Von Obama freigelassener kubanischer Top-Spion sagt, er sei bereit für seine "nächste Aufgabe" im Castro-Regime.

In einem Exklusivinterview mit Yahoo-News verteidigt Gerardo Hernández trotzig seine Rolle als Anführer des Spionagenetzwerks der Cuban Five.

Von Michael Isikoff
2. März 2015

Hernández erinnert sich, dass er bis auf die Unterwäsche entkleidet, von jedem menschlichen Kontakt abgeschnitten und vom Durchsickern von Toilettenwasser - Tropfen bei Tropfen - aus der Zelle über ihm in das Waschbecken seiner beengten Behausung gepeinigt wurde.
Es geschah ein paar Tage nach der U.S.-Invasion des Iraks 2003, und das Büro des Bundesgefängnisses unternahm nichts dagegen - "administrative Sondermaßnahme" nannten sie es - vorgenommen an öffentlich bekannten politisch-heiklen Gefangenen wie Hernández, der eine zweimal lebenslängliche Strafe ohne die Aussicht auf eine Bewährungsmaßnahme wegen Verschwörung, Spionage und Mord begehen zu wollen, verbüßte.
"Hallo," sagte er, als ihm endlich erlaubt worden war, mit dem für ihn zuständigen Kontakt in der Kubanischen Interessenvertretung in Washington zu sprechen, "hier ist der Graf von Monte Christo."
Es war Hernández’ verschmitzte Anspielung auf den berühmten Roman des 19. Jahrhunderts von Alexandre Dumas, dessen Held Edmond Dantès für den Rest seines Lebens in einem Verlies auf einer Mittelmeer-Insel gefangen gehalten werden soll, dem er nur durch eine wundersame Flucht entkommt und dann Jahre später triumphierend, als wohlhabendes Mitglied des französischen Adels, wieder auftaucht.
Heute, nach einer Reihe von Komplotts mit unerwarteten Wendungen, jede so unwahrscheinlich wie die in Dumas’ Roman, sieht Hernández sein Schicksal als eine moderne Entsprechung dessen im richtigen Leben. Nachdem sein Strafurteil von Präsident Barack Obama umgewandelt wurde, ist er jetzt ein freier Mann in seinem Heimatland Kuba, wieder vereint mit seiner Ehefrau Adriana und seinen früheren Spionagekameraden. Am vergangenen Dienstag, wurden Hernández und seine Mitspione - die Cuban Five, wie sie hier genannt werden, offiziell von Präsident Raúl Castro in einer großen Festveranstaltung vor Kubas Nationalversammlung als Nationalhelden ausgezeichnet.
Und Hernández teilt Yahoo News in einem Exklusivinterview mit, er sei bereit, seine Pflicht zur Voranbringung der Sache seines Landes, der kommunistischen Revolution, wieder aufzunehmen.
"Was ich Ihnen jetzt sage, habe ich Raúl Castro auch schon gesagt: Ich bin ein Soldat," sagte Hernández, indem er sich auf die Brust klopfte. "Ich bin bereit für den Erhalt meines nächsten Auftrags. Ich kann meinem Land überall dienen, wo es glaubt, dass ich ihm nützlich sein kann."
Vielleicht das Erstaunlichste von allem, Hernández, 49, ist auch Vater eines 7 Wochen alten Kindes, Gema. Das Mädchen (ihr Name bedeutet auf Spanisch "Edelstein") wurde im vergangenen Jahr, während Hernández noch im Gefängnis war, empfangen. Sein eingefrorenes Sperma wurde für eine heimliche Befruchtung Adrianas nach Panama verschifft, alles war von der Obama-Administration auf Drängen von Vermont Sen. Patrick Leahy als Bestandteil seiner Hintertür-Diplomatie mit der Kubanischen Regierung eingefädelt worden.
"Wir müssen an Wunder glauben," sagte Hernández, während er Gema an der Seite einer begeisterten Adriana sanft wiegte, als das Paar im Hof der Villa des Außenministeriums saß, wo sie jetzt mit einem Stab ihnen von der Regierung gestellten Nannies, Köchen und Bediensteten wohnen.
Die Freilassung am vergangenen 17. Dezember von Hernández sowie den anderen beiden letzten Mitgliedern seines "Five Cuban - Spionagenetzwerks", Ramón Labañino und Antonio Guerrero - war ein riesiger Propaganda-Coup für die Castro-Regierung. Sie ebnete auch den Weg für einen historischen Durchbruch in den U.S-Kuba-Beziehungen, der der Insel schon eine Welle von amerikanischen Touristen beschert hat, und U.S.-Firmen klopfen auf der Suche nach neuen Geschäftsgelegenheiten an Havannas Tür.
Doch die Befreiung von Hernández bzw. der fünf kubanischen Spione, bei Kubas gleichzeitiger Freilassung des inhaftierten amerikanischen Subunternehmers Alan Gross und einer inhaftierten CIA-Spionin, wühlt weiterhin nicht verwundenen Verdruss unter den Anti-Castro-Kubanern in Südflorida und bei einigen Kongressmitgliedern auf.
"Schändlich," schrieben die republikanische Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen und Bob Goodlatte, der Vorsitzende des Rechtsausschusses, in einem Brief an das "Bureau of Prisons", indem sie Hernández als einen "verurteilten Spion und Mörder" bezeichneten und Antwort auf die medizinische Behandlung seiner Ehefrau verlangten.
Hernández ist seinerseits ungebeugt und reuelos, ein stolzer "Fidelista", jedoch mit gewisser Ironie und Sinn für Humor. "Ich habe jetzt eine neue Bewachung," sagte er bei der Villa und nickte in Richtung einer Frau, die sich im Hintergrund aufbaute: "Meine Schwiegermutter."
Wie es Hernández beschreibt, ist er ein Patriot, der von Kubas Direktion des Geheimdienstes ausgesandt war, um das auszuführen, was Kubaner innerhalb der Vereinigten Staaten als lebenswichtige Mission ansahen: die Anti-Castro-Exilantengruppen in Südflorida zu unterwandern, die seit Jahren Terroranschläge auf ihr Heimatland ausheckten und durchführten.
"Es gab Ausbildungscamps in den Everglades in Südflorida," sagte er. "Diese Leute pflegten in Schnellbooten nach Kuba zu fahren, einige Schießereien anzustellen, einige Bomben zu legen und dann zurückzufahren und Pressekonferenzen zu geben: ’Juchhu, wir haben es geschafft. Wir waren in Kuba. Nieder mit der Castro-Regierung.’"
Diese Angriffe, die über Jahrzehnte fortgesetzt wurden und in den Vereinigten Staaten meist in Vergessenheit gerieten, haben sich in den Erinnerungen der meisten Kubaner eingefressen. [Im Weiteren geht der Autor auf den Bombenanschlag auf das kubanische Flugzeug 1976 und die Bombenserie von 1997 ein. Anm. d. Ü.]
Hernández verglich seine Bemühungen, diesen Anschlägen entgegen zu wirken, mit den Versuchen der CIA, Terrorgruppen wie Al-Kaida und den Islamischen Staat zu zerstören. "Anders als die Vereinigten Staaten," sagt er, "hat Kuba keine Drohnen, um die Terroristen zu töten."
"Und selbst die USA, die Drohnen besitzen, schicken Leute, die sie mit Bärten wie Al-Kaida-Mitglieder zurecht gemacht haben in deren Trainingslager. Das ist genau, was Kuba gemacht hat."
[Dann geht der Autor auf die Tätigkeit des Wespennetzes in Miami und Antonios Aufgabe in der Naval Air Station Key West ein. Anm. d. Ü.] Hernández sagt, dies [Antonio hatte die Zahl der landenden und abfliegenden Flugzeuge ermittelt. Anm. d. Ü.] sei nur ein geringer Teil der Mission gewesen und habe auf jeden Fall nicht den Diebstahl von "geheimen" Informationen beinhaltet.
[Dann beschreibt der Autor die Abschüsse der Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" und Gerardos Verurteilung wegen "Verschwörung, Mord begehen zu wollen". Anm. d. Ü.]
Hernández’ Verbindungen zum Abschuss bleibt der aufheizenste Teil seines Falles. Seit seiner Entlassung empören sich die Familien der getöteten Piloten darüber, dass er frei sein soll. Letzte Woche, am selben Tag, als die Cuban Five ihre Medaillen von Präsident Castro erhielten, marschierten Hunderte von kubanischen Exilanten in Miamis Little Havana, um der Piloten der "Brothers to the Rescue" zu gedenken und sich in der Florida State University zu einer Schweigeminute mit den Familienmitgliedern zu versammeln, die sich an den Händen haltend im Kreis aufstellten. "Dies ist ein sehr emotionaler Augenblick für jedes Familienmitglied, das davon betroffen ist - wie wenig Gerechtigkeit einem geblieben ist," sagte Maggie Khuly, die Schwester des getöteten Piloten der "Brüder" Armando Alejandre Jr. über Hernández’ Entlassung. "Das wird man nie verschmerzen."
Hernández bestreitet vehement, dass er im Vorfeld des kubanischen Abschuss’ davon gewusst habe. (Zumindest eine Bundesberufungsrichterin, die seinen Fall überprüfte, kam zu dem Schluss, dass der entscheidende Hinweis gegen ihn - eine Botschaft, in der er einen Mitspion, der die "Brothers to the Rescue" unterwandert hatte, davor gewarnt hatte, an dem Tag zu fliegen - nicht beweiskräftig sei.) Auf die Frage, was er einer immer noch trauernden Schwester wie Khuly sagen würde, antwortete er, ihr Bruder hätte gar nicht erst fliegen sollen, da Basulto selbst Terrorist gewesen sei, auch wenn er lange vorher der Gewalt abgeschworen habe.
"Ich will mich gar nicht dazu äußern, ob es die richtige Entscheidung war oder nicht," sagte er zu Kubas Entschluss, die Flugzeuge der "Brothers to the Rescue" abzuschießen. "Das ist nicht meine Sache. Ich erkläre nur, dass es Kubas Recht ist, Basulto und die "Brothers to the Rescue" nicht als humanitäre Organisation zu betrachten, was sie zu sein behaupten. Können Sie sich vorstellen, dass jemand wie bin Laden," - an dieser Stelle hebt Hernández seine rechte Hand hoch, als wolle er einen Eid schwören - "sagt, ’von jetzt an werde ich Pazifist, und ich werde eine Organisation gründen ... nur um Lebensmittel abzuwerfen’? Können Sie sich ein derartiges Szenario vorstellen?"
Quellen aus dem US-Geheimdienst erzählten Yahoo News, dass das FBI schließlich Hernández und das Wespennetz verhaften konnte durch die Information einer Kryptographin innerhalb des kubanischen Geheimdienstes - Rolanda "Roly" Sarraff, genau das "Spionagekapital", das im Austausch mit Hernández von Kuba entlassen wurde. Und nachdem Hernández und der Rest der Cuban Five 1998 verhaftet worden waren und für 17 Monate in Isolationshaft in einem Gefängnis in Miami festgehalten wurden, tat das FBI alles, was es konnte, um Hernández und den Rest der Cuban Five umzudrehen, indem es ihnen wiederholt Deals anbot, damit sie Informationen über ihre Auftraggeber in Havanna herausrücken.
Aber Hernández und seine Kollegen von den Cuban Five blieben standhaft, ermutigt, wie er sagte, durch die Worte von Fidel Castro, der, als er nach ihnen gefragt wurde, zu einem CNN-Reporter gesagt hatte: "Ich kann ihnen eines sagen: Wir werden sie niemals zurücklassen".
"Dieser Tag, an dem uns diese Erklärung erreichte," sagte Hernández, "dieser Tag war der, der alles für uns änderte. Von dem Tag an wussten wir, dass uns nichts brechen würde."
Hernández seelische Stärke scheint sich am Ende ausgezahlt zu haben. Er und der Rest der Cuban Five werden jetzt in Kuba wie Rockstars gefeiert, sie werden auf der Stelle erkannt und bejubelt, wo immer sie sich aufhalten. Als sie von einem Reporter begleitet durch die Straßen von Romerillo gingen, eine der ärmsten Gegenden von Havanna, fiel man über sie her: Frauen umarmten und küssten sie, Kinder baten sie flehentlich um Autogramme und jeder wollte mit ihnen fotografiert werden.
An einer Stelle hielten Hernández und die Gruppe vor einer kleinen goldenen Statuette an einem Heiligengrab des San Lazaro, einem Nationalheiligen in Kuba - für Wunder. Es blieb nicht unbemerkt in diesem kommunistischen, aber immer noch religiösen Land, dass der 17. Dezember San Lazaros Tag ist, der Tag an dem Hernández, Labañino und Guerrero aus US-Gefängnissen entlassen wurden.
"Die Tatsache, dass wir am 17. Dezember zurückkamen, ist für viele Kubaner kein Zufall," sagte Hernández vor dem Heiligengrab. "Denken Sie daran, dass während der 16 Jahre viele Kubaner beteten und San Lazaro um das Wunder baten, dass die Fünf eines Tages zurückkommen mögen. Also, wer will den Leuten sagen, dass San Lazaro nicht für dieses Wunder sorgte?"
Ob er das selber glaube, wurde er gefragt. Der Spionageveteran lachte und sah auf den Schrein. "Alles was für mich wichtig ist, ist, dass ich hier bin. Wer machte es möglich," sagte er und sah zum Himmel und warf seine Hände hoch, "Herzlichen Glückwunsch! Danke! Aus welchem Grund auch immer."

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: Yahoo News vom 2. März 2015)

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