
Barack Obama erreicht die Mitte seiner zweiten und letzten Amtszeit als Präsident. Als er 2009 das Weiße Haus betrat, trat er ein unmoralisches und heuchlerisches Erbe an, für das er nicht verantwortlich ist. Aber er wird es sein, wenn er nichts unternimmt, das zu ändern.
Es liegt in seinen Händen, etwas zu tun, sodass man sich an ihn erinnert als jemanden, der sich von seinem Vorgänger unterscheidet. Das erste wäre, Gerardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino und Antonio Guerrero, sofort und bedingungslos die Freiheit zu gewähren. Er kann es tun, und er weiß es. Er weiß auch, dass die Geschichte ihm nicht verzeihen wird, wenn er es nicht tut.

Ricardo Alarcón de Quesada war Kubas UN-Botschafter, Außenminister und Präsident der Nationalversammlung.

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

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