Wollen die wahren Terroristen bitte aufstehen, jawohl!

Lawrence Wilkerson,

11. April 2011

Vor ein paar Tagen (6. April) sah ich "Will the Real Terrorists Please Stand Up" im West-End-Kino in Washington. Vor sechs Monaten hatte der Filmemacher Saul Landau mir eine vorläufige, grob geschnittene Version auf DVD gegeben, die ich mir angesehen hatte, aber ich war nicht auf die Endfassung mit all dem hinzugefügten Filmmaterial vorbereitet, das Landau bei seinem kürzlichen Aufenthalt in Kuba selbst erworben hatte und auf dessen umwerfende Wirkung auf großer Kinoleinwand.
Doch das hinzugefügte Filmmaterial von der Insel und das größere Bild waren nicht alles, was die Endfassung elektrisierender machte. Alles in allem war es der prokubanische Gesichtspunkt des Films, der mich so frappierte.
Und es wurde deutlich, dass dieser prokubanische Gesichtspunkt nicht vom Filmemacher heraufbeschworen worden war, sondern von der Geschichte. Vielleicht, sagte ich mir, kannte ich viel von dieser Geschichte - auf intellektuelle, akademische Art. Aber ich hatte es nie so graphisch vor mir dargestellt gesehen, in solch dichter filmischer Verpackung, das mir fast synchron mit meinem Pulsschlag von der Leinwand entgegenschlug.
Der Hintergrund des Films war die Beziehung zwischen den USA und Kuba von 1959 bis zur Gegenwart. Diese Beziehung wurde haarklein wiedergegeben, indem kein Zweifel darüber aufkam, warum Theodor Roosevelt Kuba "diese infernale kubanische Republik" genannt hatte, obwohl TR die Revolution auf eine Generation früher vordatiert hatte. Das kommt hauptsächlich daher, dass die einseitige US-Politik von 1823 bis heute immer die gleiche war. TRs Bemerkung zeigte das schon vor der kubanischen Revolution und noch vor dem Diktator Fulgencio Batista, noch bevor der US-Mob von Havanna Besitz ergriff, noch bevor Fidel Castro von der Sierra Maestra "¡Bastante!" rief, noch bevor Jesse Helms seinen latenten Rassismus gegenüber Kuba ausbreitete. Es zeigte sich eben, wie schlecht die USA seinen Inselnachbarn seit dem Anfang unserer Republik behandelt hatte.
Tatsächlich so schlecht, dass dessen Darstellung, wenn auch abgeschwächt, von einem Meisterfilmemacher gemacht, einen wegen seines Landes und seiner Politik weinen lassen sollte. Ich bezweifle, dass es unter den Zuschauern an diesem Abend eine einzige Person gab, die irgend etwas anderes empfunden hätte, außer vielleicht die dort anwesenden Kubaner, die wahrscheinlich wirklich auch um "el coloso del norte" weinten, aber aus anderen Gründen.
Und dann gab es da die Hauptsache, die im Filmtitel auf den Punkt gebracht wird.
Deutlich vorgeführt und lebendig dokumentiert wurde die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten Terrorismus sponsern. Allein bei Posada Carriles und Orlando Bosch gibt es Ähnlichkeiten mit Osama Bin Laden und Aman Al-Zawahiri, der ruchlosen Führung von Al-Qaida. In dem Film teilen uns Carriles und Bosch mit ihren eigenen Worten genau so viel darüber mit. Obendrein scheinen sie noch dabei zu frohlocken und ihr heutiges ungestörtes und unbelästigtes Leben in Miami zu genießen; tatsächlich leugnen sie es als Helden unter den ignoranten Batista-Anhängern, wessen Muttermilch sie eigentlich nährt. Keiner der Männer hat auch nur einen abmildernden Charakterzug von religiöser Askese, der, wie mancher argumentieren könnte, Bin Laden und Zawahiri einen widerwilligen Respekt einbringt, stattdessen scheinen diese beiden Terroristen genau das zu sein, als das der Film sie ablichtet, nämlich kriminelles Gesocks.
Ob es darum geht, ein Flugzeug mit mehr als 70 Passagieren an Bord herunterzuholen, einschließlich junger Leute aus der kubanischen Fechtmannschaft, oder um die Ermordung eines jungen Italieners in einem Hotel in Havanna, diese Terroristen scheinen Freude an dem zu haben, was sie getan haben, in dem sie beredt mit beschönigenden Ausdrücken erklären, dass solche Toten Kollateralschäden des Krieges sind.
Krieg? Ja, es wurde vom Boden der Vereinigten Staaten aus, hauptsächlich vom Staate Florida aus, Krieg gegen ein anderes souveränes Land geführt. Ein Krieg, der bis heute andauert, wobei die Vereinigten Staaten fast nichts zu seiner Beendigung unternehmen und, wie der Film es auf subtile Art darstellt, den Terroristen von Zeit zu Zeit sogar helfen, ihn zu führen.
Eines Tages bekam natürlich die Glaubwürdigkeit der Gebote und Befürchtungen des Kalten Krieges hinsichtlich dieses von unseren eigenen Küsten aus und gegen die Gesetze unseres eigenen Landes geführten Krieges eine Patina. Als US-Soldat, der 31 Jahre lang gedient hat, nahm ich die meiste Zeit meines Berufslebens an diesem zwielichtigen Kampf teil, daher verstand ich seine Erfordernisse, wenn ihnen auch manchmal unvollkommen entsprochen wurde. Doch der Kalte Krieg endete vor fast 20 Jahren. Das trifft allerdings nicht auf den unerklärten Krieg gegen Kuba zu.
Vielleicht wurde die beste filmische Zusammenfassung diese Realität von niemand Anderem geliefert als der derzeitigen Vorsitzenden des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses Ileana Ros-Lehtinen, die vor aller Welt erklärte, sie würde die Ermordung Fidel Castros begrüßen. Egal wie zynisch jemand geworden sein mag, das ist ein erstaunliches Szenario. Eine US-Kongressabgeordnete fordert den Mord an einem Führer eines anderen Landes - die ungeheuerlichste, unglaubliche Demonstration dieses unerklärten Krieges gegen Kuba.
Äußerst plastisch und bestürzend schildert der Film diesen fortgesetzten illegalen Krieg am Beispiel des Falles der Cuban Five. Das sind die fünf kubanischen Agenten, die in den 1990ern nach Florida geschickt wurden, um der Regierung in Havanna zu helfen, sich besser in diesem unerklärten Krieg zu verteidigen.
Wir kennen ein bisschen ihrer Geschichte. Nachdem sie die cubano-amerikanische Terrorszene infiltriert hatten, sammelten sie Informationen über geplante Terrorakte gegen Kuba. Alarmiert von dem, was sie erfuhren, informierten sie ihre Regierung in Havanna. Diese Regierung, jetzt selbst alarmiert, vertraute sich dem FBI an und hoffte, diese Organisation zur Durchsetzung des Gesetzes würde angesichts dieser gesammelten Beweise handeln und das Terrorszenario in Florida ausschalten. Stattdessen nutze das FBI - zweifellos auf Anregung des Weißen Hauses - die Informationen, die fünf kubanischen Agenten zu identifizieren und zu verhaften. Später wurde in Miami gegen sie verhandelt - das ist so, als würde man gegen einen israelischen Spionageverdächtigen in Teheran verhandeln.
Überraschung, Überraschung, die Cuban Five wurden nicht nur verurteilt, sie schmoren zwölf Jahre später immer noch in US-Bundesgefängnissen und der "Schlimmste" von ihnen wurde mit zwei Mal lebenslänglich plus 15 Jahren bedacht.
Das tatsächlich Allerschlimmste war, dass sie "ausländische Agenten, die auf dem Boden der USA operieren", waren, worauf nach US-Gesetz 18 Monate Gefängnis stehen. Wie der Film allerdings klar macht, ist das gewöhnliche Verfahren - wie z.B. im Fall der Russin Anna Chapman - die Ausweisung. Stattdessen siechen diese Männer immer noch im Gefängnis. Vielleicht waren sie sexy, aufreizende Frauen ...?
Als der Film endete und die kurzen, knappen Randbemerkungen im Abspann erschienen, wurden die wichtigsten Punkte geschickt von den Hauptdarstellern des Films mit auf den Heimweg gegeben.
Als diese Darsteller auf der Leinwand rekapitulierten, gab es, glaube ich, bei niemanden unter den Zuschauern - ob Kubaner oder US-Amerikaner - irgend einen Zweifel, wer in den Beziehungen zwischen den USA und Kuba tatsächlich der wirkliche Terrorist ist.
Die Frage, die durch alle Köpfe geisterte als die Zuschauer das Theater verließen - wieder ob Kubaner oder US-Amerikaner - war, wie man damit umgehen solle.
Das Versäumnis, das US-Gefängnis in der Bucht von Guantánamo zu schließen, die Ausdehnung der drakonischen Maßnahmen der Methodik der "Verschleierung der Nationalen Sicherheit" in einem Gerichtssaal nach dem anderen über ganz Amerika, die die zivilen Rechte vergewaltigenden Teile des Patriot Act, die Militärtribunale gegen Leute wie Khaled sheik-Mohammad, usw., usw. in der Litanei illegaler Aktionen der US-Regierung im Namen der perfekten Sicherheit und korrupten Politik der Sonderinteressen, die Affäre um die Cuban Five und alles das, was die Beziehungen zwischen den USA und Kuba repräsentiert, alles das befleckt das Bild unserer demokratischen Republik.
Kürzlich hat ein lang gedienter Veteran der CIA schwer zu redigierende aber trotzdem eloquente und überzeugende Memoiren über seine Zeit bei der Agentur geschrieben, einer Zeit, die die intensivste Periode unseres so genannten Krieges gegen den Terror während der Bush-Administration einschließt.
Hier ist eine seiner abschließenden Schlussfolgerungen in den Memoiren.
"Ich sah, dass einige unserer Führer, in ihrer Engstirnigkeit und scheinheiligen Gewissheit, das Gesetz brachen und damit begannen, unseren sozialen Unterbau zu zersetzen. Wir können allerdings handeln und solche Männer bremsen und damit unser Bekenntnis zu unseren Prinzipien neu bestätigen, zu unseren Institutionen und zum Rechtsstaat."
Das ist die Antwort auf unsere Frage und Saul Landau hat kraftvoll gehandelt.

Lawrence Wilkerson, Oberst der US-Armee im Ruhestand, Gastprofessor am "College of William Mary" und Dozent im "Honors Program" an der "George Washington University". Sein letztes Regierungsamt war Stabschef unter Außenminister Colin Powell (2002 - 2005).

Deutsch: ¡Basta Ya! (jmb, db)

(Quelle: antiterroristas.cu vom 12. April 2011)

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