Das FBI behauptet, keine Aufzeichnungen zu haben... Sie belieben wohl zu scherzen

Stephen Kimber, 11. März 2011

Offener Brief an das FBI zu einem gewissen Treffen in Havanna im Juni 1998 und warum es jetzt behauptet, keine Aufzeichnungen davon zu haben...

Sehr geehrter David M. Hardy,

Danke für Ihren Brief vom 25. Januar 2011, in dem Sie mich darüber informieren, dass "eine erneute Suche nach den Indexen unseres zentralen Aufzeichnungssystems nach Aufzeichnungen bezüglich des Gegenstandes Ihrer Nachfrage durchgeführt wurde. Nach dieser Suche kamen wir zu dem Schluss, dass es keine Ihre Anfrage beantwortenden Aufzeichnungen gibt."
Keine Aufzeichnungen? Sie machen sich wohl lustig? Ehrlich? Keine Aufzeichnungen?
Ich weiß, dass Sie eine Menge der "Freedom of Information/Privacy Acts (FOIPA)" Anfragen zu bearbeiten haben (daher kommt es wahrscheinlich, dass es so lange dauert, bis Sie mir mitteilen können, dass Sie nichts mitzuteilen haben), also lassen Sie mich Sie an den "Gegenstand" meiner Anfrage erinnern.
Am 5. Mai 2010 stellte ich folgende Anfrage nach:
"allen Berichten, Korrespondenzen, Memos, Notizen, E-Mails und anderen Aufzeichnungen bezüglich eines Treffens einer FBI-Delegation mit der Kubanischen Staatsicherheitsbehörde in Havanna im Juni 1998. Meines Wissens fand das Treffen selbst vom 15.-17. Juni statt, aber ich suche auch jegliches Material über die Vorbereitungen des Treffens sowie dessen Nachbereitung in der Zeit vom 1. Mai bis zum 15. September 1998."
Sie antworteten einige Monate danach,´dass Sie meinem Ersuchen die amtliche Identifikationsnummer FOI/PA #1150092 gegeben hätten (also, bewahren Sie Aufzeichnungen auf), aber Sie hätten in meiner Angelegenheit den gesamten Raum abgelegter Akten durchsucht und seien zu keinem Ergebnis gekommen. "Nada". Tut uns leid.
Sie sagten nicht, Sie wollten mir die Dokumente nicht geben. Sie sagten, es gäbe keine Dokumente.
Aber wenn ich es gerne möchte, fügten Sie freundlicherweise hinzu, könne ich noch einmal nachfragen.
Das tat ich - netterweise.
Am 5. Oktober 2010 schrieb ich Ihnen erneut und wiederholte mein ursprüngliches Ersuchen, und indem ich einige zusätzliche Information hinzufügte, hoffte ich, würde Ihnen dies eine Spur von Brotkrumen vorbei an den Wollmäusen der Abteilung zu den Akten weisen, um die ich ersuchte.
Ich schrieb:
"Die Aufzeichnungen, nach denen ich suche, betreffen das Treffen in Havanna in Verbindung mit einer FBI-Untersuchung von einer Reihe von Bombenattentaten auf Hotels und Urlaubsorte in Kuba in der Mitte der '90er Jahre. Meiner Kenntnis nach behaupteten kubanische Behörden, dass sie Beweise für eine amerikanische Verwicklung in die Bombenanschläge hätten und dass es die Absicht der Kubaner gewesen sei, ihre darüber gesammelte Information mit Ihnen auszutauschen.
Laut des im Prozess gegen die Cuban Five vorgelegten Beweismaterials (Transcript 10925-6) "sandten die Vereinigten Staaten" ein Jahr vor dem Treffen in Havanna, "fünf verschiedene diplomatische Noten an die kubanische Regierung, mit denen sie hinsichtlich der Beweise, die die kubanische Regierung für diese Bombardements hatte, um ein Treffen baten" und dass das FBI vor Juni 1998 um solch ein Treffen über ein Jahr lang ersucht hatte".
Ebenfalls laut der im Prozess gegen die Cuban Five vorgelegten Beweise (Transcript P10871) waren zwei der an dem Treffen im Juni 1998 in Havanna beteiligten Amerikaner als die FBI-Agenten Agustin Rodríguez und Luis Rodríguez beschrieben worden.
Das Protokoll (P10871) weist auch daraufhin, dass es zumindest noch ein Nachfolgetreffen 1999 in Washington gegeben haben muss, um die Analyse des FBIs von dem Material, das im Juni bei dem Treffen in Havanna übergeben wurde, zu erörtern.
Ich hatte gehofft, dass diese Suchhilfe Ihnen bei dem Aufspüren der Dokumente behilflich sei. Leider zerschmetterte Ihr Brief vom 25. Januar meine Hoffnungen wieder.
Ihre erneute Suche brachte wieder das alte Ergebnis: nichts.
Was soll ich davon halten?
Wollen Sie mir damit sagen, das Treffen habe nicht stattgefunden? Oder dass das Treffen zwar stattgefunden, aber niemand ein Wort darüber weder vorher, noch während oder nachher niedergeschrieben habe?

Um mit der ersten Möglichkeit zu beginnen: Es gab kein Treffen.
Soweit ich sagen kann, tauchte dessen erste Erwähnung im März 1999 auf, als der Oberst der Kubanischen Staatssicherheit Adalberto Rabeiro während des Prozesses in Havanna gegen einen salvadorianischen Söldner, der einiger Bombenanschläge angeklagt war, als Zeuge darüber aussagte.
Rabeiro bezeugte, die Information über die Verbindung der Hotel-Bombenanschläge zu Luis Posada und der Cuban American National Foundation sei "einem Team von Spezialisten" übergeben worden, von dem ich glaube, dass sie zu Ihren Leuten vom FBI gehörten, die von "wichtigen US-Beamten" nach Havanna "geschickt worden waren".
Kommunistenpropaganda? Desinformation?
Augenscheinlich nicht. Am 24. März 1999 brachte der Miami Herald einen weiteren Folgeartikel, der damit begann: "FBI-Agenten haben von kubanischen Beamten zur Verfügung gestelltes Beweismaterial untersucht, das Exilanten mit Terroranschlägen in Verbindung bringt, US-Beamte sagen, Havanna sei jedoch seit Dezember einem Nachfolgetreffen mit den Ermittlern ausgewichen."
Ein Nachfolgetreffen - das bedeutet, es muss schon eines gegeben haben.
Und es gibt noch mehr: Ich füge dieses Titelblatt eines Dokumentes von 65 Seiten, "INFORME SOBRE LAS ACTIVIDADES TERRORISTAS CONTRA CUBA" hinzu, von dem Kubas Innenministerium sagt, dass es dies erstellt und Ihren Beamten bei jenen Treffen übergeben habe. Sehen Sie bitte auf das unten angegebene Datum: Juni 1998...
Klingelt es?
Ich habe auch die Kopie eines weiteren Dokumentes von 52 Seiten, "ANEXOS OPERATIVOS", von denen die kubanischen Behörden sagen, dass sie ihnen die zur selben Zeit übergeben hätten. Es enthält die Namen, damaligen aktuellen und alternativen Adressen, Telefonnummern, Auto-Nummernschilder etc., etc. von verschiedenen und sonstigen noch vermuteten Anti-Castro-Terroristen, die meisten von ihnen wohnten in den Vereinigten Staaten... nur für den Fall, dass Sie sie [die Dokumente] jemals finden wollten.
Komme ich der Sache näher?
Ich habe auch ein aktuelles FBI-Dokument - siehe, Sie haben doch Dokumente! - es wurde zu dem laufenden und nicht enden wollenden Einwanderungsbetrugsfall Luis Posada in El Paso, Texas, eingereicht. Es stammt aus einem Bericht von einem Thomas J. Mohnal (ich glaube, er war ein weiteres Mitglied der FBI-Delegation in Havanna, daher könnten sie ihn fragen, ob er auch noch andere Notizen gemacht habe) nach seiner Aussage gab es "eine fachliche Untersuchung von vier (4) elektrischen Sprengzündern... durchgeführt in Havanna, Kuba... am 17. Juni 1998". Auf der dritten Seite gibt es einen weiteren Hinweis auf eine "am 18. Juni 1998 erhaltene Benachrichtigung".
Ich würde Ihnen Näheres zu dem "Case ID#" sagen, aber er ist in meiner Kopie geschwärzt. Ich bin sicher, dass Sie es finden und auch sehen können, welche anderen Dokumente noch beigefügt sein könnten.
Also… ich glaube, es ist fair zu behaupten, es habe im Juni 1998 in Havanna ein Treffen zwischen Beamten der kubanischen Staatssicherheit und einer Delegation des FBI gegeben.
Was uns auf die zweite Möglichkeit bringt: aus welchem Grund auch immer brachte niemand irgendetwas, irgendwo, irgendwann zu Papier. Vorher, während oder nachher?
Ich weiß natürlich nichts über die internen Arbeitsabläufe des FBI, aber ich kann mir nirgendwo eine Regierungsagentur vorstellen, die nichts zu Papier bringt.
Wenn FBI-Beamte 1998 nach Havanna gereist sind - und ich glaube, wir haben eindeutig festgestellt, dass sie es sind - dann müssen sie zumindest eine Spur hinterlassen haben, Bestellanforderungen und Quittungen.
Wenn sie nicht von den Florida Keys nach Havanna geschwommen sind, müsste es doch etwas Schriftliches darüber geben, wie sie dahin gekommen sind.
Wenn sie drei Tage in Havanna waren, müssen sie irgendwo übernachtet haben. Mein Geld ist im Hotel Nacional. Es liegt in der Nähe der Interessenvertretung der Vereinigten Staaten und ist bekannt dafür, dass es mit Besuchen [US-]amerikanischer Beamter vertraut ist. Ich war selbst dort und weiß also, dass es leicht ist eine Quittung zu bekommen.
Außerdem... sogar FBI-Agenten müssen essen. Sogar in Kuba. Hat irgendeiner im Laufe von drei Tagen eine Restaurantrechnung aufgehoben, die sie erstattet haben wollten?
Vielleicht haben sie einen Abend im berühmten Nachtclub Tropicana verbracht - zu Ermittlungen natürlich - und die Rechnung aufbewahrt. (Laut der Kubaner gehörte das Tropicana und seine Gäste zu den Zielen der Bombenkampagne.)
Um auf das Wesentliche zu kommen, ich vermute, dass - vorausgesetzt, die USA haben vor den Treffen im Juni 1998 "fünf einzelne diplomatische Noten an die Regierung Kubas geschickt, mit der Bitte um ein Treffen über die Beweise, die Kuba über diese Bombenanschläge besitzt" - muss es in den höheren Etagen des FBI und Justizministeriums, vielleicht sogar Weißen Hauses einiges Interesse am Fortschritt der Verhandlungen für das Treffen gegeben haben.
Versuchen Sie, mir zu erzählen, es habe keine Vorabankündigungen gegeben, um irgend jemanden in der Behörde wissen zu lassen, dass das Treffen tatsächlich stattfinden wird? ("He, die Kubaner sagen ja! Wir packen das!") Und dann natürlich eine Kurznotiz oder zwei wie die Diskussion voran gekommen ist, Pläne für ein Fortsetzung usw., usw...
Wie ich in meinem ursprünglichen Brief schon vor langer Zeit geschrieben habe, bin ich an diesen Informationen interessiert, weil ich an einem Buch über die Cuban Five arbeite, einer Gruppe kubanischer Geheimdienstagenten, bekannt als das Wespen-Netzwerk, die nicht einmal drei Monate nach der Rückkehr der FBI-Beamten aus Havanna in Miami verhaftet wurden.
Einige Kommentatoren hatten vermutet, diese beispiellosen Treffen vom Juni 1998 könnten der Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba sein. Aber alle Hoffnungen, dass so etwas passieren könnte, verflogen durch die Verhaftung der Fünf.
Was war in den drei Monaten zwischen dem Treffen in Havanna und den Verhaftungen in Miami passiert?
Warum entschied sich das FBI plötzlich, die Kubaner zu verhaften, denen es fast drei Jahre lang verstohlen gefolgt war?
Hector Pesquera - der Sonderagent im Dienste Ihres Büros in Miami sowohl zu der Zeit der Treffen von Havanna als auch der der darauf folgenden Verhaftungen - hat gesagt, dass er, als er seinen Dienst im Frühling 1998 in Miami aufgenommen habe, über alle anstehenden Ermittlungen des Büros informiert worden sei. Er habe entschieden, sagte er, das die Priorität des FBIs, zusätzliche Aufklärung über Kubas Spionagenetzwerk zu entwickeln "dort nicht länger bleiben soll. (Die Ermittlungen) sollten einen Kurswechsel vollziehen und zu kriminaltechnischen Ermittlungen werden."
Laut der Autorin Anne Louise Bardach in ihrem Buch "Cuba Confidental" [Kuba vertraulich] von 2003, hat Pesqueras Entscheidung für Verwirrung im Umfeld des Büros von Miami gesorgt, wo er als zu freundlich im Umgang mit einigen der Anti-Castro-Exil-Gemeinde galt (einschließlich, sollte angemerkt werden, mindestens eines Prominenten der Exilanten, der in den Anexos Operativos ausdrücklich genannt wird). Laut Bardach, habe ihr ein Agent erzählt, Pesquera habe "alle Ermittlungen zum Terrorismus der Exilanten eingestellt. Stattdessen hat er beschlossen, sich einen Namen mit dem Wespen-Netzwerk zu machen."
Pesquera hat dem Miami Herald gegenüber zugegeben (10. Juli 2001), dass es Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben habe, ob die Fünf verhaftet werden sollten, und dass der Fall "niemals vor Gericht gekommen wäre", wenn Pesquera sich nicht persönlich dafür beim damaligen FBI-Direktor Leonard Freeh eingesetzt hätte.
Ich vermute, es muss auch hier eine zu Papier gebrachte Spur geben, mindestens einige Notizen von Telefonaten oder Gesprächen von Angesicht zu Angesicht. Ich würde sie gerne lesen... angenommen, und das tu ich, sie existieren.
Das ist es, warum ich Sie bitte, noch einmal nach den Informationen zu sehen, die ich angefordert habe, und - für den Fall der Fälle, dass die Informationen "irgendwie... in einem falschen Ordner abgeheftet worden sind", wie ein anderes Schreiben der FBI-Korrespondenz es delikat zu nennen pflegt - lassen sie mich den Zeitraum meiner Anfrage auf die Zeit vom 4. September 1997 - dem Tag des Bombenanschlags auf das Hotel Copacabana - bis zum 31. Dezember 2000, dem Beginn des Verfahrens gegen die Cuban Five, ausdehnen.

Vielen Dank im Voraus

Hochachtungsvoll

Stephen Kimber

* Der Inhaber des Rogers-Communications-Lehrstuhls für Journalismus an der University of King's College in Halifax ist preisgekrönter Schriftsteller, Herausgeber und Rundfunksprecher. Er ist Autor eines Romans - Reparations [Wiedergutmachung] - und von acht Tatsachenbüchern.

Deutsch: ˇBasta Ya! (jmb, db)

Weiteres Material finden Sie bei Sting of the Wasp [Wespenstich].

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